Mehr als nur Dellen
Zu den hausgemachten Krisen in den Ländern, Beispiel Landesbanken, machen sich nun erste Wirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise spürbar bemerkbar.
Baden-Württemberg hat heftig mit der Autokrise zu kämpfen, in Hamburg ist der Erste Bürgermeister von Beust stark unter politischen Druck geraten, in Sachsen wackeln gleich mehrere Standbeine wie Finanzen, EDV und Autoindustrie. Zwei Fragen liegen auf der Hand: Welche Auswirkungen hat das auf die Wirtschafts- und Finanzlage der jeweiligen Länder? Wie reagiert die Landesregierung?
Gut sichtbar für alle Autofahrer und die Binnenschiffer grüßt an einem Industriebau ein etwa 20 Meter langes Werbeplakat von Daimler: "Ankommen als wäre man nie weg gewesen - Die neue E-Klasse. Willkommen zuhause." Nun, die alte Erkenntnis der Betriebswirtschaft "Mache dich niemals abhängig von einem Lieferanten" wurde - Beispiel Automobilindustrie - in den vergangenen Jahren in den Wind geschlagen, weil es lief ja irgendwie ganz gut mit der totalen Abhängigkeit. Jetzt zeigt diese einseitige Fixierung ihr anderes Gesicht. Das Wirtschaftsministerium musste schnell ein Investitionshilfepaket auf die Beine stellen, zusätzlich zu den Sonderprogrammen des Bundes. Diese zusammen sollen ein Investitionsvolumen von rund 260 Millionen Euro in Baden-Württemberg angestoßen. Das Musterländle hat es bitter nötig. Wie nötig, dies erklärt uns Uschi Götz.
Bereits im vergangenen Jahr sagte der baden-württembergische CDU Ministerpräsident Günther Oettinger, die Weltwirtschaftskrise werden Baden-Württemberg härter als alle anderen Bundesländer treffen. Der Grund: Der Südwest ist stark exportorientiert. In guten Zeiten war das ein Segen, in schlechten Zeiten wird dieser Umstand zum Fluch.
Oettinger: "Wir werden Maßnahmen auf den Weg bringen, die unmittelbar beschäftigungssichernd und auftragsstärkend für die Wirtschaft in Baden- Württemberg im nächsten Jahr und in der ersten Hälfte 2010 sind."
Schnitt, draußen im Land. Von seinem Büro aus sieht Firmenchef Heinrich Baumann den Neckar. Es hat geregnet, der Wasserpegel steigt. In einer Liste der weltweit größten Automobilzulieferer liegt Eberspächer auf Platz 66. Das Unternehmen beschäftigte bis zum letzten Jahr weltweit rund 5500 Mitarbeiter. Außerhalb Europas musste das Eberspächer bereits Mitarbeiter entlassen. In Oberesslingen, am Stammsitz, versucht Heinrich Baumann seit Beginn Anfang März die Krise mit Kurzarbeit zu überstehen.
Baumann: "Wir befinden uns jetzt in einer Situation, wo wir in den ersten zwei Monaten und auch sicher schon einen ersten Blick ins Quartal 2009 wagen können, und wo wir feststellen, dass wir mit unseren Produktbereichen irgendwo zwischen 30 und 40 Prozent unter dem Vorjahr liegen."
Eine ganze Region geht in die Knie, der mittlere Neckarraum. Und damit ein ganzes Land. Einst war der mittlere Neckarraum der Motor des wirtschaftlichen Erfolgs der Baden-Württemberger. Nun wird dem Südwesten seine Exportabhängigkeit und seine Abhängigkeit vor allem vom Autobauer Daimler zum Verhängnis.
Nur ein paar Kilometer flussabwärts spürt das auch Hansjörg Russ. In Esslingen Zell steht eines von vier Autohäusern der Russ Jesinger Vertriebs GmbH und CO KG. Die meisten Kunden sind mittelständische Unternehmen, zurzeit werden nur sehr wenige Autos verkauft, vor allem keine mit dem Stern.
Russ: "Wir sind 100 Prozent abhängig von unserem Hersteller, das muss man einfach so sehen. Wir haben gut gelebt damit, aber es gibt ja auch so einen netten Spruch: Wenn der Daimler hustet, ist die Region krank."
Doch Daimler hustet nicht nur, Daimler ist schwer krank. Vor allem der mittlere Neckarraum bekommt das zu spüren. Die Recyclingfirmen haben so viele Auto zu verschrotten wie schon lange nicht, doch die Rohstoffpreise sind dramatisch gesunken. Der Stoffkreislauf ist komplett zusammengebrochen.
Und: Keine neuen Autos, keine Motoren, keine Metallschmelze, kein Geschäft. Also Kurzarbeit anmelden. 8000 Betriebe haben das im Südwesten bis einschließlich Ende Februar getan. Davon betroffen sind rund 300.000 Beschäftigte. Tendenz steigend. Südwestmetallchef Dr. Jan Stefan Roell:
Roell: "Die Lage in der Metall- und Elektroindustrie spitzt sich zu. Wir haben deutlich weniger Aufträge. 80 Prozent der Unternehmen klagen über weniger Aufträge. Wir haben viele, viele Stornierungen, der Umsatz geht runter. Und jetzt müssen unbedingt die Kosten gesenkt werden."
Weiter flussabwärts, weiter den Neckar hinunter. Die Mercedes Werke in Untertürkheim. Viele Mitarbeiter sind bereits seit Jahresbeginn in Kurzarbeit. Erst die hausgemachte Krise mit dem Einstieg bei Chrysler - Milliarden wurden in den Sand gesetzt. Dann wurden am Standort Deutschland wertvolle Jahre für die Entwicklung benzinsparender Autos verschenkt. Nun müssen derweil Tausende von Bandarbeitern so lange zuhause sitzen und warten, ob willkommen oder nicht.
