Mehr als eine Pumpe

Von Stephanie Kowalewski |
Seit Jahrzehnten arbeiten Techniker und Ärzte weltweit mit Hochdruck daran, ein System zu entwickeln, dass ein krankes Herz dauerhaft ersetzten kann. Die ersten Kunstherzen retteten dem Kranken zwar das Leben, fesselten ihn aber ans Bett, denn das Kunstherz musste permanent mit einer Steckdose verbunden sein, und die Steuerungseinheit war so groß wie ein Kühlschrank. Heute wiegt ein Kunstherz weniger als 200 Gramm, und der Patient kann damit sogar arbeiten gehen.
"Ich fühlte mich schon den ganzen Tag müde, so ein bisschen. Irgendwann habe ich Bauchschmerzen bekommen, was immer weiter nach oben zog und dann habe ich irgendwann gedacht, 'ne, da stimmt was nicht. Hab meinen Nachbarn angerufen und der hat mich dann nachts irgendwann ins Krankenhaus gefahren."

Randi Böker dachte, sie hätte sich den Magen verdorben, doch sie hatte einen schweren Herzinfarkt. Mit 34 Jahren. Ihr Herz wurde dadurch so stark geschädigt, dass es nicht mehr in der Lage ist, das Blut durch ihren Körper zu pumpen. In der Uniklinik Düsseldorf setzte ihr der Herzchirurg Arthur Lichtenberg ein modernes Mini-Kunstherz ein.

"Ohne diese Möglichkeit wäre sie jetzt nicht am Leben. Sicherlich ist sie jetzt am Kunstherzen, was für sie keine Endlösung darstellt, aber sie kann dann auch transplantiert werden."

In manchen Fällen, sagt Rainer Körfer, weltweit anerkannter Herzchirurg und einer der Pioniere der deutschen Kunstherzchirurgie, brauchen die Patienten das Kunstherz nur vorübergehend.
"Es kann ja sein, dass das Versagen des Herzens nur temporär ist und das sich das nach einer gewissen Zeit wieder erholen kann. Dann kann man auch das System wieder ausbauen."

Für die meisten Patienten mit einem schweren Herzinfarkt oder einer chronischen Herzschwäche ist jedoch die Transplantation eines Spenderherzens die einzige Überlebenschance. Doch es gibt viel mehr Bedürftige als Organe. Alleine in Deutschland brauchen pro Jahr bis zu 1000 Patienten ein Spenderherz.

Die Wartezeit beträgt bis zu 1,5 Jahre. Viel Zeit, die manche Patienten nicht haben. Für sie sind die Kunstherzen die einzige Chance, denn sie entlasten das kranke Herz oder ersetzen es sogar.

"Es gibt verschiedene Modelle, pneumatische Systeme oder eben elektrisch betriebene Motoren, die das Blut einfach weiter transportieren, am Herzen vorbei. Und somit wird das Herz entlastet, und die Patienten haben eine effektive Kreislaufsituation danach."

Dazu wird an der Herzspitze eine Kanüle befestigt, in die das Blut fließt. Der dahinter sitzende Propeller transportiert den lebenswichtigen Saft dann in die Aorta weiter.

Diese Kunstherzen haben rein äußerlich nichts mit einem Herzen gemeinsam.
Sie schlagen noch nicht einmal - oder, um genauer zu sein - sie schlagen nicht mehr. Früher bestanden die Kunstherzen aus relativ großen pneumatischen Pumpen, die das Blut per Luftdruck weitertransportiert haben. Sie pulsierten wie ein natürliches Herz. Bei modernen Systemen ist das nicht mehr so.

Sie schicken das Blut permanent mit einem gleichbleibenden Druck durch den Körper. Ein Puls ist so nicht mehr fühlbar. Das hat technisch gesehen erhebliche Vorteile, erklärt der Herzchirurg Rainer Körfer.

"Dadurch brauchen wir eigentlich nur Zentrifugen. Eine Zentrifuge, die verschleißfrei ist. Dieser Propeller schwimmt im Blut. Der ist in einem Gehäuse und dieses Gehäuse hat drum herum Magnete und diese Magnete halten den Propeller in der Position. Der dreht sich und hat keinen Verschleiß."

Nach wie vor problematisch ist, dass das Unterstützungssystem von außen mit Strom versorgt werden muss. Dazu wird ein Kabel vom Kunstherzen bis zur Bauchdecke und dort über eine Öffnung nach außen geführt. So wird das Kunstherz mit Strom aus der Steckdose oder aus leistungsstarken Akkus versorgt, die der Patient in einer Weste mit sich trägt.

Außerdem ist daran eine Art Minicomputer angeschlossen, der am Gürtel getragen werden kann. Er zeichnet alle wichtigen Daten auf und schlägt Alarm, wenn die Pumpe nicht richtig arbeitet oder die Batterien zu schwach sind. Manchmal reicht es dann, die Batterien aufzuladen, in schlimmeren Fällen muss der Notarzt helfen.

Die Stelle, wo das Kabel aus dem Körper tritt, bereitet Ärzten und Patienten die größte Sorge, erklärt Arthur Lichtenberg.

"Weil das ist eine Austrittstelle aus dem Körper. Da kommt es immer wieder leider zu Infektionen in diesem Bereich, wo man dann dieses System ausbauen muss und durch ein Spenderorgan ersetzten muss. Solange diese Problematik nicht gelöst ist, wird die Organtransplantation nach wie vor der Goldstandard sein."

Um das gefährliche Infektionsrisiko auszuschließen, entwickelten Forscher Systeme, bei denen die Batterien mit implantiert werden konnten. Aufgeladen wurden sie durch die Haut, per Induktion, erinnert sich Rainer Körfer.

"Das haben wir auch schon 1999 mit dem so genannten Löwenherz gemacht, aber ich sage ihnen, das ist Heavy Metall, was sie da implantieren müssen. Das ist ungefähr ein Kilogramm, was da implantiert wird. Also bei einer jungen schmalen Patientin ist so etwas überhaupt nicht unterzubringen."

Da ein künstliches Herz ständig in Aktion ist, verbraucht es enorm viel Energie. Die Batterien der ersten Kunstherzen reichten gerade mal für eine halbe Stunde. Dann mussten sie aufgeladen werden.

"Trotzdem hat man gesehen, dass es möglich ist, permanent durch die Haut Strom zu schicken, ohne dass die Haut geschädigt wird. Wenn wir sagen würden, 24 Stunden kann ich mich bewegen, so lange hält die Batterie, dann ist man schon ein ganzes Ende weiter. Ich hoffe ja auf die Automobilindustrie, die ja an solchen Batterien auch arbeitet. Und da werden wir dann wahrscheinlich auch von profitieren."

Das Ziel ist ein Kunstherz zu entwickeln, dass komplett implantiert werden kann, das ohne Schläuche und Drähte nach außen auskommt und das eine echte Alternative zur Organstransplantation darstellt.

"Ich glaube, dass wir in den nächsten zehn Jahren soweit sind, dass wieder ein Versuch gemacht wird, alles komplett zu implantieren."

So lange wird Randy Böker nicht warten können. Die 34-Jährige hofft, möglichst bald ein Spenderorgan zu erhalten. Bis dahin vertraut sie auf das kleine High-Tech-Kunstherz in ihrem Körper.

"Ich leb' ja gut damit. Das schränkt mich ja nicht großartig ein. Das Einzige, was ich nicht darf, ist Sauna und schwimmen. Aber sonst darf ich alles ganz normal. Ich bin ja froh, dass es das gibt. Und besser als gar nicht da zu sein."