Mehr als OM und Amen

Von Brigitte Jünger · 19.07.2008
Christentum und Buddhismus - die Begegnung zwischen diesen beiden Religionen ist alt. Seit der Antike hat es immer wieder Kontakte gegeben, die verstärkt im 19. Jahrhundert auch in Europa viele Menschen erfasst hat. Dabei handelt es sich doch auf den ersten Blick um zwei Religionen, die nicht viel miteinander zu tun haben.
Michael von Brück: "Gelernt hat der Buddhismus vom Christentum bisher sicherlich einiges, vor allem was die Sozialethik betrifft. Und sicherlich hat das Christentum gelernt vom Buddhismus einiges, vor allem was die Mystik und die Meditationserfahrung betrifft.
Religionen sind nicht abgegrenzte Container, sondern entwickeln sich im Austausch mit ihrer Umwelt."

Yoshiharu Matsuno: "Und ich glaube, es ist höchste Chance jetzt, wo wir jetzt solche globalen Möglichkeiten haben, jederzeit – mit auch Internet – sprechen und kommunizieren können, ist eine wunderbare Chance uns zu öffnen, noch mal diese Dialogfähigkeit als höchste Priorität zu setzen. Und da gewinnen wir unsere Spiritualität wieder."

Miteinander ins Gespräch zu kommen – nicht nur, um den anderen kennenzulernen und den Respekt voreinander zu befördern, sondern sogar um von ihm zu lernen. Diese Möglichkeit des interreligiösen Dialogs kann ganz verschiedene Facetten haben, wie der Religionswissenschaftler Michael von Brück und Yoshiharu Matsuno, Vorsitzender der Soka Gakkai Gemeinde in Deutschland, aus ihrer Erfahrung wissen. Yoshiharu Matsuno ist vor allem vom praktischen sozialen Engagement der Christen beeindruckt.

Yoshiharu Matsuno: "Eine klare Punkt, was wir vom Christen lernen können, dass sie schon über 2000 Jahre diese christliche Lehre immer wieder, immer wieder versucht haben in die Gesellschaft und auch in allem gesellschaftliche Ebene lebendig zu halten. In der Schule, überall in wichtigen Positionen, ohne – wenn ich so sagen darf – dogmatisch zu sein sie haben ihre christliche Ethos besonderes Nächstenliebe haben sie immer im Herzen. Und das müssen wir wirklich Buddhisten lernen."

Wenn in den vergangenen dreißig Jahren immer mehr buddhistische Klöster Krankenhäuser, Sozialstationen oder Schulen eingerichtet haben, verdankt sich dieses Engagement überwiegend dem Vorbild evangelischer oder katholischer Entwicklungsdienste in Asien. Zum anderen haben buddhistische Mönche ihre Erfahrungen aus Besuchen in Europa mit nach Hause genommen. Bruder Josef Götz, Benediktiner aus St. Ottilien, schildert seine Beobachtungen:

Josef Götz: "Wie die Mönche aus Japan hier bei uns zu Besuch waren, waren sie sehr beeindruckt zu sehen, dass wir also Schulen haben, große Bibliotheken, dass wir Traktoren benützen, Mähdrescher, moderne Technik auch in der Druckerei, im Verlagswesen benutzen und dass unser Kloster eher eine Lebensgemeinschaft ist, denn ein Trainingszentrum, wo also diese soziale Dimension von Krankenhaus bis Armenseelsorge usw. sie sehr beeindruckt hat."

Yoshiharu Matsuno: "Besonders traditionelle Buddhisten haben Tendenz eigene Erleuchtung als Thema und alles andere ist dann nebensächlich. Wenn ich glücklich bin, dann ist ja egal, was um die Umgebung geschieht. Diese Distanz zu der Umgebung ist oft tendenziell vorhanden, weil ich bin ja glücklich so, wie ich bin und unter allen Umständen. Das heißt, die Umständen bleiben so wie es ist und das ist eigentlich oft miserabel."

