Mein 9. November: Axel Noack

18.10.2009
Axel Noack, Jahrgang 1949, wurde in der DDR wegen seiner Wehrdienst-Verweigerung nicht zum Mathematikstudium zugelassen. Daraufhin studierte er Theologie an der Kirchlichen Hochschule in Naumburg und absolvierte sein Vikariat in Merseburg. 1989/90 arbeitete er mit am "Runden Tisch" und im MfS-Überprüfungsausschuss. Als Gemeindepfarrer in Wolfen half er, die ersten freien Wahlen im März 1990 zu organisieren.
Zum Zeitpunkt des Mauerfalls war Axel Noack in Berlin, denn dort tagte gerade die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen der DDR. Seit Sommer 2009 ist der – seit 1997 amtierende Bischof der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen - im Ruhestand.

Ich glaube, es hat länger gedauert, bis es sich gesetzt hat. An dem Abend dachten wir nicht, dass das auf Dauer ist. Das habe ich später noch in Magdeburg erlebt, dass im Jahr 1990 noch Leute waren, die fuhren noch zur Entbindung nach Helmstedt rüber fuhren, weil sie dachten, besser steht im Pass, dass er in Helmstedt geboren ist, besser als in Magdeburg. Das gab's, weil so sicher war das nicht. Und damals an dem Abend war überhaupt nicht sicher. Die Spinnerei an der Grenze, an dem einen Übergang, ich hab das nicht so richtig für ernst genommen. Das hat bei mir auch ein bissel gedauert. Das war nicht gleich. Das war auch so fern. Das lag so weit weg, dass das passieren könnte.

Am nächsten Morgen war es natürlich dann klar, als ich dann durch die Straßen lief. Dann habe ich auch gleich meine alle versäumten Westreisen nachgeholt.

Dann war natürlich eine wichtige Arbeit für mich im Frühjahr dann: Wir haben 42 Wahllokale gehabt und ich hatte faktisch die Aufgabe, die 42 Wahllokale mit je 7 Leuten zu besetzen und die ganzen Wahlhelfer zu suchen. Das war noch eine relativ leichte Übung, aber es war eben doch eine große Aufgabe. Die mussten geschult werden. Da musste man eine Unterrichtung machen. Das waren ja Leute, die das noch nie gemacht hatten. Und wir haben in der Polizeischule, im großen Schulungssaal der Polizeischule in Wolfen so eine Schulung gemacht für die Wahlhelfer. Das, kann ich schon sagen, hat richtig Zeit gekostet.

Und dann hatten wir noch Partner, Freunde im Westen drüben, in Verl in Westfalen, die haben uns einen ganzen Lkw voll Bürozeug gebracht, also Schreibtische, Stühle und einen Telefonanrufbeantworter, obwohl keiner ein Telefon hatte. Da habe ich heute noch welche davon. Da haben wir dann ein richtiges Lager bei uns im Pfarrhaus gehabt, einen ganzen Lkw voll. Und wir haben dann an alle neuen Gruppen und Parteien, die entstanden im Kreis Bitterfeld, Schreibtisch, Bürostuhl oder Schreibmaschine oder Telefonanrufbeantworter auf jeden Fall, auch wenn sie kein Telefon hatten, (gegeben), um die Gruppen darin zu bestärken, dass sie nun ihrs machen.

Das nächste war dann der ganze Wahlkampf. Da hatte ich eine riesengroße Tischplatte bei uns an den Zaun gehängt in Wolfen und drüber geschrieben: "Hier dürfen alle Parteien ihre Plakate ankleben." Und ich bin ja rumgefahren mit meinem Fahrrad durch ganz Wolfen, immer rauf und runter, hab alle besucht und geguckt, wie es so beim Auszählen funktioniert und so was. Faktisch am Ende waren natürlich fast überall Leute aus der Kirchgemeinde, die dastanden und auszählten.
Das ist eine tolle Sache, dass es freie Wahlen gibt. Wenn man sich mal vorstellt, was das auch für ein Segen ist, wenn man sagen kann, egal, wie die Wahl ausgeht, aber die Zahlen stimmen doch wenigstens, das ist doch ein großer Segen. Das kann man überhaupt nicht als selbstverständlich ansehen.