Mehr als Kopffüßler

Von Barbara Wiegand · 12.06.2013
Der Kopffüßler hat ihn berühmt gemacht: Horst Antes gilt seit den 50er-Jahren als wichtigster Vertreter der neuen figurativen Malerei in Deutschland. Bis Mitte September werden im Berliner Martin-Gropius-Bau Gemälde des Künstlers aus den Jahren 1958 bis 2010 gezeigt.
Mal ganz in gelb - in Denkerpose versunken, mal verzweifelt gebeugt und gefangen in einem Kasten, als wurstiges Gebilde oder über allem schwebend - der Kopffüßler von Horst Antes spielt unübersehbar die Hauptrolle im Martin Gropius Bau. Es sind archetypische Gestalten, mit markanter, helmartig in die Nase übergehender Stirn und katzenähnlichen Augen, die, auf tapsig tumbe Füße gestellt, so fremd wie vertraut daherkommen - sind sie doch sinnbildlich in Situationen gefangen, von Widrigkeiten gezeichnet, wie sie dem Betrachter auch widerfahren können.

Joachim Sartorius: "Sein Werk ist sehr viel reicher. Vor dem Kopffüßler gab es ja eine Reihe von Jahren wo er zum Teil informell malte, sehr gestisch. Und erst nach und nach und sehr tastend schälte sich aus all dem letztlich doch Ungegenständlichen dann diese Figur heraus, die ihn ja berühmt gemacht hat. Aber er hat ja dann einen Schnitt gemacht. 82, 83, wo er dann den Kopffüßler verlassen hat. Er hat dann versucht, mit anderen Metaphern oder anderen Chiffren auch noch einmal über das menschliche Leben nachzudenken."
Joachim Sartorius ist Kurator und langjähriger Freund des Künstlers. So präsentiert man mehr als Bilder mit Kopf und Füßen drauf im Martin Gropius Bau. Angefangen vom Frühwerk, in dem der 1936 in Heppenheim geborene Antes noch voll expressiver Farbigkeit, mit kraftvollem Strich und zumindest andeutungsweise figürlich malte, bis hin zu den in gedeckteren Tönen gehaltenen Hausbildern. Darauf sind düster massive Blöcke zu erkennen, an der Grenze zur Abstraktion errichtete Türme, Dörfer mit blauen Dächern, schemenhafte Silhouetten …

Sartorius: "Es gab die sogenannte Schiffstasche, das Hemd, das T-Shirt, was für ihn wie ein Körper war – bis er dann schließlich das Haus fand und man kann sagen, dass er die letzten 15 Jahre überwiegend diese Häuser gemalt hat und dass diese Häuser für ihn so etwas wie eine Verortung des Menschenbildes waren. Das hat er selbst gesagt: Für ihn sei das der Endpunkt der menschlichen Figur, das Haus"."

So entsteht im Martin Gropius Bau das Bild eines Künstlers, der immer wieder an den Grenzen zur Abstraktion malt - 1987 etwa scheint der Blick aus dem Fenster seiner Berliner Wohnung als von einem grauen Rahmen umrissene Finsternis. 1991 bezeichnet er eine schwarz in schwarze Fläche als "T-Shirt". Grundsätzlich aber ist der dreifache documenta-Teilnehmer der Figuration immer treu geblieben - auch in Zeiten, in denen die Gegenständlichkeit in Künstlerkreisen verpönt war. Antes, der heute die meiste Zeit des Jahres zurückgezogen in seiner Wahlheimat Italien lebt, macht eben sein Ding – bis heute, meint Joachim Sartorius.

Sartorius:" "Ich glaube, er ist ein sehr unabhängiger Geist. Er ist - wenn man jetzt was Böses sagen will - sehr stur, kann aber auch sehr bezaubernde Seiten haben. Aber ich glaube jetzt, er will nicht selber als öffentliche Figur wahrgenommen werden – das schreckt ihn irgendwie. Er sagt immer: Meine Bilder sprechen für mich, die muß man anschauen, nicht mich."

Diese Bilder entführen in eine Welt, bevölkert von archetypischen Wesen und silhouettenhaften Gebilden. Sicher, mit den ständig wiederholten Motiven gerät das schon mal zur Masche, wirkt in seinem einfachen Duktus recht naiv. Und doch: Horst Antes Kunst fasziniert – in ihrer eigenwilligen Beständigkeit