Mehr als nur Einbildung

Von Stephanie Kowalewski · 04.03.2011
Ein Placebo wirkt. Und weil es wirkt, wird es eingesetzt, und zwar nicht nur in klinischen Studien, sondern auch im therapeutischen Alltag, also bei der Behandlung von Patienten.
Ärzte, die reine Placebos verabreichen, brauchen einen Apotheker, der ihnen die Zuckertabletten herstellt und sie samt Dosierungsanweisung an den Patienten aushändigt. Das geht natürlich nur über ein Privatrezept und ist wohl die große Ausnahme. Die meisten Ärzte, die Scheinmedikamente in der Behandlung ihrer Patienten einsetzten, nutzen dafür sogenannte Pseudo-Placebos. Das sind überwiegend frei verkäufliche leichte Schmerzmittel, Vitamine oder Präparate aus der Naturheilkunde. In jedem Fall sind es Pillen, die bei der zu behandelnden Erkrankung keine erwiesene Wirkung haben oder deren Dosis viel zu gering ist, um heilend zu wirken. Viele in Studien befragte Ärzte stuften auch die inzwischen viel kritisierte Verschreibung von Antiobiotika bei Virusinfekten als Placebogabe ein.

Es gibt auch Berichte von Ärzten, die zum Beispiel bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, deren Ursache unklar blieb, eine kleine Menge Kochsalzlösung unter die Haut spritzten. Den Patienten erzählten sie, dass es sich um ein neues und äußerst wirksames Mittel aus den USA handele, das Schmerzen schnell und lang anhaltend unterdrücke. Und genau diese Wirkung stellte sich tatsächlich ein.

Ob ein Placebo tatsächlich die Beschwerden lindert, hängt von vielen Faktoren ab. Hat der Patient beispielsweise die Erfahrung gemacht, dass ihm große weiße Tabletten helfen, wird ihm wahrschienlich auch eine große weiße Placebopille gut tun, selbst wenn sie nur aus einer Zuckerlösung besteht. Auch die Erwartung, dass das vom Arzt verordnete Mittel für Linderung sorgen wird, erhöht die positive Wirkung von Placebos.

Das Audio zum Nachhören: Im Gespräch mit Prof. Dr. phil. Robert Jütte

Robert Jütte ist Medizinhistoriker, Leiter der Expertise "Placebo in der Medizin" der Robert Bosch Stiftung Stuttgart sowie Vorstandsmitglied des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer.