Mein 9. November: Ernst Paul Dörfler

23.10.2009
Ernst Paul Dörfler, Jahrgang 1950, ist Schriftsteller, Umweltschützer und war Mitbegründer der Grünen Partei in der DDR. Von 1975 bis 1982 war er Ökochemiker am Institut für Wasserwirtschaft in Berlin und Magdeburg und arbeitete an mehreren unveröffentlichten Studien zur ökologischen Situation in der DDR mit. Als Mitbegründer der Grünen Partei der DDR wurde er dann auch in die Volkskammer gewählt.
Offiziell gab es überhaupt kein Umweltproblem. Die Luft in machen Orten war gesundheitsgefährdend. Man durfte es aber nicht sagen. Die Flüsse stanken zum Himmel, waren vergiftet. Wenn man es sagte, war es staatsfeindliche Hetze. Und plötzlich war die Situation eine ganz andere. Das erst mal zu realisieren, diese Angst abzulegen, das war für mich nicht von heute auf morgen möglich. Denn ich musste wirklich immer wieder abwägen, wie weit ich gehen darf.

Der Machtapparat war zusammengebrochen, der Machtapparat, der uns Vorschriften gemacht hat, der uns unterdrückt hat, der uns eingesperrt hat, war nicht mehr da. Ja, aber es war nicht klar, was kommt denn? Das war für mich natürlich dann auch so eine Erleuchtung: Jetzt ist ja eine Situation eingetreten, wo die Macht auf der Straße liegt. Da hab ich ganz schnell geschaltet und habe mir gesagt: Wenn ich jetzt jahrelang die nicht vorhandene Umweltpolitik beklagt und kritisiert habe, dann ist jetzt der Moment gekommen, selbst Umweltpolitik zu machen.

In der Volkskammer habe ich mich vor allem auch für die Umstellung auf erneuerbare Energien eingesetzt. Und da hab ich ganz schnell gemerkt, das wurde nicht ernst genommen. Ich wurde verlacht, wurde verspottet, weil, mit erneuerbaren Energien kann man höchstens ein Prozent des Strombedarfs decken.

Ich habe die Möglichkeit genutzt, Umweltpolitik zu gestalten, hab aber festgestellt, dass auch in der frei gewählten Volkskammer keineswegs eine Mehrheit für eine ökologische Erneuerung da war. Sie wollten eigentlich gar nichts Neues. Sie wollten nur das andere haben, was schon fertig war. Da fühlte ich mich dann deplaziert.

Aber die Angst war dann verflogen. Ich hatte nie mehr Angst seither, dafür im Knast zu landen, dass ich meine eigene Meinung öffentlich ausspreche.