Mehr als nur ein Archiv

Von Ute May |
Der Düsseldorfer Galerist Konrad Fischer (1939-1996) und seine Frau Dorothee boten vielen noch unbekannten Künstlern die Gelegenheit, sich zum ersten Mal überhaupt zu präsentieren. Die Ausstellung des Museum Kurhaus in Kleve zeigt wichtige Stücke der privaten Sammlung des Ehepaars.
Die überlebensgroße marmorne Pallas Athene aus dem 17. Jahrhunder scheint ein wenig irritiert zu sein – vielleicht ist sie aber auch ein bisschen froh, dass sie wegen ihres Gewichtes ihren angestammten Platz nicht verlassen kann. In ihrem Museum gibt es eine ungewöhnliche Ausstellung.

Gleich zur Rechten der Göttin der Kunst wurde ein schmaler Raum in die Ausstellungshalle eingebaut. Unspektakulär – aber mit denselben Maßen wie Fischers erster Ausstellungsraum, erzählt Guido de Werd, Chef des Museums Kurhaus in Kleve und Kurator:

"Carl Andre hat ja die erste Ausstellung dort bestritten, der große Mann der minimal art. Als der dann diesen legendären Tordurchgang sah in der Neubrück-Straße, der grade leer war, hat er den 'Altstadt-Square’ gemacht, Platten, dann war das die erste Ausstellung."

Eine Skulptur von Thomas Schütte, der "Große Geist", sieht nun durch die Glastür hinein.

Noch heute erzählt sich das kunstinteressierte Düsseldorf von dem ungläubigen Staunen der ersten Besucher bei der Eröffnung von Fischers erster Galerie im Oktober 1967 – darunter wichtige Kritiker, die Fischers Einstand sehen wollten. Guido de Werde schmunzelt leise:

"Es gibt die Geschichte von Georg Jappe, damals Kunstkritiker der FAZ, der in die Galerie gegangen ist, auf den Platten stand und gefragt hat: ‚Conny, kannste mir sagen, wo denn deine Ausstellung ist?’ Und dann total begeistert raus gegangen ist, als er’s kapiert hat."

Eine Ausstellung der Sammlung von Dorothee und Konrad Fischer wäre nicht vollständig ohne die Gemälde und Kompositionen aus verschiedenen Materialien, die der Künstler Konrad Lueg gemacht hat. Ihm sind zwei Räume im Parterre gewidmet. Kräftig in den Farben, still die Motive. Das entspricht dem Konzept der gesamten Schau.

"Es ist eine leise Ausstellung, die lebt von den Bezügen, die geschaffen werden zwischen einmal dem spektakulären Maler Konrad Lueg, so wie Konrad Fischer sich als Künstler nannte. Konrad Lueg, der mit Sigmar Polke und Gerhard Richter den 'Kapitalistischen Realismus’ kreiert hat in einer berühmten Aktion im Möbelhaus Berges."

Als Maler wurde Fischer bekannt, als Galerist gesucht und verehrt, berichtet Guido de Werd. Seit den 1970er Jahren arbeitet er mit Dorothee und Konrad Fischer zusammen. Von Fischer sehen lernen - das war in jener Zeit ein geflügeltes Wort. Denn es fiel auf, mit welcher Stringenz und konzeptionellen Klugheit Künstler aufgebaut und radikal gefördert wurden, betont de Werd noch heute.

"Es ist nie eine Galerie gewesen, die von großer Popularität getragen wurde. Es war immer der wichtigste Ort in Düsseldorf, auch nachdem Schmela früh gestorben ist. Alfred Schmela, der als Hauptgalerist von Joseph Beuys und von Yves Klein weltberühmt geworden ist."

In kurzer Zeit kommen bekannte und unbekannte Künstlerinnen und Künstler zu Dorothee und Konrad Fischer nach Düsseldorf. Für manche ist es die erste Reise nach Europa und für manche machen die Fischers die erste Ausstellung überhaupt: Bruce Nauman, Richard Long, Hanne Darboven - Düsseldorf als Pilgerort für Künstler. Andere, die sich die Reise über den Atlantik nicht leisten konnten, sandten Arbeitsproben.

"So legere Künstler wie Gilbert und George haben einfach ein Päckchen geschickt mit Dokumenten, was sie gemacht haben, persönlichen Ideen und die Präsentation hat Konrad Fischer gereicht, um eine Ausstellung mit denen zu machen."

Nun liegt dieses Päckchen samt Inhalt aus handtellergroßen bemalten Glasplatten im Klever Museum Kurhaus als seltener Schatz in einer separaten Vitrine in einem ruhigen Raum für sich allein. Gleich nebenan der harte Kontrast: hier wurde ein Teil des "Hauses Ur" von Gregor Schneider aufgebaut.

Was bei anderen Gelegenheiten zu fantasievoller Präsentation von Kunstwerken in dem schwierigen Gebäude führte, erweist sich jetzt als Vorteil, freut sich Guido de Werd:

"Wir haben in unserem Haus ein sehr glückliches Gefüge von kleinen und großen Sälen, die sich auch im stillen Rhythmus geschossmäßig wiederholen. Und wir haben die Ausstellung so gegliedert, dass es Künstlerräume gibt. In einem großen Saal wird ein Panorama entstehen. Meistens werden Akzente gesetzt: Bruce Nauman hat eigenen Raum, Richard Long, Gilbert und George, On Kawara hat 'nen eigenen Raum. Wir haben Hanne Darbarboven, Mario Merz, Joseph Beuys. Das ist schon sehr additiv das Ganze."

Dennoch: Diese Strukturierung vermeidet bei der Präsentation der Sammlung Fischer das Gefühl von Fülle oder Unübersichtlichkeit. Und das trotz der unterschiedlichen Künstler und der Vielzahl von Formaten und Inhalten der Kunstwerke. Die Sammlung Fischer versteht sich als Dokumentation einer besonderen Haltung zur Kunst - und nicht als Archiv.


Von Carl Andre bis Gregor Schneider
Dorothee und Konrad Fischer: Archiv einer Haltung

Ausstellung im Museum Kurhaus, Kleve, 14. November 2010 - 20. März 2011

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