Meinungsfreiheit in Frankreich

"Macron handelt politisch nicht unbedingt klug"

06:26 Minuten
In Frankreich demonstrieren viele Menschen in Erinnerung an den ermordeten Lehrer Samuel Paty. Sie zeigen ein Bild von ihm, eine Frankreich-Fahne und eine Zeitung, auf der eine Mohammed-Karikatur zu erkennen ist.
In Frankreich gingen Tausende auf die Straße, um an den ermordeten Lehrer Samuel Paty zu erinnern und das Recht auf das Zeigen von Mohammed-Karikaturen zu verteidigen. © imago / Hans Lucas
Stefan Weidner im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 27.10.2020
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Nach dem Mord an einem Lehrer in Frankreich ist die Debatte um die Mohammed-Karikaturen neu aufgeflammt. Präsident Macron verteidigt mit diesen offensiv die Meinungsfreiheit. Der Islamwissenschaftler Stefan Weidner findet diesen Ton "irritierend".
Bevor ein 18-Jähriger ihn ermordete, hatte der französische Lehrer Samuel Paty Mohammed-Karikaturen im Unterricht gezeigt: Diese Tat hat die Debatte um die Karikaturen, um Islamismus und Meinungsfreiheit in Frankreich neu entfacht. Auch mit außenpolitischen Folgen: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan rief zum Boykott französischer Waren auf und zweifelte Präsident Emmanuel Macrons geistige Gesundheit an. Dieser zog daraufhin den französischen Botschafter aus Ankara ab.
Der Islamwissenschaftler Stefan Weidner betont, man müsse die Meinungsfreiheit selbstverständlich verteidigen und die Bilder auch an Schulen zeigen dürfen. Dennoch kritisiert er Macrons Auftreten in diesem Fall als zu "plakativ":
"Dieser Ton von Macron ist schon ein bisschen irritierend. Es klingt fast so, als würde Macron die Mohammed-Karikaturen zu seiner eigenen Sache machen. Das halte ich für politisch nicht unbedingt klug."

Macron will einen französischen Islam schaffen

Nach Ansicht Weidners verfolgt der Präsident einen Plan: "Er will den Terrorismus bekämpfen, indem er den ganzen Islam reformiert oder einen französischen Islam schaffen will. Er will den islamischen Separatismus, so hat er das genannt, in Frankreich abschaffen. Das ist ein Ziel, was überzogen ist."
Denn Macron könne nicht den Islam reformieren, um den Terror zu bekämpfen. "Das muss er schon irgendwie anders schaffen", ist der Islamwissenschaftler überzeugt.

Was macht die Karikatur zur Karikatur?

Weidner hält zudem den Begriff der Karikatur im Falle Mohammeds für fragwürdig. "Traditionell gibt es keine Bilder des Propheten", sagt er. Der Fokus liege damit auf einer speziellen Frage, nämlich der, ob man den Propheten des Islams zeichnen dürfe - und wie:
"Eine Karikatur ist eine witzige, amüsante, auch despektierliche Darstellung eines Bildes, das wir schon kennen. Da wir kein Bild von Mohammed, dem Propheten, kennen, ist es auch schwer, ihn so darzustellen, weil wir gar nichts haben, was wir verzerren können."
(bth)
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