Auch die Kommunen spüren die Wirtschaftskrise. Sie bekommen weniger
Gewerbesteuern. Am schlimmsten trifft es die Stadt Sindelfingen, wo das größte Daimler Werk Deutschlands steht. Die einst reichste Stadt hatte sich bereits auf den schlechtesten Haushalt aller Zeiten vorbereitet, doch dann stellte sich heraus, die Stadt muss bereits erhaltene Gewerbesteuern an Daimler zurückzahlen. Helmut Riegger, Finanzbürgermeister:
Riegger: "Also ich würde mal sagen, dass Sindelfingen extrem stark betroffen ist von der Finanzkrise, dass wir eine der großen Verlierer dieser Finanzkrise sind. Vergleichbare Städte mit der Schuldenaufnahme gibt es im Augenblick nur im Ruhrgebiet."
Dieser Zustand kann noch lange andauern. Keiner im Südwesten wagt zurzeit eine Prognose, wann es wieder aufwärts gehen wird. Fast jeder zweite Euro in Baden-Württemberg wird im Ausland verdient. Jeder siebte Arbeitsplatz im Land hängt direkt von der Automobilindustrie ab.
Die erfolgsverwöhnten Schwaben und Badener sind mitten hinein gerissen in den Sog der Krise. Stuttgart ist mittlerweile die Hauptstadt der Kurzarbeit. Auftragseinbrüche in der Industrie lassen die Wirtschaftsleitung im ersten Quartal nach ersten Schätzungen um vier Prozent sinken. Der größte Rückschlag seit 13 Jahren.
Dagegen werden Investionsprogramm gesetzt, doch in Kürze muss das Land auch die eigene Landesbank mit frischem Kapital versorgen. Neben der Stadt Stuttgart und den Sparkassen muss das Land Baden-Württemberg allein rund 2,1 Milliarden Euro wahrscheinlich aus einer Finanzierungsgesellschaft einbringen.
"Weg vom Auto" - darüber müsse das Land eventuell nachdenken, sagte letzte Woche Professor Hans Peter Burghof von der Universität Hohenheim der Deutschen Presseagentur. Der Finanzexperte geht davon aus, dass sich die Zahl der Arbeitslosigkeit bis zum Herbst im Südwesten auf über eine halbe Million verdoppeln wird.
Wird Schleswig-Holstein das zweite Island? Beide sind "meerumschlungen" und haben nicht nur ein Problem, aber ein gemeinsames: ein Finanzproblem. Und damit wären wir bei der HSH Nordbank und auch Hamburg. Schleswig-Holstein und Hamburg sind zu je 30% an der Nordbank beteiligt, die ist heftigst ins Schleudern geraten und die beiden Regierungschefs auch. Carstensen ist seit ein paar Tagen nicht mehr "der Lächler" und von Beust hat auch Probleme innerhalb des Senats. Hamburg und der Druck. Verena Herb mit dem wirtschaftlichen und finanziellen Hochwasserstandsbericht.
Träge dümpeln einzelne Containerschiffe auf der Norderelbe. Dort, wo eigentlich Container gestapelt werden, auf den Decks, herrscht gähnende Leere. Mit voller Besatzung hoffen sie auf Ladung. Die Frachter sind sogenannte Feeder, und warten darauf, dass sie von einer Reederei angemietet werden, um Container aus Hamburg in die kleineren Häfen Europas zu bringen. Die Reeder haben ihre Schiffe "an die Pfähle gelegt", wie man so schön sagt, nehmen also Kapazitäten aus dem Markt. Seit Herbst vergangenen Jahres fallen die Transportpreise rapide, es gibt immer weniger Güter zu transportieren, der Containerumschlag im Hamburger Hafen geht zurück. Hamburg ist wie kein anderes Bundesland in Deutschland aufgrund seines maritimen Standortes extrem von der Weltwirtschaft abhängig und entsprechend von der Krise betroffen – erklärt Michael Bräuninger, Konjunkturexperte des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts, kurz HWWI:
Bräuninger: "Hamburg ist ganz besonders stark in diesem Logistikbereich, in dem Handelsbereich betroffen. Der Welthandel ist stark zurückgegangen, das wird Hamburg sehr viel stärker treffen als den Rest von Deutschland. Hamburg hat von der Globalisierung und von dem Boom im Welthandel in den letzten Jahren besonders profitiert und wird jetzt unter diesem zurückgehenden Welthandel besonders leiden."
Große Entlassungen sind in Hamburg bislang ausgeblieben: Dennoch hinterlässt die Wirtschaftskrise deutliche Spuren am Arbeitsmarkt. Das weiß auch Günter Klemm, Chefvolkswirt der Handelskammer Hamburg:
Klemm: "Wir haben jetzt eine deutliche Zunahme der Kurzarbeit. Und wir werden auch eine spürbare Zunahme der Arbeitslosigkeit im Laufe dieses Jahres haben. Alles andere wäre Schönrederei."
