Melancholischer Humor

Von Rudolf Schmitz |
Die Frankfurter Schirn Kunsthalle würdigt in einer Ausstellung den amerikanischen Maler Philip Guston anlässlich von dessen 100. Geburtstag. Die Schau widmet sich dem Spätwerk des Künstlers.
Philip Guston brachte in die amerikanische Nachkriegsmalerei eine Gegenständlichkeit zurück, die an die kruden Comics von Robert Crumb erinnert. Und da gibt es die gleiche Selbstbezüglichkeit. Die traurigen Riesen, die da reglos unter einem Laken liegen, den Pinsel oder die Zigarette in der Hand, den Atelierkrempel vor Augen, das ist immer der Maler selbst.

Qualmende Zigaretten sind das Standardmotiv in Philip Gustons späten Bildern. Kurz wie das Leben - je stärker man zieht, desto schneller ist es verglüht. Und in den letzten zehn Jahren seiner Malerkarriere wollte Philip Guston es noch einmal wissen: Der ehemals Abstrakte Expressionist malt krude, gewalttätige Dinge: melancholische Zyklopen mit großen Wimpern, Figuren mit Ku Klux Klan Mützen, behaarte spinnenförmige Beine mit groben Schuhen und genagelten Sohlen. Rausgekotzte Bilder, oft in weiß untermischten Farben, Albträume in Pink, Babyblau und gesprenkeltem Schwarz.

Ingrid Pfeiffer: "Und das war ein solcher Schock für seine Freunde, sein Freund Morton Feldman, ein Musiker, hat danach nie wieder ein Wort mit ihm geredet, und der Kritiker Hilton Kramer schrieb in der New York Times, ein Mandarin entwickelt sich zu einem Stümper, eine grobschlächtige figurative Art des Malens, wie sei noch keiner gesehen hatte, orientiert an amerikanischen Comics der zwanziger Jahre ... ja, warum macht jemand so etwas?"

Die Kuratorin Ingrid Pfeiffer zeigt in der Kunsthalle Schirn einen amerikanischen Maler, der 1970 in New York für einen Skandal sorgte, erst zehn Jahr später, kurz vor seinem Tod rehabilitiert wurde und mit seinen Bildern auch heute noch verstört. Denn man merkt ihnen an, dass da ein gewaltiger Zorn tobt, eine ungeheure Lust an der Entweihung.

Mitte der Sechzigerjahre erlebte Phil Guston eine große Krise. Die Rassenunruhen, der Vietnam-Krieg, die Demonstrationen auf den Straßen hatten ihn erschüttert, es kam ihm verlogen vor, die Weihestimmung der abstrakten Malerei noch länger aufrecht zu erhalten.

Ingrid Pfeiffer: "Er hatte das Gefühl, er kann so nicht mehr weitermachen, er sagt an einer Stelle: Draußen ist Krieg, und ich kann nicht in mein Studio gehen und ein Rot mit einem Blau kombinieren.

Es fängt ganz tastend bei ihm an, mit den sogenannten Small Paintings, da sitzt Guston in seinem Studio und nach eigener Beschreibung malt er einfach Dinge, die er in seiner engeren Umgebung einfach sieht, Schuhe, Bücher, Bilder an der Wand, Lampen, Häuserfragmente, usw. Also er tastet sich zurück in die Gegenstandswelt, aber natürlich auf eine scheinbar naive Weise"."
Bilder sind malerisch widersprüchlich
Philip Guston brachte in die amerikanische Nachkriegsmalerei eine Gegenständlichkeit zurück, die an die kruden Comics von Robert Crumb erinnert. Und da gibt es die gleiche Selbstbezüglichkeit. Die traurigen Riesen, die da reglos unter einem Laken liegen, den Pinsel oder die Zigarette in der Hand, den Atelierkrempel vor Augen, das ist immer der Maler selbst.

Philip Guston malt sich sogar mit der Ku Klux Klan Kapuze, vor der Leinwand stehend, auf der genau diese Kapuzenfigur Gestalt annimmt. Die Zeit ist in Unordnung geraten, das Chaos breitet sich aus, Rettung ist nicht in Sicht, es bleibt nur eins: Weitermachen, bei aller Absurdität.

Ingrid Pfeiffer: "Es ist so ein melancholischer Humor, der bei Guston vorherrscht, und wenn man zum Beispiel ein Selbstporträt anschaut, gleich am Eingang der Ausstellung, da ist ein Künstler, der sehr erfolgreich war und der malt sich selber, eingehüllt in eine rote Decke, wie ein Obdachloser."

Auch malerisch sind diese Bilder äußerst widersprüchlich. Die Weißuntermischung der Farben sorgt für einen schmierigen, unreinen Effekt, aber zugleich ist das alles so überwältigend wie eine Sahnetorte. In diese Bilder möchte man reinbeißen, aber sie würden uns mit Sicherheit im Halse stecken bleiben. Wie ein Schlüssel zur malerischen Kehrtwende von Philip Guston zeigt die Ausstellungen Zeichnungen, kombiniert mit Lyrik seiner jüngeren Dichterfreunde.

Da reiht der Künstler ganz lapidar sein Bildvokabular auf - die Schuhe, die Zigaretten, die Pinsel, die Quadratköpfe, die Uhren mit den abgefallenen Zeigern - ähnlich wie die Schriftsteller ihre Wörter. Kein Schmu, keine Eleganz, nur rückhaltlose Auflistung des Alltäglichen.

Ingrid Pfeiffer: "Guston war befreundet mit Schriftstellern und grade in den 70er-Jahren, als er sich nach Woodstock zurückgezogen hatte, waren das die einzigen mit denen er noch Umgang hatte, das waren diejenigen, die ihn besucht haben, die ihn verstanden haben."
Und das Seltsame ist: Je eindringlicher man diese Gemälde betrachtet, desto komplexer und rätselhafter erscheinen sie. Natürlich gibt es dann in den 1980er-Jahren Maler wie Julian Schnabel oder David Salle, die mit einer neuen Gegenständlichkeit ebenfalls Aufsehen erregen.

Aber Philip Guston gebührt der Verdienst, als Erster mit jeglicher Kunstheuchelei gebrochen zu haben. Da ist er zweifellos einer der Pioniere. Und das macht die Frankfurter Schau zu einem Erlebnis.