"Mehr als eine Goodwill-Aktion"

Moderation: Jörg Degenhardt |
Vor dem Hintergrund des G8-Finanzministertreffens bei Potsdam hat Hartwig Fischer den Aktionsplan für Afrika bekräftigt. Er gehe davon aus, dass die Mittel dafür im kommenden Haushalt nochmals um 700 Millionen Euro aufgestockt würden. In der Debatte über die Nachfolge von Weltbank-Präsident Wolfowitz sprach er sich für offene Beratungen aus.
Jörg Degenhardt: Seit Jahren wird versucht, Afrika zu helfen. Gibt es entsprechende Zusagen des Westens, die allerdings nicht selten als unzureichend oder zu unverbindlich von Nicht-Regierungsorganisationen kritisiert werden. Zudem komme fast ein Drittel der gesamten EU-Hilfen nicht direkt Armen zugute, beklagt etwa der Verband europäischer Hilfsorganisationen Concord. Gut drei Wochen vor dem Heiligendamm-Gipfel wollen die G8-Finanzminister die Debatte in eine positive Richtung vorantreiben. Diskutiert wurde gestern bei dem Vorbereitungstreffen in Werder bei Potsdam erstmals mit mehreren afrikanischen Finanzministern. Die afrikanischen Länder sollen mit einem Aktionsplan bei ihrem Ziel der Armutsbekämpfung unterstützt werden. Sie sollen sich darin zu guter Regierungsführung bekennen, um für Investoren sicherer zu werden. Hintergrund der Initiative ist die Angst der G8-Länder, viele afrikanische Staaten könnten in eine neue Verschuldungskrise rutschen. Hartwig Fischer ist der Afrikabeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Fischer!

Hartwig Fischer: Guten Morgen, Herr Degenhardt!

Degenhardt: Ist der Aktionsplan, der gestern da in Potsdam verabschiedet wurde, wirklich mehr als eine Goodwill-Aktion?

Fischer: Es ist mehr als eine Goodwill-Aktion, insbesondere auch deshalb, weil die Regierung Merkel seit Regierungsantritt immerzu gesagt hat, die MGGs (Abkürzung wie gehört – die Redaktion), also die Millenniumsziele zu erfüllen, und sie hat das auch im Haushalt gezeigt.

Degenhardt: Die Hilfsorganisation Data sprach gestern von einer Glaubwürdigkeitskrise der G8-Staaten gegenüber Afrika – was ist dran an dieser Schelte?

Fischer: Es ist so, dass es in Afrika nicht so schnell vorangeht, wie man sich erhofft hat, weil es eben die Themen, die Sie angesprochen haben, insbesondere Korruption, Geldabflüsse durch korrupte Regime, immer wieder zurückgeworfen wird. Aber es gibt auch hervorragende Entwicklungen, wenn Sie sich Ghana ansehen, wenn Sie sich die neue Regierung in Benin ansehen, wenn Sie das vom Bürgerkrieg geschundene Angola ansehen, mit welchem Einsatz man dort jetzt gegen Korruption kämpft, sehen wir, dass viele Länder auf dem richtigen Weg sind, und die brauchen unsere Unterstützung und Partnerschaft.

Degenhardt: Trotzdem, warum fallen den Industriestaaten offensichtlich konkrete Hilfszusagen so schwer? Auch wenn man sich jetzt diesen Aktionsplan "gute Finanzpolitik für Afrika" ansieht, da vermisst man ja so ganz konkrete Signale.

Fischer: Ich finde, es sind schon konkrete Signale, wenn wir sagen, wir stellen politische und fachliche Beratung zum Beispiel in den Finanzministerien der Länder zur Verfügung, um ihnen bei der Umsetzung dieser Reformprogramme zu helfen, zum Beispiel bei den Themenfeldern Haushaltsführung, Haushaltsdurchführung, Haushaltskontrolle, Aufbau von Rechnungshöfen. Denn eins der Krebsgeschwüre ist tatsächlich die Korruption und die mangelnde Transparenz bei den eigenen Rohstoffen und die mangelnde Transparenz beim Einsatz von Entwicklungsmitteln.

Degenhardt: Die Staats- und Regierungschefs der G8 dürften bei ihrem Treffen im Ostseebad Heiligendamm auch über weitere Entschuldungen diskutieren. Deutschland verzichtet bisher auf rund 21 Milliarden Euro, wie das Bundesfinanzministerium angibt. Mit der Anrechnung von erlassenen Schulden ist allerdings bald Schluss. Dritte-Welt-Länder stehen bei der Bundesrepublik nur noch mit drei Millionen Euro in der Kreide …

Fischer: Drei Milliarden ...