Der Hamburger Senat hat reagiert: Auf einer Klausurtagung vergangenen Monat wurde ein eigenes Hamburger Konjunkturprogramm verabschiedet. Die Stadt selbst stellt 250 Millionen Euro für Investitionen in den Jahren 2009 und 2010 bereit. Darüber hinaus erhält sie vom Bund im Rahmen des Konjunkturpakets II 230 Millionen, die Hamburg mit 76 Millionen Euro aufstocken muss. Hamburg pumpt also insgesamt 556 Millionen Euro in die regionale Wirtschaft. Der Senat hat dazu ein Bündel von Maßnahmen geschnürt, dass seitens der Wirtschaft positiv aufgenommen wird. Günter Klemm von der Handelskammer:
Klemm: "Es sind ja Maßnahmen überwiegend in Hamburg, die ohnehin geplant gewesen wären, also in der Infrastruktur vor allen Dingen und auch in der Bildung, in der Verkehrsinfrastruktur, die vorgezogen werden. Insofern ist es sinnvoll, es ist auch kein Strohfeuer in Konsum, was dann weg ist. Sondern das sind sinnvolle Dinge, die gemacht werden müssen."
Man werde keine Großaufträge vergeben, sondern kleine Auftragspakete, damit sich auch der normale Handwerksbetrieb bewerben könne, so Wirtschaftssenator Axel Gedaschko. Und Ole von Beust machte bei der Vorstellung des Hamburger Konjunkturpakets deutlich, dass ein besonderer Schwerpunkt auf der Belebung des regionalen Baubereichs liegen würde, da im Bau die Probleme der Firmen besonders groß seien. Die Reaktion von Michael Bräuninger vom HWWI:
Bräuninger: "Das ist richtig und das ist auch sinnvoll. Wenn alle nur für diese großen Unternehmen ausschreiben würden, dann würde es hier zu Engpässen kommen, dann würden hier auch die Preise steigen und es würde gar nicht zu einem weiteren Anstieg der Beschäftigung kommen. Insofern ist es wichtig, dass die Aufträge der Stadt auf viele kleine Unternehmen verteilt werden."
Hamburg wird 2009 nicht um eine Neuverschuldung herum kommen. Und das liegt nicht alleine am Konjunkturpaket. Die Probleme, ausgelöst durch die Finanzkrise, mit der HSH Nordbank - der Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein - schlägt der Hansestadt mächtig ins Kontor: 1,5 Milliarden Euro zusätzlich muss allein das Land Hamburg der Bank an Kapital zuschießen, weitere 5 Milliarden werden als Garantien gewährt. Ob das jedoch reicht, ist erst einmal fraglich. CDU-Finanzsenator Michael Freytag steht aufgrund der HSH-Nordbankkrise schwer in der Kritik. Die Opposition, also SPD und Linke fordern Freytags Rücktritt. Und auch aus den eigenen Fraktionsreihen wurde – wenn auch hinter vorgehaltener Hand – Kritik am Parteifreund laut: Der Vorwurf: Zu lange habe der Senator mit den wahren Zahlen hinterm Berg gehalten... und die Situation positiver dargestellt, als sie tatsächlich war.
Die Kosten für die Krise bei der Nordbank und die Kosten für die Konjunkturoffensive - nach Meinung Michael Bräuningers, dem Experten vom Wirtschaftsinstitut, gilt es hier klar zu differenzieren:
Bräuninger: "”Ich denke, das sind zwei ganz verschiedene Fragen. Bei den Kosten der Rettung der HSH Nordbank weiß man noch gar nicht, wie hoch diese Kosten sind. Das hängt sehr stark davon ab, wie sich die Bankenkrise weiter entwickeln wird. Wie sich auch die Einlagen, die die Stadt jetzt bei der HSH tätigt in der Zukunft entwickeln werden, wie die sich im Wert entwickeln werden. Ganz anders ist das Konjunkturprogramm. Hier werden sicherlich im Moment Kredite aufgenommen, um die Nachfrage zu stabilisieren. Die müssen in der Zukunft wieder in einem gewissen Umfang zurückgeführt werden, die Kreditaufnahme muss wieder gegen 0 gebracht werden, wir müssen wieder einen ausgeglichenen Haushalt haben.""
Doch bis es soweit ist, wird noch viel Wasser die Elbe hinunterfließen. Gerade hat die Bürgerschaft den Doppelhaushalt 2009/2010 verabschiedet. Doch die Zahlen sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Denn schon im Mai wird man wieder zusammen kommen, um einen Nachtragshaushalt zu verabschieden. Man stehe 2009 vor einer nicht einfachen Haushaltslage, lässt der erste Bürgermeister der Hansestadt Ole von Beust verlauten und spricht damit wohl ein wahres Wort gelassen aus.
Der Sachse gilt gemeinhin als arg optimistisch. Dies fiel ihm in den vergangenen Jahren auch relativ leicht, denn eine gute Meldung nach der anderen wurde aus dem Freistaat in den Rest der Republik verschickt. Doch seit einigen Monaten haben guten Nachrichten aus Sachsen eher Seltenheitswert. Politisch war einiges zu überstehen, und nun ist auch wirtschaftlich so manches Standbein eingeknickt. Landesbank, Computer-, Autoindustrie. Alexandra Gerlach fast die Lage im ostdeutschen Vorzeigeland zusammen.
Die Stimmung ist aufgeheizt, vor dem sächsischen Landtag am vergangenen Donnerstag. Im Plenum soll gleich die Sondersitzung zur Zukunft des insolventen Halbleiterherstellers Qimonda beginnen, draußen haben sich Hunderte von Qimondianern zu einer Kundgebung versammelt. Sie alle gehören zur Elite der europäischen Halbleiterforschung- und Entwicklung. Sie fordern Hilfe vom Staat. Es geht nicht nur um ihre Arbeitsplätze, es geht auch um die Zukunft des letzten bedeutsamen Halbleiterstandortes in Europa. Noch – so sagen Experten - hat Qimonda gegenüber seinen mächtigen Konkurrenten in Asien einen technologischen Vorsprung von mehreren Monaten. Doch die Stimmung ist schlecht.
