"Mein Konzept kreist um Zeit und Erinnerung"
Die erste große Schau des japanischen Fotografen Hiroshi Sugimoto ist von Samstag an in Düsseldorf zu sehen. Die Kunstsammlung NRW zeigt 58 zumeist großformatige Schwarz-Weiß-Aufnahmen sowie eine Skulptur des seit über 30 Jahren tätigen Künstlers.
Selbst prosaische Naturen überfällt beim Anblick von Sugimotos Seelandschaften ein Gefühl von Unendlichkeit. Dabei sind sie streng komponiert: das Meer wogt in genau der unteren Hälfte dieser großformatigen Fotos, darüber türmt sich der mächtige Himmel. Gelegentlich ist der Horizont auch in Nebel getaucht, oder die Nacht hat die Szenerie fast schon verschluckt - immer aber erreicht der in Tokio geborene, in New York lebende Fotograf eine starke Stilisierung, so dass sich das Sinnieren zwangsläufig einstellt - und nebeneinander gehängt, wie im Entree dieser Schau auf einer eigens vom Künstler konzipierten gekrümmten Wand, ist der Anblick schlicht umwerfend. Spielt Sugimoto mit den Seelandschaften auf die Tradition der Romantik an?
"Nicht unbedingt. Mein Konzept kreist um Zeit und Erinnerung, auch um meine eigene Erinnerung an die Kindheit, als meine Eltern mit mir erstmals ans Meer fuhren. Möglicherweise unterscheiden sich diese Vorstellungen von denen aller anderen Menschen - die fühlen sich durch diese Fotos an Caspar David Friedrich und die deutsche Romantik erinnert. Es gibt eben viele Blickwinkel, da kommt es ganz auf den Betrachter an.”"
Urbane Motive werden bei Sugimoto nicht zum Gegenpol dieser gefühlsbeladenen Landschaften, sondern scheinen einem archaischen Traumreich zu entstammen. So hat er Inkunabeln der modernen Architektur, ob nun von Frank Lloyd Wright oder Mies van der Rohe, in kaum glaublicher Unschärfe aufgenommen: Ein Wolkenkratzer erscheint so wie ein düsterer Monolith aus einem Science Fiction Film.
Weitere, längst berühmte Serien des Kult-Fotografen sind in Düsseldorf präsent: so die gleißenden Leinwände in pompösen Filmtheatern, wobei diese Rechtecke nicht einfach leer sind - ein ganzer Film ist jeweils an Sugimotos Kamera vorbeigezogen - das Strahlen dieser Leinwand-Rechtecke ist so die Summe aller bewegten Bilder in dem betreffenden Kino. Eine Serie, die ebenfalls die Phantasie des Betrachters anregt und ihn zu eigenen "Projektionen” ermuntert.
Fragt man den von fernöstlicher Philosophie und westlicher Minimal- und Konzept-Kunst gleichermaßen beeinflussten Licht-Bildner Sugimoto nach einer Botschaft - oder spricht man ihn gar auf sublime religiöse Momente in seinem Werk an -, reagiert er äußerst zurückhaltend. Raunt seine Kunst denn etwa nicht? Ist sie denn nicht pathetisch?
Für seine Bilder von Schöpfung und Vergänglichkeit greift er nicht auf modernste Technik zurück, erschafft seine Welten nicht am Computer, sondern fotografiert die Motive in der Regel auf denkbar altmodische Art. Die Kuratorin Pia Müller-Tamm:
""Sugimoto arbeitet sehr bewusst mit einer alten Fototechnik, das heißt seine Kamera datiert aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert, ist eine Großbildkamera, seine Abzüge sind mit wenigen Ausnahmen allesamt schwarzweiß. Er pflegt also eine Fototechnik, die einen anderen Blick konditioniert, bei dem es auf die Details ankommt. Diese Fotos unterscheiden sich von den Medienbildern, die uns umgeben. Er partizipiert nicht an der Entwicklung der jüngeren Mediengeschichte, die sich durch Fortschritte in immer größerer Geschwindigkeit auszeichnet."
Meist produziert er detaillierte, in ihren Grauwerten reich abgestufte Fotos. Schaukästen und Installationen aus naturkundlichen Museen mit gierigen Bestien sowie berühmte Personen aus Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett zählen ebenfalls zu den Motiven Sugimotos - hier stellt sich ein merkwürdiges Spiel mit den Ebenen von Realität und Nachbildung ein.
