Meerfahrten der Luxusklasse
Kreuzfahrten boomen, immer neue Ozean-Riesen der Superlative laufen vom Stapel wie die britische "Queen Mary 2".
Und mittlerweile haben die Reedereien auch dem Normalverdiener das Erlebnis Kreuzfahrt erschlossen, auf einem Schiff wie der "Aida" ist man zwar Massentourist, aber die Reise ist bezahlbar. Und gleichzeitig bleibt der Schauer des Abenteuers, löst unauslöschlich das Schicksal der "Titanic" wohliges Gruseln aus.
Also Anlass genug, ein Sachbuch zu diesem Thema herauszubringen; getan hat das die französische Historikerin Catherine Donzel, ihr Buch heißt "Legendäre Ozeanreisen - Die große Zeit der Passagierschiffe 1850 bis 1930". Auf den ersten Blick ein wundervolles Coffee-Table-Buch, das man sich auf den Couch-Tisch legt oder als Schmuckstück ins Regal stellt. Aber es sind auch die Texte, die beeindrucken, historisch sehr sauber gearbeitet, geben sie dem Laien einen schnellen wie tiefen Überblick, und, wie auch die Fotos per se, sind auch die Texte bemüht, Geschichte sinnlich zu vermitteln.
Das Buch bietet eine wundervolle Blütenlese an Zitaten von berühmten Schriftstellern oder Schauspielern, die Ozeanreisen gemacht haben wie Thomas Mann, Stefan Zweig oder Marlene Dietrich, die beschreibt, wie sie tagelang ihre seekranke Zofe pflegen musste. Was dieses Buch so überzeugend macht, das ist die präzise historische Recherche und die Sinnlichkeit des Buches.
Wie nähert sich Catherine Donzel nun diesem Riesen-Thema, das ja 80 Jahre, also von 1850 bis 1930 abdecken will?
Nun, Catherine Donzel hatte eine geniale Idee, um ihrem Buch eine eigene, konsumierbare Struktur zu geben: nur vier Kapitel, die da heißen: Das Meer vergessen, das Einschiffen, die Überfahrt, die Ankunft. Das heißt, das ganze Buch ist wie eine einzige große Fahrt, an der der Leser teilnimmt. Und in dem Kapitel "die Überfahrt" beschreibt sie zum Beispiel scheußliche Atlantik-Überquerungen von Charles Dickens oder Jules Verne um 1850 oder eben ganz anders, die Hollywood-artigen Passagen um 1930.
Das erste Kapitel heißt "Das Meer vergessen". Ein wirklich genialer Trick, um den Leser neugierig zu machen. Und damit eröffnet Catherine Donzel gleich die ganze historische Bandbreite des Themas: Eine Ozeanreise zu machen, hatte früher zwei sehr unterschiedliche Seiten. Da waren einmal die Auswanderer, die Europa verließen, meist erbärmliche Gestalten, viele Kinder darunter mit meist ausgemergelten Gesichtern, - da übrigens bietet das Buch sehr seltene, bedrückende Fotografien. Und diese Auswanderer, die wollten das Meer um sich herum schon aus Angst und Not einfach nur vergessen.
Und auch die Luxus-Passagiere der Ersten Klasse entwickelten erst in den 20er und 30er Jahren überhaupt einen Sinn für das Meer als Element. Erst dann wurden die Schiffe technisch so modern, dass die Passagiere nicht mehr seekrank wurden. Bis dahin galt eine Außenkabine als bedrohlich, man wollte das Meer am besten gar nicht sehen, sondern einfach nur in einem Luxushotel absteigen, und eben das schreckliche Meer vergessen. Dabei halfen aberwitzige Menüs oder die überbordende Innenarchitektur dieser Schiffe mit klassizistischen Säulenhallen oder Rokoko-Albträumen, und Treppen, Treppen ohne Ende, denn im Text erfahren wir, dass die berühmte Show-Treppe, die wir aus Film und Fernsehen kennen, an Bord dieser Luxus-Liner geboren wurde: Das war die Treppe zum Speisesaal der Ersten Klasse.
Und das Buch vermittelt authentisch das Leben an Bord auf Luxus-Linern: Der Tag vergeht wie im Flug, denn man zieht sich alleine dreimal um, was vorgeschrieben ist; die Wege sind kurz, kaum 100 Meter bis zur nächsten Bar oder zu einem Restaurant. Der Flirt wird zu einer Art Gesellschaftsspiel. Ein Buch, um vom Paradies zu träumen.
