Mehr als ein Maler des Exils

Von Rudolf Schmitz |
Als Felix Nussbaum vor sieben Jahren im Jüdischen Museum Frankfurt präsentiert wurde, galt er noch ganz als Dokumentarist der Judenverfolgung, der Bitterkeit des Exils, der künstlerischen und menschlichen Einsamkeit. Die Ausstellung war ergreifend, weil alle Chiffren und Ausdrucksmittel, die man aus den Bildern des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit kannte, hier plötzlich historisch präzis und anklagend eingesetzt waren.
Nussbaums Bilder sind in die Geschichtsbücher eingegangen, aber wie steht es mit der Kunstgeschichte? Gibt es da noch eine Wahrnehmungslücke, hat man über dem ergreifenden Zeugnis dieser Bilder übersehen, dass Felix Nussbaum eben auch Kind seiner Zeit war, dass er sich einreiht in die seltsam privatmythologische Malerei der dreißiger Jahre?

Das jedenfalls ist die These der Ausstellung, die nun vom Jüdischen Museum Frankfurt präsentiert wird. Da sieht man Straßenbilder von Felix Nussbaum und gleich daneben ein solches von Max Beckmann. Da sieht man sein bekanntes Bild, "Erinnerung an Norderney" und gleich daneben eine metapyhsische Landschaft von Giorgio de Chirico.

Und das ist nicht der Versuch, Felix Nussbaum mit aller Gewalt künstlerisch aufzuwerten. Nein, diese Bäume hinter Mauern, die er malt, oder die in bedrohliches Grün getauchten Unterführungen mit den fahlen Sonnen am Himmel halten dem Vergleich mit entsprechenden Bildern von Carlo Carra oder de Chirico stand.

1932 hatte Felix Nussbaum ein Stipendium in der Villa Massimo in Rom, ehe er ins belgische Exil ging. Zweifellos hatte er dort die italienischen Tendenzen in der Malerei studiert und als seelenverwandt empfunden. Doch schon beim Malereistudium in Berlin teilte er die Orientierungen anderer deutscher Künstler. Erik Riedel, Kurator der Frankfurter Ausstellung:

""Es gibt bei Nussbaum eigentlich sehr vielfältige Bezüge, zum einen orientiert er sich im Frühwerk stark nach Frankreich, Gauguin und van Gogh natürlich sind die großen Heroen, es gibt aber auch Bezüge zum Primitivismus, zu naiver Malerei, zum Beispiel denke man an Henri Rousseau, zum Postimpressionismus allgemein, und es gibt eben auch in dieser Zwischenkriegszeit Strömungen, die eben nicht mehr dem Expressionismus zuzuordnen sind, aber auch nicht zu gängigen Stilbegriffen wie Neue Sachlichkeit eindeutig zuordenbar sind. Es gibt hier eine künstlerische Vielfalt, in deren Kontext sich Nussbaum eben auch bewegt". "

Die Familienbilder und Bildnisgruppen, die Felix Nussbaum Ende der zwanziger Jahre malt, sind in dieser Ausstellung mit vergleichbaren Sujets von Georg Schrimpf oder Karl Hofer konfrontiert. Hier wie dort sind die Beziehungen zwischen den Personen ausdrucksstark und zugleich verrätselt.

Ein ganzer Raum im Jüdischen Museum Frankfurt ist dem Thema der Maske gewidmet. Karl Schmidt-Rottluff, Marc Chagall, Max Beckmann, Paul Hofer - sie alle widmen sich diesem Sujet, weil es die Entfremdung der Menschen von sich selbst zum Ausdruck bringt. Auch Nussbaum zeigt sich grimassierend, mit närrischem Lachen oder in einem Selbstbildnis mit heruntergerutschter Maske. In den Exiljahren von Ostende hatte Nussbaum den berühmten belgischen Maler der Masken kennen und schätzen gelernt.

""Ensor ist für die Zeit im belgischen Exil, also Ende der dreißiger und in den vierziger Jahren eine wichtige Bezugsperson, zum einen als künstlerisches Vorbild, andererseits hat er ihn auch unterstützt und zu Ausstellungen in Belgien verholfen. Und ähnlich wie Ensor ist Nussbaum nicht leicht und ohne Weiteres in gängige Stilbegriffe einzuordnen, ähnlich wie Ensor hat auch Nussbaum eine sehr individuelle Ikonographie entwickelt, also eine sehr eigenständige Bildsprache und Symbolik, und ähnlich wie bei Ensor findet sich auch bei Nussbaum ein stark psychologisierendes Element in der Malerei"."

Das Selbstbildnis an der Staffelei, das Felix Nussbaum noch 1943, ein Jahr vor seinem Tod in Auschwitz malt, zeigt ihn zwar mit nacktem Oberkörper, aber durchaus nicht verletzlich. Dem Betrachter begegnet der kritische wache Blick des Künstlers, die Maske im oberen linken Bildrand hängt als Attribut vergangener Tage an der tiefblauen Atelierwand. Hier ist ein selbstbewusster Maler zu sehen, der sich seines Rangs bewusst ist. Mit vielen Vergleichsbildern der Moderne beweist uns die Frankfurter Ausstellung, dass Felix Nussbaum hier keineswegs irrte.

Service:
Die Ausstellung "Zeit im Blick. Felix Nussbaum und die Moderne" ist bis 23. April im Jüdisches Museum Frankfurt zu sehen. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.