Der interreligiöse Dialog kann da wichtige Anstöße geben! Er bietet zum Beispiel die Möglichkeit praktischer Zusammenarbeit. Kulturelle Unterschiede fallen dabei viel weniger ins Gewicht als man gemeinhin vermuten könnte. Diese Erfahrung hat jedenfalls der Benediktiner Josef Götz gemacht. Er ist im interreligiösen Dialog engagiert, seitdem Ende der 70er Jahre japanische Mönche sein Kloster am Ammersee zum ersten Mal für längere Zeit besucht haben.

Josef Götz: "Ich war seinerzeit ganz neu hier im Haus und war fasziniert zu sehen, wie Mönche aus einer völlig fremden Kultur und Religion sich hier sehr schnell Zuhause finden konnten, ein gemeinsames Vokabular entdecken konnten.
Einer hat bei unserm Bruder Armin, einem Maurer, der 80 Jahre ist, mitgearbeitet. Und der Bruder Armin hat mit seinen 80 Jahren ihm sicher nicht erklärt, was Christentum ist. Er konnte weder Japanisch noch war das bei den Maurern Ziel der Tätigkeit. Aber der buddhistische Mönch hat gesagt, so, wie er den Bruder Armin bei der Arbeit beobachtet hat, wie er früh Zement gerührt hat und dann ins Chorgebet gegangen ist, die Kommunion empfangen hat, an den Ritualen teilgenommen hat, ist ihm klar geworden, was Christentum ist. Etwas, was ihm in Japan aus der Lektüre über das Christentum so nicht klar werden konnte!"

Ani Drönma: "Also, ich denke, wir lesen viel übereinander, aber nur im Zusammensein und im zusammen Tun können wir den Inhalt spüren, den gelebten Glauben spüren. Und in so ner Zusammenarbeit, sehe ich ja, wie setzt der andere das, was er betet, spricht, liest, eigentlich um."

Den anderen in seinem Tun zu erleben und zu begleiten, ist eine, praktische Möglichkeit des Dialogs. Zum Austausch gehört neben der praktischen Arbeit aber auch das gemeinsame Gebet.

Josef Götz: "Die festen Gebetszeiten, die die Gemeinschaft in der Kirche zusammen ruft und die Art wie man das tut, hat natürlich viele Ähnlichkeiten mit den festen Zeiten zu Zen- oder Sutrenrezitation im Zenkloster. Das Schweigen, das Ritual, die Liturgie, all das waren doch auch gemeinsame Erfahrungen."

Gemeinsames Gebet ist aber auch außerhalb eines monastischen Rahmens möglich. Prof. Dr. Sung-Hee Lee-Linke, Studienleiterin der Evangelischen Akademie im Rheinland hat ein interreligiöses Weltfriedensgebet in der evangelischen Immanuel-Kirche in Bonn organisiert. Mit dabei waren die buddhistischen Mönche des Myokenkaku-ji Tempels aus Osaka.

Die zehn buddhistischen Mönche in ihren prächtigen seidenen Gewändern, sitzen im Halbkreis um einen geschmückten Schrein. Sie rezitieren Verse aus dem Lotos Sutra, dem Erleuchtungsbuch des Mahayana Buddhismus. Dabei erheben sie sich, schlagen Trommeln und Gongs und verbeugen sich vor ihrem Altar.

Hung-See Lee-Linke: "Wir haben dort gesehen, wie das Gebet mit dem ganzen Körper, mit einem besonderen Ritual gemacht wird. Wir haben bei dieser Veranstaltung mit unseren Augen gesehen und auch mit unserer Haut das gespürt, wie das innig ist und wie die Vorbereitung für das Gebet sehr aufwendig ist und umso kostbarer war so ein Gebet."

Ani Drönma: "Also, ich denke, es ist nix wirklich fremd, was man da sieht, es ist halt nur ein bisschen exotisch gewandet und hat halt doch ein Stück weit doch einen ganz anderen Inhalt. Aber ganz fremd ist es niemandem, der dabei ist und schon mal in ner katholischen oder evangelischen Kirche war."

Doch was lässt sich auf solch wortlose Weise tatsächlich voneinander verstehen? Laufen wir nicht Gefahr das Fremde aufgrund äußerlicher Ähnlichkeiten misszuverstehen? Was verbirgt sich zum Beispiel hinter dem Altar der Buddhisten?

