Meilenstein der NS-Aufarbeitung

Von Jürgen König |
Vor 50 Jahren wurde dem Holocaust-Organisator Adolf Eichmann in Jerusalem der Prozess gemacht. Was bei dem Verfahren geschah, zeigt nun eine Ausstellung der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin.
Was die Geheimdienste über den Aufenthaltsort Eichmanns wussten, wie Adolf Eichmann nach Israel kam, welche Rolle der BND dabei spielte, deutsche Politiker vor belastenden Prozessaussagen Adolf Eichmanns zu schützen: zum Beispiel den Ministerialdirektor im Bundeskanzleramt, Hans Globke, zu NS-Zeiten als Ministerialrat im Reichsinnenministerium an der Herausgabe des Kommentars zu den Nürnberger Rassengesetzen beteiligt - auf all diese Fragen, die immer wieder gestellt werden - geht die Ausstellung nicht ein, erklärt Kuratorin Lisa Hauff.

"Wir haben vor mehreren Monaten eine Anfrage gestellt an den BND, die ist innerhalb von kürzester Zeit abschlägig beschieden worden, ich kann Ihnen die ganz genaue Begründung nicht sagen, aber es war in etwa so, dass Persönlichkeitsrechte von noch lebenden Personen beeinträchtigt werden würden durch die Akteneinsicht; wir haben das dann auf sich beruhen lassen, weil – um das noch mal ganz ausdrücklich zu betonen: nicht diese 50er-Jahre und der Aufenthaltsort Eichmanns war unser Thema, sondern tatsächlich das Prozessgeschehen selbst."

Aber – zur Ausstellung gehört ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Vorträgen und Filmen, Zeitzeugengesprächen, Diskussionen und Konferenzen – dort sollen diese Themen referiert und diskutiert werden. Norbert Kampe, Direktor der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz, erklärt sich die generell restriktive Haltung des BND zur Freigabe solcher Akten so:

"Der BND beansprucht den Schutz von anderen Geheimdiensten, mit denen Kontakt war. Und das sei der Grund für die Sperrung. Das ist aber meiner Meinung nach unsinnig, weil von anderen Geheimdiensten Dinge bereits veröffentlicht worden sind; also ich halte das einfach nur für einen absurden, späten Versuch, nochmal zu camouflieren, in welcher Weise die frühe Bundesrepublik in führenden Positionen Nazis untergebracht hat, die hochbelastet waren."

"Der Prozess – Adolf Eichmann vor Gericht": Das Grundproblem einer solchen Ausstellung beschreibt Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas:

"Es ist eine Ausstellung über einen Täter, und wir sind eine Bundesstiftung, die dem Gedenken an die Opfer verpflichtet ist – wie passt das zusammen? Und deshalb ist es eigentlich keine Ausstellung über Adolf Eichmann, sondern es ist eine Ausstellung über das Verfahren selbst. Und das war auch die Herausforderung, der wir uns zu stellen hatten: wie vermittelt man einem Ausstellungspublikum 50 Jahre nach dem Ereignis einen Prozess, der letztendlich zu einer Ikone der NS-Aufarbeitung geworden ist?"

Diese Vermittlung gelingt durch konsequente Gegenüberstellung der Prozessaussagen Eichmanns und denen der Zeugen.

"In Jerusalem vor 50 Jahren begann die Ära der Zeitzeugen, seitdem nimmt man ihre Stimmen ernster, und das hat trotzdem noch mehrere Jahrzehnte gedauert, bis es groß angelegte Videointerview-Projekte mit Opfern gab."

Der gesamte Prozess wurde für das Fernsehen aufgezeichnet, die Mitschnitte stehen im Zentrum der Ausstellung. Bekundet Eichmann, nur Befehlsempfänger, nur ein Rädchen im Getriebe gewesen zu sein, und im übrigen habe er den Juden doch helfen wollen, habe doch Massenauswanderungen organisiert – so lässt sich gleich am nächsten Monitor aus Zeugenmund erfahren, wie Eichmann Hetzreden hielt, wie er als Herrenmensch auftrat, unverschämt und grob, ein Mann, der den Juden, die vor seinem Schreibtisch standen, mit kühler Miene ankündigte, sie würden ja auch "durch den Schornstein gehen".

Ein Mitschnitt zeigt den Schriftsteller Yehiel Denur, vor Gericht beschreibt er die Schrecken von Auschwitz, und während er redet, treten diese Schrecken ihm so lebendig ins Bewusstsein, dass er vor laufenden Kameras ohnmächtig zusammenbricht. Das sind Momente der Erschütterung für den Besucher, die ein wenig vom Ausmaß des damals verhandelten Schreckens erahnen lassen. Auch das große Medienecho wird dokumentiert, wurde das Thema der Judenverfolgung doch dadurch überhaupt erst zu einem weltweit diskutierten Thema.

Keine Ausstellung für eilige Besucher, man braucht Zeit, sich auf die Bilder, Texte, Filme einzulassen, man erfährt viel und ist zuletzt doch für Augenblicke sprachlos. Vor diesem Menschen Eichmann, den man viertelstundenlang gesehen, dem man zugehört hat, mit dessen Stimme noch im Ohr man die Ausstellung verlässt - und auch das Bild des Yehiel Denur: wie er ohnmächtig im Gerichtssaal zusammenbricht, geht einem nicht so bald aus dem Kopf.

Link bei dradio.de:
Begegnung mit einem Mörder
Die Lange Nacht über den Eichmann-Prozess


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