Mitarbeiter: "Ich denke, wenn es nicht wirklich bald passiert, dann ist dieser Vorsprung von dem alle sprechen dahin und dann lohnt es sich nicht mehr, davon zu sprechen."
Noch zwölf Tage bleiben dem Insolvenzverwalter, um einen neuen finanzkräftigen Investor für das einstige Vorzeigeunternehmen zu finden. Gelingt dies nicht, wird der Betrieb in dem hochmodernen Werk in der Dresdner Heide am 1. April auf Stand-By gefahren, um die laufenden Kosten zu dämpfen.
Der Wettlauf mit der Zeit ist voll entbrannt, es gilt die besten Köpfe zu halten, doch längst sitzen geniale Ingenieure auf gepackten Koffern oder bereits im Flugzeug auf der Suche nach einem neuen Job. Die Krise bei der Infineon-Tochter könnte bis zu 10.000 hochqualifizierte Arbeitsplätze in Sachsen kosten, schätzt die sächsische Staatsregierung, die zudem den Kollaps des gesamten Forschungsstandortes fürchtet. Dennoch will das Land auch in der Krise nicht als Unternehmer bei Qimonda einsteigen. Der Ministerpräsident Stanislaw Tillich sieht den Erhalt des europäischen Halbleiterstandorts Silicon Saxony als nationale Aufgabe:
Tillich: "Das muss man in Berlin verstehen, das muss man in Brüssel verstehen. Deshalb muß ich als Ministerpräsident dieses Landes ganz klar sagen: Was für Opel gilt und welche Entscheidung in Berlin dazu getroffen wird, gilt allemal auch für Qimonda."
Für die kleinen und mittleren Mittelständler im Freistaat ist der Firmenname Qimonda indessen ein rotes Tuch. Zunehmend brechen Aufträge weg, Umsätze fallen, Erträge fehlen. Noch prägen die Bilanzen des an sich ganz passablen Jahres 2008 das Bewusstsein, doch nach den Worten des Hauptgeschäftsführers der Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft, VSW, Andreas Winkler, hat die Wirtschafts- und Finanzkrise inzwischen den sächsischen Mittelstand voll erreicht. Zunehmende Liquiditätsprobleme würden dem Verband gemeldet:
Winkler, VSW: "Die Liquiditätskrise verschärft sich auch deshalb, weil die Firmen sich sehr sehr viel Mühe geben, die Leute zu halten, an Deck zu halten. Das kostet aber Geld. Und auch Kurzarbeit ist ein sehr, sehr teures Element, weil die ganzen Sozialabgaben weiter zu zahlen sind. Das heißt, das Geld fließt ab, ohne das neues Geld verdient wird, deswegen stehen wir trotzdem zu diesem Element Kurzarbeit, aber wir müssen wissen, es ist nur ein Element auf Zeit."
Winkler schätzt, dass bereits ein Drittel seiner rund 20.000 Mitgliedsfirmen in der Vereinigung der sächsischen Wirtschaft, in akuten Problemen ist. Ein weiteres Drittel werde in den nächsten zwei Monaten in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Erschwerend kommt aus Sicht des Verbandes das – wie Winkler sagt "äußerst kritikwürdige" Verhalten der Banken hinzu, das den finanziell schwachen Unternehmen zusätzlich zu schaffen mache. Die Sächsische Staatsregierung hat ein Mittelstands-Stabilisierungs-Programm aufgelegt, das die Kreditversorgung der gewerblichen Wirtschaft auch in der Finanzkrise sichern soll.
Der Verband der sächsischen Wirtschaft intensiviert indessen seine Beratungstätigkeit, informiert seine Mitglieder über Mittel und Wege, die zur Überbrückung von Finanz-Engpässen führen oder unterweist vorsorglich, wie ein geordnete Insolvenz in eine neue Zukunft führen kann. Spätestens im Sommer rechnet VSW-Hauptgeschäftsführer Andreas Winkler mit umfangreichen Entlassungen bei zahlreichen Mitgliedsfirmen.
Beim Automobilzulieferer UKM in Meissen kostet die Finanz- und Wirtschaftskrise schon jetzt rund 200 Arbeitsplätze, jeder Zweite muss gehen. Ein harter Schlag für Meissens Oberbürgermeister, Olaf Raschke. Der direkte Arbeitsplatzabbau bei UKM sei das Eine, sagte Raschke, die Auswirkungen der Krise reichten jedoch schon weiter:
OB Raschke: "Wir merken das im Gewerbesteueraufkommen, d. h. wir werden dort auch ein erhebliches Minus zu den prognostizierten Zahlen haben. Und wir werden sehr genau hinsehen müssen, wie die Gesamtsituation über das Jahr verläuft."
Einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren für die Stadt Meissen ist der Tourismus. Doch selbst hier hat sich im vergangenen Jahr die Krise bemerkbar gemacht:
OB Raschke: "Wir haben im letzten Jahr touristisch etwas nachgelassen. Unsere Gäste in der Stadt kommen von nah und fern, und hier hat es auch Veränderungen im Reiseverhalten insbesondere aus dem asiatischen Raum gegeben, und dort merken wir diese Änderungen ganz deutlich."
