Mensch und Tier, in den Genen vereint

Ein Frosch als Schwangerschaftstest? Klingt ziemlich absurd, funktioniert aber. Grund für diese und andere Verrücktheiten sind die gemeinsamen biologischen Wurzeln des Menschen mit vielen Tieren. Mit zahlreichen Bildern und frischer Sprache zeigt der Biologe und Wissenschaftsjournalist Axel Wagner sie auf.
"Apothekerfrosch" hieß das arme Tier und diente bis vor wenigen Jahrzehnten nolens volens als lebender Schwangerschaftstest: Ein paar Tropfen Urin einer Frau, in die Haut der Krallenfröschin gespritzt, ließen Eier in ihrem Bauch sprießen - sofern die betreffende Frau schwanger war. Warum funktionierte das? Die schwangeren Körper von Frosch- und Menschen-Frau verlassen sich auf dieselben hormonellen Mechanismen.

"Das Tier in Dir" heißt ein optisch und inhaltlich hellwaches neues Sachbuch für Jugendliche und neugierige Erwachsene aus dem Frederking & Thaler Verlag. Geschrieben hat es der Wissenschaftsjournalist Axel Wagner, beruhend auf seiner gleichnamigen mehrteiligen Film-Dokumentation. In fünf Kapiteln sucht der studierte Biologe das Tier in den Augen des Menschen, in seinem Gehirn, in Haut und Haaren, Muskeln und Knochen und in seinen Organen - und findet, kein Wunder eingedenk von dreieinhalb Milliarden Jahren gemeinsamer Lebensgeschichte, überall Spuren unserer tierischen Vergangenheit.

So entstand unsere Fähigkeit zum räumlichen Sehen in den Baumwipfeln Afrikas, als unsere äffischen Vorfahren lernten, im dichten 3-D-Geflecht der Bäume zielsicher auf bunte Früchte zuzuspringen. Doch schon die giftige Würfelqualle starrt mit Linsenaugen in ihre Unterwasserwelt. Das Gen dafür findet sich in leicht abgewandelter Form quer durch das gesamte Tierreich. Ob Komplex-, Linsen-, Gruben- oder Lochkamera-Augen - überall spielt der uralte Erbgutabschnitt eine Rolle.

Die Bakterie, der Fisch, die Qualle in dir - das Thema ist nicht neu. Doch Axel Wagners Jugendbuch kommt sprachlich so unverbraucht und frisch daher, als läse man zum ersten Mal von Ohrknöchelchen aus den Kiemenbögen der Fische und Fingernägeln aus Reptilienschuppen. Während die online gestellten Filme eine eher wuchtige Bildsprache wählen, beweist sich Axel Wagner in seinem Buch als Meister des soften Erzählens. Die Wechselfälle der Biologie transformiert er in kurzweilige Geschichten, deren Faden wunderbar leicht und selbstverständlich abrollt. Unverkrampft und direkt spricht er seine jungen Leserinnen und Leser an und nimmt sie ohne jeden lehrerhaften Unterton mit eingestreuten Zwischenüberschriften und Zusammenfassungen so an der Hand, dass das Durchstreifen der Evolution zum gemeinsamen Abenteuer wird.

Nahtlos und elegant fügen sich die ausdrucksstarken Grafiken, Fotografien und Fotomontagen in den Textfluss. Da schütteln ein Mensch und ein Schimpanse einander die Hände - so ähnlich und doch so verschieden. Computergrafiken in zart-transparentem Blau bieten einzigartige Einblicke in das, was Lanzettfischchen, Salamander und Mensch im Innersten zusammenhält.

Ist nicht alles Leben auf der Erde Teil einer großen Gemeinschaft? Mit dieser Frage richtet sich der Autor am Ende an das einfühlsame Säugetier in uns - und wirbt für aktiven Optimismus: Kleine ökologische Heldentaten, beginnend im persönlichen Leben, können helfen das zu bewahren.

Besprochen von Susanne Billig

Axel Wagner: Das Tier in Dir - Eine Reise durch die Entwicklungsgeschichte des Menschen
Frederking & Thaler Verlag, München 2013
192 Seiten, mit vielen farbigen Abbildungen, 26,99 Euro