Meister: Sparen statt Steuererhöhung

Moderation: Jörg Degenhardt |
Die Unionsfraktion lehnt höhere Steuern zur Finanzierung des Gesundheitswesens ab. Die in den Planungen zur Gesundheitsreform vorgesehene Erhöhung staatlicher Zuschüsse sollte durch Einsparungen im Bundeshaushalt finanziert werden, sagte der CDU-Finanzpolitiker Michael Meister. Der Ruf nach höheren Steuern sei die falsche Antwort.
Jörg Degenhardt: Manchmal hilft ja eine Ortsveränderung, um alt bekannte Sachverhalte in einem anderen Licht zu sehen oder um einfach nur auf neue Ideen zu kommen. Das haben sich vielleicht die Spitzen der Bundestagsfraktionen von Union und SPD gedacht und sich in Werder an der Havel, also im Südwesten Berlins, zu einer Klausur verabredet. Seit gestern schon und heute noch reden Christ- und Sozialdemokraten über die Arbeitsplanung für dieses Jahr. Im Mittelpunkt stehen geplante Reformen, etwa die der Pflege- oder die der Unternehmenssteuer. Außerdem ging es bereits um Auslandseinsätze der Bundeswehr, und sicherlich hat auch das Machtgerangel in der CSU in der Nach-Stoiber-Phase eine Rolle gespielt.

Dr. Michael Meister ist mein Gesprächspartner. Er ist stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Guten Morgen, Herr Meister!

Michael Meister: Guten Morgen, Herr Degenhardt!

Degenhardt: Sind Ihre Kollegen von der CSU-Landesgruppe eigentlich inhaltlich bei der Sache, oder sind sie doch durch die Vorgänge in München etwas abgelenkt?

Meister: Also ich glaube, die Kollegen der CSU sind hier in der Fraktion, im Fraktionsvorstand voll und ganz bei der Sache. Selbstverständlich drängt es alle danach, rasch Klarheit zu haben, was die Personalfragen dort und die Zukunft betrifft, aber ich glaube, das hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Einfluss auf die Arbeit hier in der Fraktion.

Degenhardt: Sie sehen also das Unionslager durch die CSU-Turbulenzen nicht geschwächt?

Meister: Nein. Ich glaube wir sind hier, was die Fraktionsarbeit, was die Bundespolitik betrifft, nicht geschwächt. Selbstverständlich ist es wichtig für Bayern, für die CSU, dass relativ schnell Klarheit herrscht und dort ein Klärungsprozess erfolgt. Das ist mit Sicherheit mittel- und längerfristig wichtig, aber gegenwärtig sehe ich da kein Problem für uns.

Degenhardt: Zum Inhaltlichen: Forderungen aus der SPD nach höheren Steuern für die Gesundheit stoßen in Ihrer Partei, also bei der Union, auf ein klares Nein. Das Instrument der Steuererhöhungen sei verbraucht, haben Sie, Herr Meister, der heutigen Ausgabe der "Frankfurter Rundschau" gesagt. Wie wollen Sie dann das Problem mittelfristig steigender Beitragssätze lösen?

Meister: Ich glaube, zunächst einmal müssen wir die Gesundheitsreform jetzt im Bundestag zu Ende beraten und beschließen. Darin ist vorgesehen, dass wir zu einer stärkeren Entkoppelung der Beiträge kommen von den Arbeitseinkommen. Und aus diesem Grund soll eine Finanzierung stärker aus Steuermitteln stattfinden. Das ist in diesem Gesetz vorgesehen. Wir planen gegenwärtig für das laufende Jahr mit 2,5 Milliarden, die sind im Haushalt eingestellt. Und es ist für die Zukunft ein Aufwuchs vorgesehen. Ich bin der Meinung, dass der Aufwuchs, der vorgesehen ist, durch Sparanstrengungen geleistet werden sollte, und meine Fraktion schlägt vor, dass wir in unserer Fraktion, aber auch in der Koalition darüber reden, wie wir die Größenordnung von etwa 1,5 Milliarden Euro pro Jahr durch Sparanstrengungen im Bundeshaushalt heben können. Ich glaube, wenn man das ernsthaft betrachtet, muss das eine leistbare Aufgabe sein.

Degenhardt: Das heißt die Gesundheitsreform, so wie sie kommt, wie sie geplant ist, wird nicht dafür sorgen, dass die Beitragssätze so bleiben, wie sie sind; sie werden trotzdem steigen?

Meister: Nein. Sie können nicht mehr alleine die Beitragssätze betrachten. Die Gesundheit finanziert sich ja aus verschiedenen Quellen. Da sind zum einen die Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Zum zweiten gibt es ja an der einen oder anderen Stelle Eigenbeteiligungen der Versicherten, und zum dritten gibt es eine Zuwendung aus dem Steuertopf. Das ist auch richtig, um an der einen oder anderen Stelle Leistungen, die der Gesetzgeber hineingelegt hat in die Versicherung, die aber nicht versicherungsbedingt sind, zu finanzieren. Dieser Anteil, der aus dem Steuertopf fließt, soll in Zukunft aufwachsen, und dafür brauchen wir eine Finanzierung. Ich glaube, wir müssen jetzt vorrangig mal schauen: wo sind Möglichkeiten im Bundeshaushalt, dafür eine Gegenfinanzierung zu finden, bevor wir danach rufen, gleich wieder Steuern zu erhöhen. Ich glaube, wir müssen auch an die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit denken, an die Frage wer leistet was und was bekommt er dann am Ende dafür, um damit Motivation und Anreiz für mehr Leistung zu setzen. Deshalb, glaube ich, ist der Ruf nach höheren Steuern gegenwärtig die falsche Antwort.