Degenhardt: Drei Milliarden, Entschuldigung, braucht es also andere Finanzierungshilfen für Afrika? Haben Sie eine Idee?

Fischer: Ja, es braucht andere Finanzierungshilfen, darüber wird ja auch in unserer Koalition beraten. Diese Finanzierungshilfen mit neuen Mitteln kommen aber nicht vor 2009 infrage, weil es dazu gesetzlicher Rahmenbedingungen bedarf. Aber es ist überhaupt kein Zweifel, dass wir auch in diesem Jahr überproportional unseren Haushalt steigern werden. Wir haben im vergangenen Haushalt acht Prozent draufgelegt, deutlich über dem Durchschnitt des Haushaltes, und ich gehe davon aus, dass die Entwicklungsministerin auch in diesem Haushalt mindestens 700 Millionen mehr bekommt, um den Ansprüchen gerecht zu werden, die wir uns selbst gestellt haben.

Degenhardt: Das heißt, Sie können sich auch vorstellen, wie das die Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul vorgeschlagen hat, dass man die steigenden Steuereinnahmen nutzt, um noch mehr draufzupacken bei der Entwicklungshilfe?

Fischer: Ich will da gar nicht von den steigenden Steuereinnahmen reden, sondern ich will sagen, dass beim Verteilen des Haushaltes insgesamt 700 Millionen zusätzlich im Entwicklungsministerium zur Verfügung gestellt werden müssen, damit wir unsere Ansprüche, die wir an uns selbst gestellt haben, erfüllen, und ich gehe davon aus, dass Frau Wieczorek-Zeul gemeinsam mit Herrn Steinbrück und der Kanzlerin dieses auch entsprechend umsetzen, denn die Kanzlerin steht im Wort, und sie hat sich in der Vergangenheit an die Zusagen, die sie gemacht hat, gehalten. Und sie hat in ihrer Regierungserklärung einen Schwerpunkt in der Entwicklungspolitik gesetzt. Und wir wissen, dass, wenn wir gemeinsam mit den G8-Staaten nichts tun würden, dass die Migrationsbewegungen uns viel, viel teurer kommen und es auch eine menschliche Tragödie ist.

Degenhardt: Bei der Suche nach einem Nachfolger für Weltbank-Präsident Wolfowitz dringt Frau Wieczorek-Zeul auch auf Reformen. Die Weltbank sei durch die jüngsten Vorkommnisse definitiv geschwächt, meinte die SPD-Politikerin in einem Interview. Um neues Vertrauen zu schaffen, bedürfe es bei der Bestellung des nächsten Präsidenten eines offenen Konsultationsprozesses zwischen Geber- und Entwicklungsländern. Sehen Sie das ähnlich?

Fischer: Das halte ich für absolut richtig, denn durch das Verhalten von Herrn Wolfowitz, der gegen die eigenen Ethikgrundsätze verstoßen hat, ist sehr viel Schaden angerichtet worden. Es muss einen offenen Konsultationsprozess geben, weil es nicht nur die USA sind, die Geber sind, sondern sehr viele, die dort einzahlen, die dort Aktionäre sind praktisch, um über die Weltbank zu finanzieren. Und wir haben festgestellt, dass bei der Vergabe von Krediten das Thema "gute Regierungsführung" nicht immer eine entscheidende Rolle gespielt hat. Wir wissen, dass Kredite auch an Länder vergeben werden müssen, in denen die Regierungsführung noch nicht optimal ist, aber der Weg dort muss stimmen. Man muss sehen, dass man die Korruption bekämpft, man muss sehen, dass die Regierung sich Mühe gibt, dann kann man sie auch unterstützen. Aber wenn Regime wie Herr Mugabe oder Herr Bashir im Sudan die Menschenrechte mit Füßen treten, dann kann dort eine Unterstützung nicht stattfinden, außer humanitäre Hilfe für die Menschen, die dort geschunden sind.

Degenhardt: Was halten Sie von der Idee, eine Frau aus Afrika zur neuen Weltbank-Präsidentin zu machen?

Fischer: Ich würde ausschließlich nach der Qualifikation sehen, und wenn wir eine Frau aus Afrika finden, die diese Qualifikation hat, dann ist das überhaupt keine Frage, dass sie das auch werden kann. Es darf nur die Qualifikation eine Entscheidung spielen, sonst verspielen wir Vertrauen, das wir dringend brauchen, und dann wird man mit dem Finger auf uns zeigen, die wir gute Regierungsführung einfordern.
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