Mehrsprachigkeit in Italien

Vorbild für ein bunteres Europa

Von Friederike Haupt · 06.01.2014
Im Dezember gab RAI offiziell bekannt, die Minderheitenprogramme für Ladinien und für die deutsche Sprachgruppe aufzustocken, mit jährlich 20 Millionen Euro für Kultur, Sport, Nachrichten, Feuilleton und Reportage, in Deutsch und Ladinisch. Das ist die dritte Landessprache. Jeder soll sein eigenes Programm besser hören und sehen können.
Ist das das bunte Europa, von dem wir alle träumen - oder ist es eine Nischenkultur für Minderheiten? Nur etwa 35.000 Südtiroler sind Ladiner. Der Sprachwechsel im bisher mehrheitlich italienischen Programm war ein Abschaltimpuls für die jeweils anderen. Mehr Sendezeit für die Minderheiten heißt mehr Chancengleichheit: Keiner soll zu kurz kommen, alle sollen ihr Recht auf ihre Sprache und Kultur haben.
Die heikle Situation Südtirols aber ist in allen Bemühungen immer noch spürbar, die Befriedung hat viel politischen guten Willen gekostet. Das Eis ist noch dünn. Denn Sprache wurde hier früher als Mittel struktureller Gewalt eingesetzt. Die einheimischen Südtiroler sollten italianisiert werden, nachdem Tausende Italiener aus anderen Teilen des Landes unter Mussolini zwangsangesiedelt worden waren. Deutsch zu sprechen war verboten.
Verletzungen, die man auch nach Jahrzehnten noch spürt. Weit entfernt von Multikulti-Wohlgefühl übt man sich daher zunächst im gegenseitigen Respekt.
"Unsere Aufgabe ist für die Deutschen und für die Ladiner zu senden … Das ist unsere Aufgabe öffentlich-rechtlich."
Mehrsprachigkeit dennoch ein Muss
Markus Perwanger ist Intendant der RAI Südtirol. Vor Kurzem überzeugte die deutsche Fernseh-Redaktion bereits mit Dokumentationen zum Thema "Mussolini-Hitler“. Eine kritische Sicht aufs eigene Land und seine Geschichte, ein wichtiger Beitrag für die südtiroler Welt- und Selbstwahrnehmung. Nur: Diese Sendungen wurden von Deutschen Fernsehsendern in Auftrag gegeben - und eingekauft. Wird die neue RAI Südtirol sich nun selbstständig der Geschichte stellen können?
"Das tun wir bereits. Wenn Sie bedenken, dass die Produktion eines Tatorts die Hälfte unseres Jahresbudgets ist, dann wissen Sie, dass wir große Produktionen nicht machen können, … aber kleine für die Bevölkerung. Wir sind eine Minderheit und eine Minderheit hat laut italienischer Verfassung natürlich das Recht, auch berücksichtigt zu werden. Und Massenmedien gehören zum Wesentlichen dazu. Wenn eine Minderheit keine Medien in der Hand hat, die eigenen Menschen zu informieren, unabhängig, ausgewogen, parteiübergreifend, dann würde es für eine Minderheit in kürzester Zeit sehr schlecht ausschauen."
Vorbildcharakter für ein bunteres Europa soll das neue dreisprachige Radio- und Fernsehprogramm natürlich haben, sagen die Verantwortlichen. Wie schwierig der Spagat wirklich ist, das ahnt man, wenn man die Macher selbst befragt. In der technischen Abteilung der RAI etwa, hier müssen alle mehrsprachig sein, denn die Techniker arbeiten ja für drei Sprachgruppen. Im Alltag ist Mehrsprachigkeit ein Muss, wenn ein Miteinander gelingen soll.
Integration, gelungenes Miteinander und dennoch den Schutz der einzelnen Sprachgruppen zu verbinden, gleicht der Quadratur des Kreises. Hier in Südtirol jedenfalls wird immer wieder daran gearbeitet.
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