Yoshiharu Matsuno: "Wir haben im Altar Schriftrolle. Das ist Mandala, diese Mandala ist ein 'Denkzettel', wenn ich so sagen darf, dass der Buddha uns sagen möchte: Du bist Buddha, Du bist die wichtige Person. Du musst dich achten. Wenn wir diesen Denkzettel immer wieder, immer wieder beim Anbeten schauen, ermutigen wir uns, eigene Selbstachtung zu realisieren. Und ich sehe bei den Christen, wenn sie Gott anbeten, obwohl Gott nicht sichtbar ist, aber in dieser Atmosphäre, dass sie mit Gott Gespräch führen möchten, dass sie Gott erleben möchten, obwohl Gott nicht bei ihnen, in ihnen ist, aber neben, vor ihnen. Da seh ich eigentlich die Gleiche, nämlich an etwas zu glauben, was nicht sichtbar ist."

Mithin stehen uns also nur die Begriffe im Weg! Aber lassen sich der Gott der Christen und die Buddhanatur wirklich einfach gleichsetzen?

Yoshiharu Matsuno: "Man könnte sagen, diese Buddhanatur ist das Göttliche in uns. Und das hat ohne Anfang und ohne Ende, also das Ewige in uns. Und dieses Ewige, Buddhanatur, ist bei allen Lebewesen vorhanden, das heißt vom Christen aus gesehen könnte man sagen, wirklich das Göttliche für alle Lebewesen."

Josef Götz: "Ich kann das nicht einfach gleich setzen. Mir ist völlig bewusst, dass Buddhismus eine Religion ist, nicht nur eine Philosophie, dass da eine sakrale Dimension mitschwingt im Schweigen des Zen. Aber der personale Gott, wie wir ihn im Gebet kennenlernen als Ich – Du Beziehung – zumindest nicht in der Form natürlich existiert in der Zenmeditation."

Der unhintergehbare, strenge und doch in aller erster Linie gnädige, verzeihende Gott der Christen ist das Du, dem sich der Mensch vertrauensvoll zuwenden kann und von dem er umgekehrt unverbrüchliche Zuwendung erfährt.

Hung-See Lee-Linke: "Wenn ich hadere mit Gott, dann brauch ich einen Gott, der wie eine Person unsichtbar vor mir, neben mir, hinter mir steht oder sitzt als mein Gegenüber, wie bei Hiob und ich kann nicht in die Leere oder ins Universum hinein beten."

Yoshiharu Matsuno: "Es ist nicht so fremd auch bei uns. Da spricht im Buddhismus Meister und Schüler. Und das ist notwendig, ich glaube, nicht nur bei Buddhismus, bei allen Lernprozessen ist diese Meister und Schüler notwendig Aber, wie gesagt, Meister ist im Buddhismus niemals Gott, sondern gleiche Augenhöhe. Sie sind gleich, aber doch eine Mannschaft."

"Jesus wandte sich um, und als er sah, dass die Jünger ihm folgten, fragte er sie: Was wollt ihr? – Sie sagten zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt Meister – wo wohnst du? – Er antwortete: Kommt und seht! (Joh 1, 38)"

Auch Jesus wird in den Evangelien immer wieder als Meister angesprochen. Er ist ebenso Mittler, wie die Gleichnisse, die er benutzt. Denn dass Gott, der Vater – bei aller vertrauten Ansprache - kein begreifbares Wesen ist, sondern etwas Unfassbares, das dieser Vermittlung bedarf, wissen auch die Christen.

"Weder habt ihr jemals des Vaters Stimme gehört, noch sein Aussehen wahrgenommen. (Joh. 5,37) Niemand hat Gott jemals gesehen. (Joh. 1,18)"

Das Numinose als Person zu fassen, macht es leichter dazu in Beziehung zu treten. Aber die Gleichnisse, die Bilder und symbolische Begriffe haben auch ihre Tücken. Der Mensch läuft damit Gefahr, sich immer nur wieder selbst in den Mittelpunkt seines Denkens zu stellen und über den Dualismus Mensch versus Gott nicht hinauszukommen.

Josef Götz: "Bei einem Gespräch mit einem Zen-Mönch hat mir dieser gesagt, das Problem ist, dass ihr nicht bereit seid, Christus zu töten. Ihr müsst Christus töten, eure ganze Tradition hinter euch lassen."