Suggestiv wirken all diese Bilder in den Raum, scheinbar mühelos bespielt man in Düsseldorfs K 20 die Säle, auf mehreren Etagen wird ein unverwechselbares Werk ausgebreitet. Bei soviel Ausstellungsstoff sucht man aber immer wieder nach den verbindenden Elementen:
"Ja, die gibt es sehr wohl. Das Gesamtwerk hat drei Orientierungen: es ist selbstreferentiell auf die Bedingungen des fotografischen Sehens bezogen, die in seinem Werk thematisiert werden. Es ist andererseits intermedial angelegt: es geht um das Verhältnis von Fotografie zu Film, zu Malerei, Wachsbildnerei, Skulptur und Architektur. Und es ist ein Werk, das einen sehr großen Erfahrungsraum öffnet, in dem Phänomene wie Zeit, Vergänglichkeit und Erinnerung bedeutend sind."
Von bloßer Abbildungspflicht befreit, spielt in seiner Fotografie die künstlerische Reflexion die Hauptrolle. Inzwischen hat sogar die Abstraktion Einzug gehalten: Licht- und Schattenspiele an Wänden hat Sugimoto in einer Bildreihe festgehalten, die ausnahmsweise mit dezenten Farbtönen aufwartet. Und für einige seiner jüngsten Arbeiten hat er elektrische Entladungen direkt auf sein Fotomaterial einwirken lassen - so sind, ganz ohne Kamera, bizarre Gewächse mit feinen Verästelungen entstanden.
Und, als wäre das nicht schon genug, schaut er bei seinen Experimenten immer wieder in die Vergangenheit und hat aus seiner privaten Sammlung Negative des Fotopioniers William Henry Fox Talbot in Positive verwandelt und fotografiert. Da hängen sie nun: von Talbot aufgenommene Pflanzen, fast schon verblasst, und die Dächer einer Abtei sind allenfalls noch zu erahnen. Sugimoto schlägt so einen Bogen aus dem 19. Jahrhundert in unsere Gegenwart - und steht bei allem, was er tut, in Opposition zur heutigen Medienwelt mit ihrer sinnlosen Bilderflut: Sugimoto:
""Die Fotografie hat sich seit ihren Anfängen sehr verändert. Lange Zeit war sie glaubwürdig, sie genoss Ansehen. Heute aber kann man jedes Bild manipulieren. Das hat ihrem Ruf sehr geschadet. Und so greife ich in meinem Stil und meiner Technik gern auf ältere Formen der Fotogeschichte zurück, auf die Tradition. Irgendjemand muss das ja machen.”"
Service:
Die Ausstellung "Hiroshi Sugimoto" ist bis zum 6. Januar 2008 in der
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen zu sehen.
"Nicht unbedingt. Mein Konzept kreist um Zeit und Erinnerung, auch um meine eigene Erinnerung an die Kindheit, als meine Eltern mit mir erstmals ans Meer fuhren. Möglicherweise unterscheiden sich diese Vorstellungen von denen aller anderen Menschen - die fühlen sich durch diese Fotos an Caspar David Friedrich und die deutsche Romantik erinnert. Es gibt eben viele Blickwinkel, da kommt es ganz auf den Betrachter an.”"
Urbane Motive werden bei Sugimoto nicht zum Gegenpol dieser gefühlsbeladenen Landschaften, sondern scheinen einem archaischen Traumreich zu entstammen. So hat er Inkunabeln der modernen Architektur, ob nun von Frank Lloyd Wright oder Mies van der Rohe, in kaum glaublicher Unschärfe aufgenommen: Ein Wolkenkratzer erscheint so wie ein düsterer Monolith aus einem Science Fiction Film.
Weitere, längst berühmte Serien des Kult-Fotografen sind in Düsseldorf präsent: so die gleißenden Leinwände in pompösen Filmtheatern, wobei diese Rechtecke nicht einfach leer sind - ein ganzer Film ist jeweils an Sugimotos Kamera vorbeigezogen - das Strahlen dieser Leinwand-Rechtecke ist so die Summe aller bewegten Bilder in dem betreffenden Kino. Eine Serie, die ebenfalls die Phantasie des Betrachters anregt und ihn zu eigenen "Projektionen” ermuntert.