Der Krise zum Trotz will das Stadtoberhaupt weiter investieren, die Infrastruktur auf Hochglanz bringen. Die Stadt will fit sein wenn das Ende der Krise erreicht ist und der Aufbau wieder beginnen kann. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft. Hauptgeschäftsführer Andreas Winkler ist überzeugt, dass nach dem Tal der Tränen ein Aufbruch kommt. Bis dahin gilt es allerdings die fittesten Köpfe des heranwachsenden Nachwuchses in allen Branchen zu halten. Ein besonders schwieriges Unterfangen in Zeiten der Krise, doch in Sachsen, so Winkler, sei vieles möglich.
Gut sichtbar für alle Autofahrer und die Binnenschiffer grüßt an einem Industriebau ein etwa 20 Meter langes Werbeplakat von Daimler: "Ankommen als wäre man nie weg gewesen - Die neue E-Klasse. Willkommen zuhause." Nun, die alte Erkenntnis der Betriebswirtschaft "Mache dich niemals abhängig von einem Lieferanten" wurde - Beispiel Automobilindustrie - in den vergangenen Jahren in den Wind geschlagen, weil es lief ja irgendwie ganz gut mit der totalen Abhängigkeit. Jetzt zeigt diese einseitige Fixierung ihr anderes Gesicht. Das Wirtschaftsministerium musste schnell ein Investitionshilfepaket auf die Beine stellen, zusätzlich zu den Sonderprogrammen des Bundes. Diese zusammen sollen ein Investitionsvolumen von rund 260 Millionen Euro in Baden-Württemberg angestoßen. Das Musterländle hat es bitter nötig. Wie nötig, dies erklärt uns Uschi Götz.
Bereits im vergangenen Jahr sagte der baden-württembergische CDU Ministerpräsident Günther Oettinger, die Weltwirtschaftskrise werden Baden-Württemberg härter als alle anderen Bundesländer treffen. Der Grund: Der Südwest ist stark exportorientiert. In guten Zeiten war das ein Segen, in schlechten Zeiten wird dieser Umstand zum Fluch.
Oettinger: "Wir werden Maßnahmen auf den Weg bringen, die unmittelbar beschäftigungssichernd und auftragsstärkend für die Wirtschaft in Baden- Württemberg im nächsten Jahr und in der ersten Hälfte 2010 sind."
Schnitt, draußen im Land. Von seinem Büro aus sieht Firmenchef Heinrich Baumann den Neckar. Es hat geregnet, der Wasserpegel steigt. In einer Liste der weltweit größten Automobilzulieferer liegt Eberspächer auf Platz 66. Das Unternehmen beschäftigte bis zum letzten Jahr weltweit rund 5500 Mitarbeiter. Außerhalb Europas musste das Eberspächer bereits Mitarbeiter entlassen. In Oberesslingen, am Stammsitz, versucht Heinrich Baumann seit Beginn Anfang März die Krise mit Kurzarbeit zu überstehen.
Baumann: "Wir befinden uns jetzt in einer Situation, wo wir in den ersten zwei Monaten und auch sicher schon einen ersten Blick ins Quartal 2009 wagen können, und wo wir feststellen, dass wir mit unseren Produktbereichen irgendwo zwischen 30 und 40 Prozent unter dem Vorjahr liegen."
Eine ganze Region geht in die Knie, der mittlere Neckarraum. Und damit ein ganzes Land. Einst war der mittlere Neckarraum der Motor des wirtschaftlichen Erfolgs der Baden-Württemberger. Nun wird dem Südwesten seine Exportabhängigkeit und seine Abhängigkeit vor allem vom Autobauer Daimler zum Verhängnis.
Nur ein paar Kilometer flussabwärts spürt das auch Hansjörg Russ. In Esslingen Zell steht eines von vier Autohäusern der Russ Jesinger Vertriebs GmbH und CO KG. Die meisten Kunden sind mittelständische Unternehmen, zurzeit werden nur sehr wenige Autos verkauft, vor allem keine mit dem Stern.
Russ: "Wir sind 100 Prozent abhängig von unserem Hersteller, das muss man einfach so sehen. Wir haben gut gelebt damit, aber es gibt ja auch so einen netten Spruch: Wenn der Daimler hustet, ist die Region krank."
Doch Daimler hustet nicht nur, Daimler ist schwer krank. Vor allem der mittlere Neckarraum bekommt das zu spüren. Die Recyclingfirmen haben so viele Auto zu verschrotten wie schon lange nicht, doch die Rohstoffpreise sind dramatisch gesunken. Der Stoffkreislauf ist komplett zusammengebrochen.
Und: Keine neuen Autos, keine Motoren, keine Metallschmelze, kein Geschäft. Also Kurzarbeit anmelden. 8000 Betriebe haben das im Südwesten bis einschließlich Ende Februar getan. Davon betroffen sind rund 300.000 Beschäftigte. Tendenz steigend. Südwestmetallchef Dr. Jan Stefan Roell:
Roell: "Die Lage in der Metall- und Elektroindustrie spitzt sich zu. Wir haben deutlich weniger Aufträge. 80 Prozent der Unternehmen klagen über weniger Aufträge. Wir haben viele, viele Stornierungen, der Umsatz geht runter. Und jetzt müssen unbedingt die Kosten gesenkt werden."
Weiter flussabwärts, weiter den Neckar hinunter. Die Mercedes Werke in Untertürkheim. Viele Mitarbeiter sind bereits seit Jahresbeginn in Kurzarbeit. Erst die hausgemachte Krise mit dem Einstieg bei Chrysler - Milliarden wurden in den Sand gesetzt. Dann wurden am Standort Deutschland wertvolle Jahre für die Entwicklung benzinsparender Autos verschenkt. Nun müssen derweil Tausende von Bandarbeitern so lange zuhause sitzen und warten, ob willkommen oder nicht.