Christus töten? – Eine unerhörte Forderung! Wollen wir doch als Christen gerade zu Christus gelangen.

Josef Götz: "Ich, Christus töten? Meine Tradition hinter mir lassen? Nein! Und im richtigen Verständnis, im Gespräch kam dann heraus, dass natürlich wir, um die Erleuchtung im buddhistischen Sinn zu erlangen auch die Symbole hinter uns lassen müssen. Auch die Tradition und die Symbole sind gewissermaßen Krücken, um einen eigenen Weg zur Erleuchtung, zur Befreiung zu gelangen. Und nach buddhistischem Verständnis wollen das auch die Christen, zu Christus gelangen, zu dieser vollkommenen Liebe."

Ani Drönma: "Fakt ist, dass es ein Koan gibt, einen Satz im Japanischen Buddhismus: Triffst du Buddha auf dem Weg, schlag ihn tot! Das klingt natürlich furchtbar und auch furchtbar gewaltsam, ist aber anders gedacht. Es geht darum die Konzepte loszulassen, alle Konzepte loszulassen. Wir müssen schauen, was unsere eigene innere Weisheit, unsere eigene innere Schau uns sagt. Und die Kunst dabei ist eben nicht in Größenwahn, Fehlwege abzugleiten, wo wir dann beim Ich wären, was sich dann aufbläht wie nichts Gutes, sondern wirklich auf dem Weg zu bleiben."

Der Selbstüberschätzung und Abhängigkeit des Ichs versucht der Buddhismus gerade entgegenzuwirken, deshalb verzichtet er auf einen Gottesbegriff.

Michael von Brück: "Der Buddhismus sagt, es ist gar nicht nötig einen solchen Begriff zu haben, sondern es genügt, wenn der Mensch erkennt, dass sein eigenes Ich, seine eigenen ich-haften Projektionen ihn dazu verführen, immer nur sich selbst zu sehen. Und diese Verführung der ich-haften, der egozentrischen Strukturen zu überwinden, nennt der Buddhismus das Ausblasen des Ich und das heißt auf Sanskrit Nirwana."


Nirwana – das bei uns häufig vereinfacht als Nichts oder Leere übersetzt wird, ist so leer also gar nicht! Nicht mehr abhängig zu sein, von Wünschen, Stimmungen, Vor-urteilen oder Ansprüchen schafft eine größere Freiheit gerade auf das Göttliche hin.

Yoshiharu Matsuno: "Also, wenn man bewusst leben kann und auch diese Freiheit genießen kann, jeden Augenblick bin ich die Ursache, dann ist eigentlich der Buddha, der Erleuchtete auch Glücklichste, wenn er auch nichts hat. Weil, er hat nichts, aber er ist alles, wie Gott! Oder so wie im Bibel steht: Wie heißt der Gott? Ich bin der ich bin – Punkt! Das ist genau, was der Buddha sagen will. Bin! Ich bin der ich bin – Ende – ohne Definition. Ich bin glücklich, ich bin traurig, ich bin einsam, ich bin arm, ich bin krank – Nein, ohne Definition, sondern einfach zu sagen: Ich bin, der ich bin – Punkt! Diesen Punkt zu setzen ist schwer."

Michael von Brück. "Das sind Erfahrungen, die wir ein bisschen ähnlich und ansatzweise in den Erfahrungen der Liebe kennen, in Erfahrungen der Extase, auch der künstlerischen Extase, auch der Extase angesichts eines Naturerlebnisses, manchmal auch der völligen Erschöpfung und des Glücksgefühls, was wir dann im Sport etwa haben."

.Hung-See Lee-Linke: "Wenn ich im Wald oder der Natur bin, dann spüre ich die Liebe Gottes oder den Atem Gottes."

Ani Drönma: "Ich find das in Stille, in Ruhe. Das kann in der Natur sein, das kann aber auch in meinem Zimmer sein. Und das ist auch, wenn ich irgendwo an der Kasse stehe, es ist einfach dort, wo ich es auch suche. Es geht immer darum, den Blick auf andere und auf deren Wohlergehen zu erweitern. Für die tatsächlich Gutes zu tun."

