Mehr Gemeinsinn, mehr Gemeinschaft

Was hält unsere Gesellschaft zusammen?

83:57 Minuten
Illustration einer Menschenmenge, die sich zum linken Bildrand hin verdichtet.
Wir sind viele, und müssen immer wieder zusammenfinden. Die gesellschaftliche Spaltung ist für niemanden gut. © Getty Images / DigitalVision Vectors / smartboy10
Moderation: Vladimir Balzer · 09.01.2021
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Die soziale Spaltung, wachsender Populismus, Rechtsruck, eine immer pluraler werdende Gesellschaft – und dann noch Corona. Die Herausforderungen für unser Zusammenleben sind enorm. Was können wir für mehr Gemeinschaft tun?
Auf der Suche nach dem "Wir" – so lautet das Thema der Deutschlandradio-Denkfabrik für 2021, ausgewählt von unseren Hörerinnen und Hörern. Sie haben sich damit für eine gesellschaftlich wichtige Frage entschieden. Nicht nur in den USA, auch hierzulande wird die gesellschaftliche Spaltung immer deutlicher: Populismus, Verschwörungstheorien und Rechtsruck belasten den politischen Diskurs. Die Schere zwischen Arm und Reich; unsere Gesellschaft wird pluraler, damit auch die Interessen – und die Auseinandersetzung darüber. Aggression und Intoleranz – im Analogen wie Digitalen. Dazu der Dauerstress durch die Coronapandemie.

Keine Aufteilung in "Wir" und "Die"

"Zusammenhalt in Vielfalt", das ist das Leitmotiv für Muhterem Aras. Die Grünen-Politikerin ist Präsidentin des Landtages von Baden-Württemberg. "Zentrale Voraussetzung ist ein gemeinsames Verständnis von Grundwerten, die uns über alle Meinungsverschiedenheiten in Alltag oder Politik hinweg verbinden", sagt sie. Allen voran die Menschenwürde: "Würde hat jeder Mensch, er muss sie sich nicht verdienen. Das hat unmittelbar mit dem alltäglichen Umgang miteinander zu tun."
Wichtig dabei: Orte zu schaffen für Begegnungen, Dorfkerne, Stadtquartiere, ein lebendiges Vereinsleben – für alle. "All das stärkt den Austausch, den Gemeinsinn, die Toleranz in ihrem ursprünglichen Sinn: den Mut aufzubringen, Unterschiede und Andersheit zu akzeptieren." Eine Aufteilung in "Wir" und "Die" schade dem Miteinander, bereite den Boden für Ausgrenzung und Rassismus.

Zunehmende soziale Ungleichheit

"In Deutschland ist der Zusammenhalt in den letzten 10 bis 15 Jahren gebröckelt, durch zunehmende soziale Ungleichheit, insbesondere von Vermögensungleichheit", sagt Professor Klaus Boehnke, Sozialwissenschaftler an der Jacobs University Bremen. Er erforscht, wie wir ticken – individuell und als Gesellschaft. In seinen Studien, unter anderem für die Bertelsmann-Stiftung, zeigt sich ein interessantes Paradox:
"2019 sagen 40 Prozent der Befragten: Der Zusammenhalt in Deutschland ist gefährdet." Doch im selben Jahr antworteten auch 80 Prozent auf die Frage, wie gut der Zusammenhalt in der eigenen Umgebung sei, mit gut oder sehr gut. Im Kleinen fühlten sich die Menschen weitaus wohler, das große Ganze dagegen werde durch die Darstellung in der Politik bestimmt, auch in den Medien, sagt Boehnke.
Umso wichtiger sei es, den Zusammenhalt zu stärken: "Es sind einerseits funktionierende soziale Beziehungen, zum Beispiel mit der Nachbarschaft. Wie weit fühle ich mich dort, wo ich lebe, zu Hause? Wie stark beteiligen sich die Leute am Gemeinwesen, an Vereinen? Aber auch, dass man Vielfalt schätzt und nicht ablehnt; dass die Institutionen anerkannt werden, also die Justiz, die Polizei, das Parlament, Parteien."

Was hält unsere Gesellschaft zusammen?
Darüber diskutiert Vladimir Balzer am Samstag, den 9.1.2021, von 9.05 Uhr bis 11 Uhr mit der Grünen-Politikerin Muhterem Aras und dem Sozialwissenschaftler Klaus Boehnke. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de. Besuchen Sie uns auch auf Facebook, Instagram und Twitter!

(sus)
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