Catherine Donzel: "Legendäre Ozeanreisen - Die große Zeit der Passagierschiffe 1850 bis 1930"
Übersetzt aus dem Französischen von Marianne Glaßer
Frederking und Thaler Verlag 2006,
191 Seiten, 39.90 €.
Also Anlass genug, ein Sachbuch zu diesem Thema herauszubringen; getan hat das die französische Historikerin Catherine Donzel, ihr Buch heißt "Legendäre Ozeanreisen - Die große Zeit der Passagierschiffe 1850 bis 1930". Auf den ersten Blick ein wundervolles Coffee-Table-Buch, das man sich auf den Couch-Tisch legt oder als Schmuckstück ins Regal stellt. Aber es sind auch die Texte, die beeindrucken, historisch sehr sauber gearbeitet, geben sie dem Laien einen schnellen wie tiefen Überblick, und, wie auch die Fotos per se, sind auch die Texte bemüht, Geschichte sinnlich zu vermitteln.
Das Buch bietet eine wundervolle Blütenlese an Zitaten von berühmten Schriftstellern oder Schauspielern, die Ozeanreisen gemacht haben wie Thomas Mann, Stefan Zweig oder Marlene Dietrich, die beschreibt, wie sie tagelang ihre seekranke Zofe pflegen musste. Was dieses Buch so überzeugend macht, das ist die präzise historische Recherche und die Sinnlichkeit des Buches.
Wie nähert sich Catherine Donzel nun diesem Riesen-Thema, das ja 80 Jahre, also von 1850 bis 1930 abdecken will?
Nun, Catherine Donzel hatte eine geniale Idee, um ihrem Buch eine eigene, konsumierbare Struktur zu geben: nur vier Kapitel, die da heißen: Das Meer vergessen, das Einschiffen, die Überfahrt, die Ankunft. Das heißt, das ganze Buch ist wie eine einzige große Fahrt, an der der Leser teilnimmt. Und in dem Kapitel "die Überfahrt" beschreibt sie zum Beispiel scheußliche Atlantik-Überquerungen von Charles Dickens oder Jules Verne um 1850 oder eben ganz anders, die Hollywood-artigen Passagen um 1930.
Das erste Kapitel heißt "Das Meer vergessen". Ein wirklich genialer Trick, um den Leser neugierig zu machen. Und damit eröffnet Catherine Donzel gleich die ganze historische Bandbreite des Themas: Eine Ozeanreise zu machen, hatte früher zwei sehr unterschiedliche Seiten. Da waren einmal die Auswanderer, die Europa verließen, meist erbärmliche Gestalten, viele Kinder darunter mit meist ausgemergelten Gesichtern, - da übrigens bietet das Buch sehr seltene, bedrückende Fotografien. Und diese Auswanderer, die wollten das Meer um sich herum schon aus Angst und Not einfach nur vergessen.
Und auch die Luxus-Passagiere der Ersten Klasse entwickelten erst in den 20er und 30er Jahren überhaupt einen Sinn für das Meer als Element. Erst dann wurden die Schiffe technisch so modern, dass die Passagiere nicht mehr seekrank wurden. Bis dahin galt eine Außenkabine als bedrohlich, man wollte das Meer am besten gar nicht sehen, sondern einfach nur in einem Luxushotel absteigen, und eben das schreckliche Meer vergessen. Dabei halfen aberwitzige Menüs oder die überbordende Innenarchitektur dieser Schiffe mit klassizistischen Säulenhallen oder Rokoko-Albträumen, und Treppen, Treppen ohne Ende, denn im Text erfahren wir, dass die berühmte Show-Treppe, die wir aus Film und Fernsehen kennen, an Bord dieser Luxus-Liner geboren wurde: Das war die Treppe zum Speisesaal der Ersten Klasse.
Und das Buch vermittelt authentisch das Leben an Bord auf Luxus-Linern: Der Tag vergeht wie im Flug, denn man zieht sich alleine dreimal um, was vorgeschrieben ist; die Wege sind kurz, kaum 100 Meter bis zur nächsten Bar oder zu einem Restaurant. Der Flirt wird zu einer Art Gesellschaftsspiel. Ein Buch, um vom Paradies zu träumen.
Catherine Donzel: "Legendäre Ozeanreisen - Die große Zeit der Passagierschiffe 1850 bis 1930"
Übersetzt aus dem Französischen von Marianne Glaßer
Frederking und Thaler Verlag 2006,
191 Seiten, 39.90 €.