Diese Verbundenheit mit allen Wesen und Erscheinungen auf der Welt schafft nicht nur eine größere Einheit, sondern auch mehr Verantwortung. Professor Ulrich Dehn, Religionswissenschaftler an der Universität Hamburg, sieht da den Buddhismus durchaus im Vorteil.

Ulrich Dehn: "Es gibt im Buddhismus die Bewusstheit dessen, dass alle anderen Lebewesen immer schon in einem Beziehungsnetz zu mir stehen. und das heißt, dass da auch ökologisch ganz anders gedacht wird, dass jede Verletzung der ökologischen Systems irgendwo uns direkt betrifft. Das ist eine Lehre, die uns eigentlich fehlt. Im Buddhismus ist dieses ökologische Denken Bestandteil der Lehre und das ist bei uns leider anders. Bei uns klingt immer erst mal im Ohr Macht euch die Erde untertan. Das ist was anderes als ökologisch handeln. Ich denke, da kann man sehr viel von dieser ursprünglichen ökologischen Verbundenheit lernen."

Nach christlichem Verständnis hat Gott dem Menschen eine herausragende Position im Gefüge der Natur gegeben. Dadurch trägt er einerseits besondere Verantwortung, der er andererseits jedoch eigenverantwortlich nie ganz gerecht wird. Denn die Gesetze und Vorschriften des Handelns erwirbt er nicht aus eigenem Vermögen. Sie werden ihm von Gott in den zehn Geboten erst gegeben. Die Gnade, die Gott für ihn bereit hält, ist jedoch noch viel grundsätzlicherer Art.

Ulrich Dehn: "Der Mensch neigt dazu sich in Gottes Ferne aufhalten zu wollen und nicht erkennen zu wollen, welcher Weg der richtige für ihn ist. Und deshalb bedarf es zunächst einmal einer Erkenntnis dessen, dass er sich eben in Gottes Ferne befindet und der ihn rechtfertigen Heranholung durch Gott bedarf."

Michael von Brück: "Der Buddhismus ist da anders, weil er im Menschen das positive Potential betont, also die Fähigkeit zur Buddhaschaft, zum Erwachen, sagen wir einfach, ein guter und vollkommener Mensch zu werden und den Menschen dazu anleitet, sich dazu auf den Weg zu machen."

Auch der Buddhist macht natürlich Fehler!

Yoshiharu Matsuno: "Fehler, das gibt es, aber sogenannte Sünde gibt es nicht. Da gibt es nur Ursache und Wirkung, Ursache und Wirkung, die man selber Bilanz zieht und auch Kassenbon hat – ohne Rabatt! Wir sind verantwortlich für eigene Tat hundertprozentig! Nicht haben wir irgendwelchen Ausweg, Gott´s hat gewollt oder Gottes Wille."

Aber ist das nicht eine unglaubliche Bürde, immer für alles selbst verantwortlich zu sein und nicht auf das Entgegenkommen Gottes vertrauen zu können?

Ani Drönma: "Es ist immer alles das, was ich draus mache. Ich kann die Bürde betonen, und dann wird sie mich aller Wahrscheinlichkeit nach platt walzen über kürzer oder länger. Oder ich kann sagen, es ist eine riesige Chance, ich bin frei. Da ist niemand, der mir sagt, das ist richtig oder das ist falsch, sondern ich wähle ganz frei, aber auch ganz bewusst, welchen Weg ich gehe, abhängig von der Situation, die mir entgegen kommt und die ich annehme – idealerweise. Ich versuche das Beste in dem Sinne, wie es dem Buddhismus entspricht, draus zu machen."

Im Hinblick auf die Ethik besitzt der Mensch im Buddhismus eine moralische Autonomie, die sich aus der Einheit mit dem Göttlichen natürlicherweise ergibt. Der Maßstab dafür ist diese Einheit selbst und die Einsicht des Menschen in sie, also die Erleuchtung.


Auf diesem Weg der Erleuchtung spielt die Meditation eine große Rolle.

