Melissa Scrivner Love: "Lola"

Die typisch weibliche Härte

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Buchcover zu "Lola" von Melissa Scrivner Love vor der Skyline von Los Angeles.
"Lola" von Melissa Scrivner Love spielt in Los Angeles. © Suhrkamp/imago images/Jan Huebner
Von Ulrich Noller · 24.05.2019
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Weibliche Führungskräfte sind im Drogengeschäft von Los Angeles eher selten. Melissa Scrivner Loves hat es in ihrem Thriller „Lola“ trotzdem versucht. Herausgekommen ist ein straßentauglicher Genderdiskurs.
Immer schön unter dem Radar bleiben – das ist das Überlebensmotto einer Straßengang namens "The Crenshaw Six", die im Stadtteil South Central, Los Angeles ein paar Blöcke kontrolliert. Dabei geht es insbesondere um den lukrativen Drogenhandel, den die Six mit einem gewissen Ethos halbwegs "anständig" zu managen versuchen, mit Grillfesten für Nachbarn und gute Kunden etc. pp.
Das Besondere an dieser ansonsten ortstypischen Latino-Gang ist ihre Leitung: Lola Vasquez, eine "Chica" also, ist die Chefin. Allerdings nur heimlich. Ihr Freund, Garcia, gibt nach außen hin den Boss. Denn für Frauen sind im Drogenmilieu – wie auch im Drogenkrimi – bislang meist andere Rollen vorgesehen. Management und Drecksarbeit sind Männersache.

Es geht auch weniger grausam

Dann allerdings gibt es Probleme: Das Lieferkartell aus Mexiko schlägt ein riskantes Geschäft vor; eine neureiche Hipstergruppe versucht, den Crenshaw Six ihr Gebiet abzujagen; ein korrupter Polizist spielt eine merkwürdig zwielichtige Rolle. Lola muss sich zeigen. Mit vollem Risiko. Und sie muss, wie das bei Frauen in Führungspositionen so ist, doppelt und dreifach Präsenz beweisen, um ihre Position zu bewahren.
Präsenz, das heißt in diesem Metier normalerweise: Härte, Grausamkeit, Terror, Macht. Aber vielleicht, so Lolas Plan, lassen sich die Probleme auch anders lösen, nur ein klein wenig grausam, um den Schein zu wahren – dafür ansonsten mit Intelligenz und Intuition, sozusagen auf eine wie auch immer geartete "typisch weibliche" Art?

Mit Witz und Pfiff – eine spannende Gesellschaftskritik

Zwischen Drogenkrieg und Opioid-Krise auf der einen und popkulturellen Cop- und Gangsta-Narrativen auf der anderen Seite hat sich der "Drogenthriller" längst zu einem zentralen Subgenre innerhalb der US-amerikanischen Kriminalliteratur entwickelt. Melissa Scrivner Love nutzt diesen Kontext für eine ganz eigene Agenda. Ihr Roman mischt trickreich Krimi- und Comedyeffekte mit Witz und Pfiff, um ein verschmitztes Statement im Genderdiskurs zu setzen: spannende Gesellschaftskritik mit einem perfiden kleinen Augenzwinkern.

Melissa Scrivner Love: "Lola"
Aus dem Amerikanischen von Sven Koch und Andrea Stumpf
Suhrkamp, Berlin 2019
391 Seiten, 14,95 Euro