Fragt man den von fernöstlicher Philosophie und westlicher Minimal- und Konzept-Kunst gleichermaßen beeinflussten Licht-Bildner Sugimoto nach einer Botschaft - oder spricht man ihn gar auf sublime religiöse Momente in seinem Werk an -, reagiert er äußerst zurückhaltend. Raunt seine Kunst denn etwa nicht? Ist sie denn nicht pathetisch?
Für seine Bilder von Schöpfung und Vergänglichkeit greift er nicht auf modernste Technik zurück, erschafft seine Welten nicht am Computer, sondern fotografiert die Motive in der Regel auf denkbar altmodische Art. Die Kuratorin Pia Müller-Tamm:
""Sugimoto arbeitet sehr bewusst mit einer alten Fototechnik, das heißt seine Kamera datiert aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert, ist eine Großbildkamera, seine Abzüge sind mit wenigen Ausnahmen allesamt schwarzweiß. Er pflegt also eine Fototechnik, die einen anderen Blick konditioniert, bei dem es auf die Details ankommt. Diese Fotos unterscheiden sich von den Medienbildern, die uns umgeben. Er partizipiert nicht an der Entwicklung der jüngeren Mediengeschichte, die sich durch Fortschritte in immer größerer Geschwindigkeit auszeichnet."
Meist produziert er detaillierte, in ihren Grauwerten reich abgestufte Fotos. Schaukästen und Installationen aus naturkundlichen Museen mit gierigen Bestien sowie berühmte Personen aus Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett zählen ebenfalls zu den Motiven Sugimotos - hier stellt sich ein merkwürdiges Spiel mit den Ebenen von Realität und Nachbildung ein.
Suggestiv wirken all diese Bilder in den Raum, scheinbar mühelos bespielt man in Düsseldorfs K 20 die Säle, auf mehreren Etagen wird ein unverwechselbares Werk ausgebreitet. Bei soviel Ausstellungsstoff sucht man aber immer wieder nach den verbindenden Elementen:
"Ja, die gibt es sehr wohl. Das Gesamtwerk hat drei Orientierungen: es ist selbstreferentiell auf die Bedingungen des fotografischen Sehens bezogen, die in seinem Werk thematisiert werden. Es ist andererseits intermedial angelegt: es geht um das Verhältnis von Fotografie zu Film, zu Malerei, Wachsbildnerei, Skulptur und Architektur. Und es ist ein Werk, das einen sehr großen Erfahrungsraum öffnet, in dem Phänomene wie Zeit, Vergänglichkeit und Erinnerung bedeutend sind."
Von bloßer Abbildungspflicht befreit, spielt in seiner Fotografie die künstlerische Reflexion die Hauptrolle. Inzwischen hat sogar die Abstraktion Einzug gehalten: Licht- und Schattenspiele an Wänden hat Sugimoto in einer Bildreihe festgehalten, die ausnahmsweise mit dezenten Farbtönen aufwartet. Und für einige seiner jüngsten Arbeiten hat er elektrische Entladungen direkt auf sein Fotomaterial einwirken lassen - so sind, ganz ohne Kamera, bizarre Gewächse mit feinen Verästelungen entstanden.
Und, als wäre das nicht schon genug, schaut er bei seinen Experimenten immer wieder in die Vergangenheit und hat aus seiner privaten Sammlung Negative des Fotopioniers William Henry Fox Talbot in Positive verwandelt und fotografiert. Da hängen sie nun: von Talbot aufgenommene Pflanzen, fast schon verblasst, und die Dächer einer Abtei sind allenfalls noch zu erahnen. Sugimoto schlägt so einen Bogen aus dem 19. Jahrhundert in unsere Gegenwart - und steht bei allem, was er tut, in Opposition zur heutigen Medienwelt mit ihrer sinnlosen Bilderflut: Sugimoto:
""Die Fotografie hat sich seit ihren Anfängen sehr verändert. Lange Zeit war sie glaubwürdig, sie genoss Ansehen. Heute aber kann man jedes Bild manipulieren. Das hat ihrem Ruf sehr geschadet. Und so greife ich in meinem Stil und meiner Technik gern auf ältere Formen der Fotogeschichte zurück, auf die Tradition. Irgendjemand muss das ja machen.”"
Service:
Die Ausstellung "Hiroshi Sugimoto" ist bis zum 6. Januar 2008 in der
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen zu sehen.