Mehr Kompetenzen der EU in der Finanzkrise gefordert

Kurt Lauck im Gespräch mit Leonie March |
Der Europa-Abgeordnete Kurt Lauck hat angesichts der Finanzkrise eine Schieflage in Europa beklagt. Das Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments sagte, es gebe zwar die Regulierungskompetenz und die Währungskompetenz auf der europäischen Ebene, aber die Notmaßnahmen würden derzeit nur auf nationaler Ebene unternommen. Er forderte als ersten Schritt eine europäische Bankenaufsicht.
Leonie March: Wenn die Erde bebt, zählt keiner mehr die wackelnden Häuser. Die Erschütterungen durch die Finanzkrise haben inzwischen ein Ausmaß erreicht, bei dem nur noch Milliarden-Beträge und Insolvenzen großer Banken für Schlagzeilen sorgen. Der beinahe Kollaps von Hypo Real Estate in Deutschland, BRADFORD + BINGLEY in England und Fortis in Belgien, die nur durch staatliche Hilfen gerettet werden konnten, das sind nur die Beispiele der vergangenen Tage. Klar ist: Es muss sich etwas am System ändern, auch in Europa. Die EU-Kommission wird heute ihre Pläne vorlegen.
Über die Reaktionen der EU auf die Finanzkrise spreche ich jetzt mit Kurt Lauk. Der CDU-Politiker ist Mitglied im Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments. Guten Morgen, Herr Lauk.

Kurt Lauk: Guten Morgen, Frau March.

March: Der zuständige EU-Kommissar McCreevy fordert die Diskussion über ein europäisches Rettungsprogramm. Ist auch Ihrer Meinung nach höchste Zeit dafür?

Lauk: Ja, wir haben höchste Zeit. McCreevy hat eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht als Konsequenz für diese Bankenkrise. Eine europäische Bankenaufsicht gehört mindestens im Euro-Raum im ersten Schritt mit Sicherheit dazu.

March: Teilen Sie denn die Kritik, dass die Finanzminister bislang vor allem die nationalen Interessen im Blick hatten und damit nötige Beschlüsse verzögern?

Lauk: Ja, mit Sicherheit. Wir haben im Moment allerdings auch eine ganz gewisse Schieflage in Europa. Wir haben die Regulierungskompetenz auf europäischer Ebene. Wir haben die Währungskompetenz im Euro-Raum auf europäischer Ebene. Und wir haben die Notmaßnahmen auf nationaler Ebene, weil die Europäische Union für Notmaßnahmen in Deutschland, in Italien oder in England nicht zuständig ist. Insofern gibt es hier eine Diskrepanz. Über die muss dringend gesprochen werden. Hier müssen wir Änderungen schaffen.

March: Sie selbst, Herr Lauk, haben die Gründung einer europäischen Finanzaufsicht vorgeschlagen. Welche Kompetenzen sollte diese Behörde denn haben?

Lauk: Zunächst einmal die Kompetenz, die beispielsweise die BaFin hat beziehungsweise BaFin plus unsere Zentralbank, unsere Bundesbank, und das muss vergleichbar übertragen werden auf alle anderen europäischen Länder. Das heißt, sie müssen ihre nationalen Bankenaufsichten einbringen und der EZB in einer gemeinsamen Organisation, ich sage mal, berichtspflichtig machen.

March: Ein Sofortprogramm nach dem Vorbild des US-Rettungspakets wird ja innerhalb der EU abgelehnt. Warum denn?

Lauk: Zunächst einmal, weil die EU die Kompetenz nicht hat, diese Milliarden-Beträge auszugeben. Die Ausgabe von Milliarden-Beträgen liegt nach wie vor in nationaler Kompetenz, obwohl die Währungspolitik auf europäischer Ebene gemacht wird. Die Bankenaufsicht sollte auch auf europäischer Ebene gemacht werden. Das heißt, wir müssen hier die Kompetenzen in der EU erst schaffen, um sie dann wirkungsvoll anwenden zu können.

March: Heute wird EU-Binnenmarktkommissar McCreevy ja seine Pläne zur Reform der Eigenkapitalregeln für die Banken vorstellen. Das haben wir eben gehört. Ist das ein wichtiger erster Baustein?

Lauk: Mit Sicherheit. McCreevy ist jetzt aktiv geworden. Er wurde ja immer kritisiert, dass er im letzten Jahr etwas zu langsam reagiert hat. Er hat aber jetzt erkannt, dass es seine Stunde ist, und er ist bereit, sowohl was den Einbehalt angeht, was die Rating-Agenturen angeht, was den Handel von Derivativen angeht, auf europäischer Ebene neue Maßstäbe zu setzen. Ich bin da mit ihm im Gespräch und unterstütze ihn in seinen Vorstellungen bislang sehr.