Degenhardt: Können Sie es denn, Herr Meister, ein bisschen konkreter machen, wo man denn einsparen könnte?

Meister: Wir müssen die mittelfristige Finanzplanung bis Juli diesen Jahres für den Haushalt 2008 erstellen. Die geht dann über die nächsten Jahre hinweg. An dieser Stelle, bin ich der Auffassung, müssen wir uns mit der Frage von Leistungsgesetzen auseinandersetzen, müssen schauen, wo sind Prioritäten zu setzen, wie kann man möglicherweise die Effizienz der einen oder anderen Leistung steigern, und dort diese Größenordnung von etwa 1,5 Milliarden erziehen. Ich glaube, das ist eine leistbare Aufgabe.

Degenhardt: Stichwort Haushalt. Währungskommissar Almunia will heute in Brüssel die aktuelle Konjunktur und Haushaltsplanung der Bundesregierung bewerten. Der spanische Kommissar wird dem Vernehmen nach von Berlin verlangen, im nächsten Jahr mehr zu sparen als bisher geplant. Also: Geht da noch was?

Meister: Ich habe ja eben zum Ausdruck gebracht, dass ich fest überzeugt bin, dass wir mehr auf der Seite der Ausgaben, des Sparens tun können. Auf der anderen Seite will ich sagen: Wir sind auch im ersten Jahr unserer Regierung ein gewaltiges Stück nach vorne gekommen. Wir haben die Nettokreditaufnahme halbiert im vergangenen Jahr. Wir haben das strukturelle Defizit abgebaut. Also ich glaube, wir sind auf einem guten Weg mit dem Mix, auf der einen Seite zu sparen, auf der zweiten Seite dafür zu sorgen, dass in den Unternehmen bei den Menschen wieder investiert wird. Das sehen wir auch am Konjunkturverlauf, dass das gegriffen hat. Und zum dritten aber auch die notwendigen Strukturreformen - ich nenne mal als Beispiel die Unternehmenssteuerreform - durchzuführen, um damit…

Degenhardt: Entschuldigung. Da gilt dann der Sparzwang nicht. Der wird dann ein wenig gelockert?

Meister: Ich glaube, wenn Sie die Unternehmenssteuerreform mal vernünftig betrachten ist ja diese Berechnung, was wir an Steuermehreinnahmen oder Mindereinnahmen haben, eine theoretische Betrachtung, die davon ausgeht, dass sich alle Akteure, alle Unternehmen so verhalten, als würden sich die Regeln nicht ändern. Wir werden aber mit einem niedrigeren Steuertarif massiv Anreiz setzen, hier den Standort Deutschland attraktiver zu machen, mehr Investitionen hier zu tätigen. Deshalb glaube ich, werden wir ähnlich wie in den 80er Jahren bei Gerhard Stoltenberg dazu kommen, dass wir zwar in den Finanztableaus der Reform ein Minderaufkommen haben, am Ende, wenn wir die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben betrachten, dazu kommen, dass wir keine Ausfälle haben, sondern über mehr wirtschaftliche Aktivität zu besseren Ergebnissen kommen.

Degenhardt: Noch mal kurz und zum Schluss zum Atmosphärischen. Zuletzt hatte es unter Rot-Grün eine gemeinsame Klausur der Regierungsfraktionen gegeben. Warum jetzt, Herr Meister, diese Veranstaltung? Wollen sie gemeinsam neue Stolpersteine ausmachen, bevor die Koalition ins Straucheln kommt wie etwa bei der Gesundheitsreform?

Meister: Wir haben im vergangenen Jahr gemeinsam die Koalitionsverhandlungen geführt, Ende 2005, und hatten uns dafür ein Programm aufgestellt, was dann auch in 2006 engagiert angegangen worden ist. Wir haben jetzt ein Jahr Große Koalition hinter uns und sind der Meinung, dass es jetzt an der Zeit ist, über das Jahresprogramm 2007 zum Auftakt des politischen Jahres miteinander zu reden. Ich glaube, dass die Themen, die wir ausgewählt haben, Patientenverfügung, Auslandseinsätze der Bundeswehr, Hilfe für Helfer im Gemeinnützigkeitsrecht, SED-Opferpension wie auch unser Jahresplan in den verschiedenen Politikbereichen, wichtige Themen sind, die wir miteinander ganz sachlich und ruhig bereden. Ich glaube, das ist für das Klima in der Großen Koalition, für die Arbeit und für das Finden von sachlichen Lösungen hilfreich.

Degenhardt: Michael Meister war das, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Ich bedanke mich für das Gespräch.
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