Yoshiharu Matsuno: "Morgens und abends rezitieren wir zwei Kapitel vom Lotos Sutra, und diese zwei Kapitel lehren uns, dass das Leben ohne Anfang und ohne Ende ist und dass alle Lebewesen die Buddhanatur besitzen. Und danach diese Wiederholung vom Mantra. Nam-Myoho-Renge-Kyo und Nam-Myoho-Renge-Kyo bedeutet auf Deutsch: Ich widme mich meinem Leben gänzlich. In dieser Wiederholung, ist eine stupide Wiederholung, aber gibt es mit der Zeit eine Vertiefung. Und zwar durch das Hören, diese Schwingung, man hört ja die eigene Stimme, immer wieder, immer wieder das Gleiche entsteht in uns ohne irgendwelche konkrete Anlass kommt so eine tiefe Freude am Leben. Also im Seinsmodus glücklich zu sein, und zwar von innen her, das ist eigentlich der Sinn und Zweck dieser Meditation. Und wenn man diesen Zustand, diese Freude von Innen her erlebt, das ist schließlich nicht mehr abhängig von Ich-haftigkeit."

Der christliche Theologe und Mystiker des 13. Jahrhunderts Eckhart von Hochheim, genannt Meister Eckhart, hat diesen Weg der Ich-Überwindung und Einheit mit Gott sehr gut verstanden.

"Wo kein Geschöpf mehr ist, da beginnt Gott zu sein. Gott will also nicht mehr von dir, als dass du dich selbst deiner geschöpflichen Seinsweise nach verlässt und Gott Gott in dir sein lässt. Das kleinste geschöpfliche Bild hindert dich an einem ganzen Gotte. Wo dieses Bild ausgeht, da geht Gott ein. Also, lieber Mensch, was schadet es dir, wenn du Gott gönnst, in dir Gott zu sein? Geh völlig aus dir heraus um Gottes willen, so geht Gott völlig aus sich selbst heraus um deinetwillen. Wenn diese beiden herausgehen, dann ist das, was bleibt ein einfaltiges Eines."

Josef Götz: "Ein bekannter Philosoph der Kyoto-Schule, der hier in St. Ottilien bei einer Tagung vor ein paar Jahren war und über Meister Eckhart promoviert hatte, sagte mir: Als ich diese Texte von Meister Eckehard las, sagte ich mir, dieser Mönch aus dem Mittelalter, aus Erfurt, der muss Buddhist gewesen sein. Das kann gar nicht anders sein!"

Meister Eckhart benutzt ein Vokabular, das dem buddhistischen nicht unähnlich ist.– Für Bruder Josef war das eine Entdeckung, die ihm nicht nur den fremden Buddhismus, sondern auch einen Teil seiner eigenen christlichen Tradition näher gebracht hat.

Josef Götz: "Ich denke jetzt an die Meister Ekkehard, Johannes Tauler, Heinrich Seuse, die mittelalterlichen Mystiker - das Wiederentdecken dieser Autoren, das Wiederentdecken auch bestimmter monastischer Traditionen, die ich auch nur aus der Literatur kenne."

Im Fremden das Eigene neu erfahren – wer den interreligiösen Dialog so erfährt, der weiß am Ende nicht nur mehr über den anderen, sondern auch über sich selbst.

Michael von Brück: "Es kommt darauf an, dass wir uns nicht nur ausbilden für diesen oder jenen Job, sondern dass wir uns bilden, dass wir unser Bewusstsein bilden, unsere Gefühle, unsere Emotionen bilden. Und darauf weisen uns gerade die buddhistischen Traditionen mit ihren sehr ausgefeilten Techniken, wie zum Beispiel dem Zen hin."

Yoshiharu Matsuno: "So wie einmal Priester die Meinung geäußert haben, wir, die Menschen von heute haben unser Ego wie eine stehende Wand. Dieses Ego oder diese Wand soll flach gelegt werden. Dann ist plötzlich Brücke statt Trennwand! Und dieses Beispiel find ich sehr passend. Wir Buddhisten möchten gerne Brücke sein statt Trennwand!"

Yoshiharu Matsuno: "Aber Brücke ist nicht das Ziel, sondern Brücke benützt man. - Die Heilungskraft oder das Göttliche, egal wie die Bezeichnung bei anderen heißen, ist in uns drin. Und wir möchten Beispiel sein, das Wunderbare in uns, im Menschen, in allen anderen auch zu finden. Dann ist es eigentlich unsere Aufgabe erfüllt."