Melancholiker unter Palmen

Von Katrin Wilke |
Roberto Fonseca liebt Hüte und eine Schwermut, wie man sie bei einem jungen, lebenslustigen Kubaner eher nicht vermutet. Der Pianist gehört dem legendären Buena Vista Social Club an und tourt derzeit mit seinem Quartett durch Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Roberto Fonseca ist mit seinen 33 Jahren das Küken im altehrwürdigen Buena Vista Social Club. 2001 hatte man den Pianisten aus Havanna dazu auserkoren, in diesem legendären Musikerverbund den 56 Jahre älteren Kollegen Rubén González abzulösen. Doch auch abseits dieser prominenten Buena-Vista-Mitgliedschaft macht der überaus kreative Instrumentalist, Komponist und Arrangeur eine gute Figur. Sein Klavierspiel ist überaus virtuos und nuancenreich und scheint mitunter ein ganzes Orchester zu verkörpern.

Roberto Fonseca: "Wenn von Kuba oder seinen Musikern die Rede ist, dann schwirrt den Leuten sofort dieses Bild im Kopf herum vom Mann mit Hut, Zigarre und Mojito, der am Strand Rumba-Rasseln spielt. Doch Kuba ist noch was anderes: Es gibt Regen, Winter und Melancholie. Ich möchte dieses Bild vom Kubaner etwas ändern. Nun, das mit dem Hut nicht, denn ich trage selber einen."

Ein Hut ist gut – eine ganze Hutsammlung dürfte der Mann besitzen. Man sieht ihn im Konzert und privat fast nie ohne. Der attraktive Kubaner mit dem nachdenklichen Blick und dem kurzgeschorenen schwarzen Haar ist modebewusst, trägt mit Vorliebe unaufdringlich elegante Anzüge.

Etwa die von Agnès B. Die französische Modedesignerin wurde bei einem Konzert auf den Pianisten aufmerksam. Aus professioneller und menschlicher Wertschätzung wurde bald eine Freundschaft zwischen der Mittsechzigerin und dem 33-jährigen. Dabei ist Roberto Fonseca nicht der Glamour-Boy - vielmehr introvertiert, kein Mann der großen Worte. Der Tastenmagier spricht lieber durch seine Musik.

"Es geht nicht so sehr darum, Fiesta vorzumachen und zu tanzen. Doch auch wenn wir melancholisch sind, geht doch nie die kubanische Fröhlichkeit dabei verloren. Ich bin nicht so ein ausgehfreudiger Mensch, bin eher melancholisch. Das gibt meinen Stücken ein anderes Wesen, einen anderen Impuls, eine andere Ausdrucksform."

Egal, ob getragene Stücke, romantische Boleros oder ungestüme Jazz-Rock-Nummern - die Kompositionen entfalten ein starkes Freiheitsgefühl und viel Spiritualität. Wichtiger Energiequell hierfür ist laut Fonseca die Santería. Die afrikanisch-katholische Mischreligion ist in Kubas Alltagskultur fest verankert. Auch der Pianist praktiziert sie, im spirituellen Kontakt mit den ihm nahen Gottheiten entstehen viele seiner Stücke.

Roberto Fonsecas Mutter eröffnet sein aktuelles Album mit einem gesungenen Gebet. Sie wirkt bei fast jedem seiner Projekte mit – die beiden wohnen bis heute unter einem Dach in Havannas zentralem Stadtteil Vedado.

Die Sängerin und Komponistin ist - wie der Sohn in geradezu feierlich-dankbarem Ton bekennt – seine wichtigste musikalische Wegbereiterin. Schon als Kind hörte er der Mutter mit Wonne zu, wenn sie beim Kochen Boleros und andere Lieder sang.

"Ein Stück, das ich sehr mochte, war "Romeo und Julia", aus einer ganz alten Verfilmung. Eine unglaublich schöne Melodie. Schon damals wurde mir die melodische Seite besonders wichtig. Auch die der afrokubanischen Gesänge, sie haben viel Passion. Damit war mein Weg klar, deshalb spiele ich so.

Mir wurde beigebracht, dass man als Musiker allumfassend sein muss - also nicht nur ein Jazzer, Rocker oder Hip-Hopper. Das heißt man muss so viel wie mögliche Stile spielen können, sie respektieren."

Der solide ausgebildete Musiker spielt mit modernen wie traditionellen Einflüssen. Als Komponist von Filmmusik genauso wie als Produzent eines Albums junger kubanischer Rapper. Mit seiner Jazz-Rock-Band Temperamento und den Buena-Vista-Kollegen.

Diese Offenheit hat er schon im Elternhaus in Havanna erlebt: Ein Bruder spielte Piano, ein weiterer und der Vater Schlagzeug. Mit vier beginnt auch Roberto damit. Doch bald verfällt er dem Instrument, von dem er ein Vierteljahrhundert später sagt, es könne am allerbesten Körper, Geist und Seele in Einklang bringen.

"Es gibt einem viel mehr Möglichkeiten als etwa das Schlagzeug. Das kann die Noten nun mal nicht so klar definieren wie das Klavier. Zwar kannst du eine Melodie oder zum Beispiel eine Sinfonie mit dem Schlagzeug spielen, aber es geht viel besser mit dem Klavier."

Als 15-Jähriger schafft er es erstmals, bei Havannas internationalem Jazz-Festival das Publikum zu verzaubern. Heute tourt der Mann kreuz und quer durch die Welt und fährt auch musikalisch seine Antennen weit aus über Kubas enge Grenzen hinaus. Doch anders als viele seiner Landsleute, zieht es ihn letztlich nicht in die Ferne.

"Ich wurde immer gefragt, ob ich eventuell anderswo, in einem anderen Land leben wollte. Und ich habe immer gesagt: Nein! Weil, es ist Havanna, wo ich wirklich meine Energie habe und finde - der Ort, wo man wiedergeboren wird, wo man lebendig bleibt."