March: Was würde sich denn ändern durch diese Reform der Eigenkapitalregeln?

Lauk: Das gesamte Kreditvolumen. Wir haben ja im Grunde eine Kreditvergabe-Krise, weil das Geld zu lange zu billig war. Das heißt, wenn der Einbehalt da wäre, dann müsste das, was in den Banken einbehalten worden ist, mit Eigenkapital unterlegt werden. Das wiederum würde das Volumen des Kredites in der Summe im Markt vermindern. Das wäre ein erster Schritt zur Bereinigung der Krise.

March: Und auch eine Idee, auf die man durchaus hätte früher kommen können?

Lauk: Durchaus! Das war der Fall. Allerdings hat hier - das muss man jetzt sagen - die Security Exchange Commission in Amerika schlicht nicht aufgepasst, weil diese Produkte vorwiegend in Amerika erfunden worden sind und in den Markt gedrückt worden sind. Der, der sie verkauft hat und Teile schlechter Produkte darin hatte, wie wir jetzt feststellen, hat sich die Hände gerieben und hat gesagt, der sie gekauft hat, ist der Dumme. Das geht so nicht im Markt.

March: Kommen wir zum Thema schärfere Kontrolle. Kommissar McCreevy hält es ja im Gegensatz zur Mehrheit im EU-Parlament nicht für notwendig, dass auch Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften genauer beaufsichtigt werden. Wäre das denn nötig?

Lauk: Wir müssen da vorsichtig sein. Zunächst einmal liegen die Verursacher der Krise weder bei den Hedgefonds noch bei den Private Equity. Die werden in der Folge der Krise betroffen sein. Was wir im Parlament beschlossen haben ist, dass alle Finanzinstitutionen, also auch die Hedgefonds mit Eigenkapital unterlegt sein müssen, was zum Teil heute nicht der Fall ist. Insofern sind sie ohnehin schon betroffen. Aber wir dürfen hier nicht Dinge zu Schuldigen erklären, die mit Sicherheit an dieser Krise nicht schuldig sind, aber wahrscheinlich auch in Mitleidenschaft gezogen werden.

March: Diese Maßnahme ist also wünschenswert, aber jetzt nicht unbedingt dringend geboten?

Lauk: Das ist nicht die erste Priorität.

March: Unstrittig ist ja innerhalb der EU, dass die Rating-Agenturen künftig schärfer kontrolliert werden müssen. Wer sollte denn diese Aufgabe übernehmen?

Lauk: Wir müssen überlegen, was ein vernünftiges Geschäftsmodell ist. Die Rating-Agenturen und das Geschäftsmodell der Rating-Agenturen haben versagt. Wir müssen also neu überlegen, was möglich ist. Es gibt verschiedene Vorstellungen dazu. Einmal muss die Transparenz der Rating-Agenturen erhöht werden, wie sie zu einem Urteil kommen. Dann muss man überlegen, welche Interessenkonflikte sie haben, denn sie haben Interessenkonflikte, die sie nicht aufgedeckt haben. Und wir müssen dann schauen: Gibt es eine Ersatzmöglichkeit, denn jede Bank hat in ihrem Risiko-Departement eigene Einschätzungen. Es sollte möglicherweise der Gedanke nicht fern liegen, dass man sagt, der Durchschnitt dessen, was die Banken ohnehin tun, könnte ja auch in den Markt gestellt werden, ohne die Vertraulichkeit zu verletzen. Also da muss man über verschiedene Modelle nachdenken. Ein festes Modell gibt es noch nicht, aber wir müssen darüber nachdenken, dass hier - ich würde mal durchaus sagen - auch amerikanische Interessen im Vordergrund waren und nicht unbedingt die Nachhaltigkeit der Bewertung.

March: Nun agiert die Finanzwelt ja global. Ist es vor diesem Hintergrund auch dringend erforderlich, dass bald ein internationaler Krisengipfel stattfindet, an dem zum Beispiel USA und EU teilnehmen, den EU-Ratspräsident Sarkozy ja fordert?

Lauk: Wir brauchen dringend eine transatlantische Regelinstitution. Wir können es uns nicht mehr leisten, dass die SSE den europäischen Standard IAB in London bekämpft oder nicht anerkennt. Wir sind da bislang auf gutem Wege, aber es ist immer noch schwierig. Wir brauchen jetzt neue gemeinsame Regeln von Anfang an und wir müssen wahrscheinlich auch China gleich mit einbeziehen und einige andere auch noch, weil wir sonst nicht das Gesamtabbild der globalen Finanzwirtschaft haben.