Auch die Kommunen spüren die Wirtschaftskrise. Sie bekommen weniger
Gewerbesteuern. Am schlimmsten trifft es die Stadt Sindelfingen, wo das größte Daimler Werk Deutschlands steht. Die einst reichste Stadt hatte sich bereits auf den schlechtesten Haushalt aller Zeiten vorbereitet, doch dann stellte sich heraus, die Stadt muss bereits erhaltene Gewerbesteuern an Daimler zurückzahlen. Helmut Riegger, Finanzbürgermeister:
Riegger: "Also ich würde mal sagen, dass Sindelfingen extrem stark betroffen ist von der Finanzkrise, dass wir eine der großen Verlierer dieser Finanzkrise sind. Vergleichbare Städte mit der Schuldenaufnahme gibt es im Augenblick nur im Ruhrgebiet."
Dieser Zustand kann noch lange andauern. Keiner im Südwesten wagt zurzeit eine Prognose, wann es wieder aufwärts gehen wird. Fast jeder zweite Euro in Baden-Württemberg wird im Ausland verdient. Jeder siebte Arbeitsplatz im Land hängt direkt von der Automobilindustrie ab.
Die erfolgsverwöhnten Schwaben und Badener sind mitten hinein gerissen in den Sog der Krise. Stuttgart ist mittlerweile die Hauptstadt der Kurzarbeit. Auftragseinbrüche in der Industrie lassen die Wirtschaftsleitung im ersten Quartal nach ersten Schätzungen um vier Prozent sinken. Der größte Rückschlag seit 13 Jahren.
Dagegen werden Investionsprogramm gesetzt, doch in Kürze muss das Land auch die eigene Landesbank mit frischem Kapital versorgen. Neben der Stadt Stuttgart und den Sparkassen muss das Land Baden-Württemberg allein rund 2,1 Milliarden Euro wahrscheinlich aus einer Finanzierungsgesellschaft einbringen.
"Weg vom Auto" - darüber müsse das Land eventuell nachdenken, sagte letzte Woche Professor Hans Peter Burghof von der Universität Hohenheim der Deutschen Presseagentur. Der Finanzexperte geht davon aus, dass sich die Zahl der Arbeitslosigkeit bis zum Herbst im Südwesten auf über eine halbe Million verdoppeln wird.
Wird Schleswig-Holstein das zweite Island? Beide sind "meerumschlungen" und haben nicht nur ein Problem, aber ein gemeinsames: ein Finanzproblem. Und damit wären wir bei der HSH Nordbank und auch Hamburg. Schleswig-Holstein und Hamburg sind zu je 30% an der Nordbank beteiligt, die ist heftigst ins Schleudern geraten und die beiden Regierungschefs auch. Carstensen ist seit ein paar Tagen nicht mehr "der Lächler" und von Beust hat auch Probleme innerhalb des Senats. Hamburg und der Druck. Verena Herb mit dem wirtschaftlichen und finanziellen Hochwasserstandsbericht.
Träge dümpeln einzelne Containerschiffe auf der Norderelbe. Dort, wo eigentlich Container gestapelt werden, auf den Decks, herrscht gähnende Leere. Mit voller Besatzung hoffen sie auf Ladung. Die Frachter sind sogenannte Feeder, und warten darauf, dass sie von einer Reederei angemietet werden, um Container aus Hamburg in die kleineren Häfen Europas zu bringen. Die Reeder haben ihre Schiffe "an die Pfähle gelegt", wie man so schön sagt, nehmen also Kapazitäten aus dem Markt. Seit Herbst vergangenen Jahres fallen die Transportpreise rapide, es gibt immer weniger Güter zu transportieren, der Containerumschlag im Hamburger Hafen geht zurück. Hamburg ist wie kein anderes Bundesland in Deutschland aufgrund seines maritimen Standortes extrem von der Weltwirtschaft abhängig und entsprechend von der Krise betroffen – erklärt Michael Bräuninger, Konjunkturexperte des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts, kurz HWWI:
Bräuninger: "Hamburg ist ganz besonders stark in diesem Logistikbereich, in dem Handelsbereich betroffen. Der Welthandel ist stark zurückgegangen, das wird Hamburg sehr viel stärker treffen als den Rest von Deutschland. Hamburg hat von der Globalisierung und von dem Boom im Welthandel in den letzten Jahren besonders profitiert und wird jetzt unter diesem zurückgehenden Welthandel besonders leiden."
Große Entlassungen sind in Hamburg bislang ausgeblieben: Dennoch hinterlässt die Wirtschaftskrise deutliche Spuren am Arbeitsmarkt. Das weiß auch Günter Klemm, Chefvolkswirt der Handelskammer Hamburg:
Klemm: "Wir haben jetzt eine deutliche Zunahme der Kurzarbeit. Und wir werden auch eine spürbare Zunahme der Arbeitslosigkeit im Laufe dieses Jahres haben. Alles andere wäre Schönrederei."
Der Hamburger Senat hat reagiert: Auf einer Klausurtagung vergangenen Monat wurde ein eigenes Hamburger Konjunkturprogramm verabschiedet. Die Stadt selbst stellt 250 Millionen Euro für Investitionen in den Jahren 2009 und 2010 bereit. Darüber hinaus erhält sie vom Bund im Rahmen des Konjunkturpakets II 230 Millionen, die Hamburg mit 76 Millionen Euro aufstocken muss. Hamburg pumpt also insgesamt 556 Millionen Euro in die regionale Wirtschaft. Der Senat hat dazu ein Bündel von Maßnahmen geschnürt, dass seitens der Wirtschaft positiv aufgenommen wird. Günter Klemm von der Handelskammer:
Klemm: "Es sind ja Maßnahmen überwiegend in Hamburg, die ohnehin geplant gewesen wären, also in der Infrastruktur vor allen Dingen und auch in der Bildung, in der Verkehrsinfrastruktur, die vorgezogen werden. Insofern ist es sinnvoll, es ist auch kein Strohfeuer in Konsum, was dann weg ist. Sondern das sind sinnvolle Dinge, die gemacht werden müssen."
