Menschelnde Watschelgänger

Von Rebecca Partouche · 12.10.2005
Mit "Die Reise der Pinguine" liefert der Biologe Luc Jacquet einen faszinierenden Dokumentarfilm über das Leben der Tiere in der Antarktis. Allerdings unterschlägt der Film fast alle tierischen Feinde des Pinguins und verleiht einigen Tieren menschliche Stimmen, so dass die großartigen Bilder von menschelndem Kitsch konterkariert werden.
Luc Jacquet: "Die Idee war, dass über die Antarktis zwar schon alles gesagt wurde, aber eben nur von Wissenschaftlern. Von Menschen also, die sich per se verbieten, ihre Empfindungen zum Ausdruck zu bringen. Mir ging es in erster Linie darum, meine eigene Sensibilität zum Ausdruck zu bringen, durch die Einstellungen und die Ästhetik. Es ist natürlich alles sehr subjektiv. Trotzdem ist die Wissenschaft dabei sehr wichtig. Denn ohne mein Wissen und meine Kenntnisse über das Verhalten des Kaiserpinguins hätte ich diesen Film nicht machen können. "

Wie ein antiker Chor sehen wir die rund 7000 tapferen und majestätischen Watschelgänger ihr Territorium verlassen, um zu einem Marsch von mehreren hundert Kilometern über das Packeis aufzubrechen. Gebeutelt von Schneestürmen, gepeinigt von der Eiseskälte um minus 40 Grad, aber getrieben von dem unbezwingbaren Wunsch sich fortzupflanzen, schaffen es nur einige wenige, sich gegen die gnadenlose Eiswüste der Antarktis zu behaupten.

Der Film unterschlägt fast alle tierischen Feinde des Pinguins, um sich auf den Kampf mit den Elementen des Wetters und der Natur zu konzentrieren. Dadurch werden die Pinguine dem unausweichlichem Kreislauf von Fressen und Gefressen entzogen und in menschenähnliche, d.h. in aktive und willensstarke Akteure verwandelt.

Regisseur Jacquet verstärkt diesen Eindruck, indem er einzelnen Pinguinen menschliche Stimmen unterlegt. Schade eigentlich, denn diese sind - zumindest in der deutschen Version- so kitschig geraten, dass sie sich wie klebriger Zuckerguss über die großartigen Bilder legen.

Luc Jacquet: "Wenn Sie auf der Eiswüste dem Tier begegnen, ist es eine echte Begegnung. Es ist gibt eine richtige Kommunikation, eine richtige Empathie. Es stellt sich sehr schnell so etwas wie eine Herzensverwandtschaft ein. Vielleicht, weil es sonst nichts gibt außer der Leere und der unendlichen Weite der Antarktis. Das ist sicher der Grund, weshalb mein Film im Grunde die Geschichte des Lebens im Allgemeinen beschreibt.

Man hat es mit Tieren zu tun, die keinen anderen Luxus haben als das Recht zu existieren, die keine andere Wahl haben als zu kämpfen, um am Leben zu bleiben. Und in dieser reduzierten, fast nackten Geschichte findet sich jeder wieder. Es gibt hier keine verschwendete Energie. Dafür ist der Kampf ums Überleben viel zu hart, der Drang sich fortzupflanzen und sich zu ernähren. Und ich glaube, eben das macht das Leben aus. "

Untermalt wird die archaisch anmutende Geschichte durch die klassische Ästhetik der Bilder. In ihren klar konturierten Farben - dem strahlenden Blau des Himmels und dem blendend reinen Weiß der Eiswüste - wirkt die Antarktis wie ein raues, wildes Paradies. Jenseits von psychologischem Ballast, Kultur und Zivilisation.

Luc Jacquet: " In meinem Film finden die Zuschauer immer das, was sie suchen - egal, welcher Kultur und welchem Land sie angehören. Gestern meinte eine Frau aus Singapur zu mir: "Sie haben einen tollen Beitrag zur Emanzipation der Frau geleistet. Die Aufteilung der Aufgaben zwischen Mann und Frau haben Sie super auf den Punkt gebracht". Na ja, warum auch nicht. Und kurz davor hatte mir ein Mann erzählt, er hätte selten so einen gelungenen Film über die Solidarität zwischen den Menschen gesehen. Das ist das Schöne daran: Jeder sieht im Film, was er sehen will."
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