Man werde keine Großaufträge vergeben, sondern kleine Auftragspakete, damit sich auch der normale Handwerksbetrieb bewerben könne, so Wirtschaftssenator Axel Gedaschko. Und Ole von Beust machte bei der Vorstellung des Hamburger Konjunkturpakets deutlich, dass ein besonderer Schwerpunkt auf der Belebung des regionalen Baubereichs liegen würde, da im Bau die Probleme der Firmen besonders groß seien. Die Reaktion von Michael Bräuninger vom HWWI:
Bräuninger: "Das ist richtig und das ist auch sinnvoll. Wenn alle nur für diese großen Unternehmen ausschreiben würden, dann würde es hier zu Engpässen kommen, dann würden hier auch die Preise steigen und es würde gar nicht zu einem weiteren Anstieg der Beschäftigung kommen. Insofern ist es wichtig, dass die Aufträge der Stadt auf viele kleine Unternehmen verteilt werden."
Hamburg wird 2009 nicht um eine Neuverschuldung herum kommen. Und das liegt nicht alleine am Konjunkturpaket. Die Probleme, ausgelöst durch die Finanzkrise, mit der HSH Nordbank - der Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein - schlägt der Hansestadt mächtig ins Kontor: 1,5 Milliarden Euro zusätzlich muss allein das Land Hamburg der Bank an Kapital zuschießen, weitere 5 Milliarden werden als Garantien gewährt. Ob das jedoch reicht, ist erst einmal fraglich. CDU-Finanzsenator Michael Freytag steht aufgrund der HSH-Nordbankkrise schwer in der Kritik. Die Opposition, also SPD und Linke fordern Freytags Rücktritt. Und auch aus den eigenen Fraktionsreihen wurde – wenn auch hinter vorgehaltener Hand – Kritik am Parteifreund laut: Der Vorwurf: Zu lange habe der Senator mit den wahren Zahlen hinterm Berg gehalten... und die Situation positiver dargestellt, als sie tatsächlich war.
Die Kosten für die Krise bei der Nordbank und die Kosten für die Konjunkturoffensive - nach Meinung Michael Bräuningers, dem Experten vom Wirtschaftsinstitut, gilt es hier klar zu differenzieren:
Bräuninger: "”Ich denke, das sind zwei ganz verschiedene Fragen. Bei den Kosten der Rettung der HSH Nordbank weiß man noch gar nicht, wie hoch diese Kosten sind. Das hängt sehr stark davon ab, wie sich die Bankenkrise weiter entwickeln wird. Wie sich auch die Einlagen, die die Stadt jetzt bei der HSH tätigt in der Zukunft entwickeln werden, wie die sich im Wert entwickeln werden. Ganz anders ist das Konjunkturprogramm. Hier werden sicherlich im Moment Kredite aufgenommen, um die Nachfrage zu stabilisieren. Die müssen in der Zukunft wieder in einem gewissen Umfang zurückgeführt werden, die Kreditaufnahme muss wieder gegen 0 gebracht werden, wir müssen wieder einen ausgeglichenen Haushalt haben.""
Doch bis es soweit ist, wird noch viel Wasser die Elbe hinunterfließen. Gerade hat die Bürgerschaft den Doppelhaushalt 2009/2010 verabschiedet. Doch die Zahlen sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Denn schon im Mai wird man wieder zusammen kommen, um einen Nachtragshaushalt zu verabschieden. Man stehe 2009 vor einer nicht einfachen Haushaltslage, lässt der erste Bürgermeister der Hansestadt Ole von Beust verlauten und spricht damit wohl ein wahres Wort gelassen aus.
Der Sachse gilt gemeinhin als arg optimistisch. Dies fiel ihm in den vergangenen Jahren auch relativ leicht, denn eine gute Meldung nach der anderen wurde aus dem Freistaat in den Rest der Republik verschickt. Doch seit einigen Monaten haben guten Nachrichten aus Sachsen eher Seltenheitswert. Politisch war einiges zu überstehen, und nun ist auch wirtschaftlich so manches Standbein eingeknickt. Landesbank, Computer-, Autoindustrie. Alexandra Gerlach fast die Lage im ostdeutschen Vorzeigeland zusammen.
Die Stimmung ist aufgeheizt, vor dem sächsischen Landtag am vergangenen Donnerstag. Im Plenum soll gleich die Sondersitzung zur Zukunft des insolventen Halbleiterherstellers Qimonda beginnen, draußen haben sich Hunderte von Qimondianern zu einer Kundgebung versammelt. Sie alle gehören zur Elite der europäischen Halbleiterforschung- und Entwicklung. Sie fordern Hilfe vom Staat. Es geht nicht nur um ihre Arbeitsplätze, es geht auch um die Zukunft des letzten bedeutsamen Halbleiterstandortes in Europa. Noch – so sagen Experten - hat Qimonda gegenüber seinen mächtigen Konkurrenten in Asien einen technologischen Vorsprung von mehreren Monaten. Doch die Stimmung ist schlecht.
Mitarbeiter: "Ich denke, wenn es nicht wirklich bald passiert, dann ist dieser Vorsprung von dem alle sprechen dahin und dann lohnt es sich nicht mehr, davon zu sprechen."
Noch zwölf Tage bleiben dem Insolvenzverwalter, um einen neuen finanzkräftigen Investor für das einstige Vorzeigeunternehmen zu finden. Gelingt dies nicht, wird der Betrieb in dem hochmodernen Werk in der Dresdner Heide am 1. April auf Stand-By gefahren, um die laufenden Kosten zu dämpfen.
Der Wettlauf mit der Zeit ist voll entbrannt, es gilt die besten Köpfe zu halten, doch längst sitzen geniale Ingenieure auf gepackten Koffern oder bereits im Flugzeug auf der Suche nach einem neuen Job. Die Krise bei der Infineon-Tochter könnte bis zu 10.000 hochqualifizierte Arbeitsplätze in Sachsen kosten, schätzt die sächsische Staatsregierung, die zudem den Kollaps des gesamten Forschungsstandortes fürchtet. Dennoch will das Land auch in der Krise nicht als Unternehmer bei Qimonda einsteigen. Der Ministerpräsident Stanislaw Tillich sieht den Erhalt des europäischen Halbleiterstandorts Silicon Saxony als nationale Aufgabe:
Tillich: "Das muss man in Berlin verstehen, das muss man in Brüssel verstehen. Deshalb muß ich als Ministerpräsident dieses Landes ganz klar sagen: Was für Opel gilt und welche Entscheidung in Berlin dazu getroffen wird, gilt allemal auch für Qimonda."
Für die kleinen und mittleren Mittelständler im Freistaat ist der Firmenname Qimonda indessen ein rotes Tuch. Zunehmend brechen Aufträge weg, Umsätze fallen, Erträge fehlen. Noch prägen die Bilanzen des an sich ganz passablen Jahres 2008 das Bewusstsein, doch nach den Worten des Hauptgeschäftsführers der Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft, VSW, Andreas Winkler, hat die Wirtschafts- und Finanzkrise inzwischen den sächsischen Mittelstand voll erreicht. Zunehmende Liquiditätsprobleme würden dem Verband gemeldet:
Winkler, VSW: "Die Liquiditätskrise verschärft sich auch deshalb, weil die Firmen sich sehr sehr viel Mühe geben, die Leute zu halten, an Deck zu halten. Das kostet aber Geld. Und auch Kurzarbeit ist ein sehr, sehr teures Element, weil die ganzen Sozialabgaben weiter zu zahlen sind. Das heißt, das Geld fließt ab, ohne das neues Geld verdient wird, deswegen stehen wir trotzdem zu diesem Element Kurzarbeit, aber wir müssen wissen, es ist nur ein Element auf Zeit."
Winkler schätzt, dass bereits ein Drittel seiner rund 20.000 Mitgliedsfirmen in der Vereinigung der sächsischen Wirtschaft, in akuten Problemen ist. Ein weiteres Drittel werde in den nächsten zwei Monaten in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Erschwerend kommt aus Sicht des Verbandes das – wie Winkler sagt "äußerst kritikwürdige" Verhalten der Banken hinzu, das den finanziell schwachen Unternehmen zusätzlich zu schaffen mache. Die Sächsische Staatsregierung hat ein Mittelstands-Stabilisierungs-Programm aufgelegt, das die Kreditversorgung der gewerblichen Wirtschaft auch in der Finanzkrise sichern soll.
Der Verband der sächsischen Wirtschaft intensiviert indessen seine Beratungstätigkeit, informiert seine Mitglieder über Mittel und Wege, die zur Überbrückung von Finanz-Engpässen führen oder unterweist vorsorglich, wie ein geordnete Insolvenz in eine neue Zukunft führen kann. Spätestens im Sommer rechnet VSW-Hauptgeschäftsführer Andreas Winkler mit umfangreichen Entlassungen bei zahlreichen Mitgliedsfirmen.
Beim Automobilzulieferer UKM in Meissen kostet die Finanz- und Wirtschaftskrise schon jetzt rund 200 Arbeitsplätze, jeder Zweite muss gehen. Ein harter Schlag für Meissens Oberbürgermeister, Olaf Raschke. Der direkte Arbeitsplatzabbau bei UKM sei das Eine, sagte Raschke, die Auswirkungen der Krise reichten jedoch schon weiter:
OB Raschke: "Wir merken das im Gewerbesteueraufkommen, d. h. wir werden dort auch ein erhebliches Minus zu den prognostizierten Zahlen haben. Und wir werden sehr genau hinsehen müssen, wie die Gesamtsituation über das Jahr verläuft."
Einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren für die Stadt Meissen ist der Tourismus. Doch selbst hier hat sich im vergangenen Jahr die Krise bemerkbar gemacht:
OB Raschke: "Wir haben im letzten Jahr touristisch etwas nachgelassen. Unsere Gäste in der Stadt kommen von nah und fern, und hier hat es auch Veränderungen im Reiseverhalten insbesondere aus dem asiatischen Raum gegeben, und dort merken wir diese Änderungen ganz deutlich."
Der Krise zum Trotz will das Stadtoberhaupt weiter investieren, die Infrastruktur auf Hochglanz bringen. Die Stadt will fit sein wenn das Ende der Krise erreicht ist und der Aufbau wieder beginnen kann. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft. Hauptgeschäftsführer Andreas Winkler ist überzeugt, dass nach dem Tal der Tränen ein Aufbruch kommt. Bis dahin gilt es allerdings die fittesten Köpfe des heranwachsenden Nachwuchses in allen Branchen zu halten. Ein besonders schwieriges Unterfangen in Zeiten der Krise, doch in Sachsen, so Winkler, sei vieles möglich.