Meeresforschung

Algenschleim als CO2-Speicher

07:36 Minuten
Unterwasseraufnahme des Blasentangs mit länglichen, gelbgrünen Blättern.
Der Blasentang sondert einen Polymerschleim aus Zucker ab, der dauerhaft CO2 speichert. © picture alliance / Hinrich Bäsemann
Von Marko Pauli · 02.02.2023
Audio herunterladen
Durch Menschen verursachte CO2-Emissionen zu verringern, ist das Gebot der Stunde. Gleichzeitig sind Forschende auf der Suche nach in der Natur vorkommenden echten Kohlenstoffsenken. Im Meer haben sie nun eine sehr interessante Entdeckung gemacht.
Tangwälder, das sind die unterseeischen Gegenstücke zu Regenwäldern. In ihnen ist das größte festsitzende Meereslebewesen zu Hause, der Riesentang, eine bis zu 45 Meter lange Braunalge. Von ihrem krallenartigen Haftorgan über den Mittelbau bis in ihre Krone bietet sie Nahrung und Lebensräume für eine große Artenvielfalt. Unter den etwa 1850 Braunalgenarten befindet sich auch der Blasentang, der in Nord- und Ostsee sowie im Nordatlantik verbreitet ist.
Eine Forschungsgruppe vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie berichtet in einer im Dezember erschienenen Studie davon, dass diese Alge eine auffällige Fähigkeit zeigt, Kohlenstoff zu binden.
„Diese Art von Braunalgen, die wir untersucht haben, machen Fotosynthese, wie alle Algen und alle Pflanzen auf der Erde, und Fotosynthese ist die Umwandlung von Kohlenstoffdioxid in Zucker“, erzählt Professor Jan-Hendrik Hehemann. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Glykobiochemie in Bremen.

Algen, die ein Polymer aus Zucker absondern

„Was wir herausgefunden haben, ist, dass eine Art von Zucker – der heißt Fucoidan, das ist ein Polymer aus Zucker – von den Algen in großer Menge ins Meer Wasser abgeschieden wird und schwierig abzubauen ist und somit eine mögliche Kohlenstoffsenke darstellen kann“, erklärt er.

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Die Algen nehmen also das CO2 auf, machen einen Schleim aus Fucoidan daraus und sondern diesen dann ins Wasser ab. Das Besondere an diesem süßen Schleim sei, dass er nicht von Mikroorganismen gefressen wird, sagt Inga Hellige, Doktorandin und Mitautorin der Studie.
„Das ist so komplex, dass die meisten Bakterien das überhaupt nicht schaffen oder dass das viel zu viel Arbeit wäre. Wahrscheinlich dadurch kann dieser Zucker überhaupt erst dann auch in der Wassersäule überstehen“, sagt sie.
Hagen Buck-Wiese, ebenfalls Doktorand in der Forschungsgruppe, hat die Studie zum Blasentang ins Leben gerufen. Die Bohrkernproben vom Meeresboden zeigen, sagt er, dass der Schleim tatsächlich dort unten bleibt.
„Den findet man in Sediment, das Hunderte, sogar 1500 Jahre alt ist. Sie müssen sich das so vorstellen: Das ist dann so ein Kern, der aus dem Sediment genommen wird“, erklärt er.

Das heißt, das Material, das ganz unten ist, das kann gar nicht von oben innerhalb der letzten 200 Jahre da runtergekommen sein. Sondern das muss dann 1500 Jahre alt sein. Das bedeutet wirklich, dass der Zucker 1500 Jahre im Sediment nicht abgebaut wurde.

Hagen Buck-Wiese, Doktorand

Ein Schleim als echte CO2-Senke

Demnach ist dieser Schleim also eine echte CO2-Senke, der von den Algen auch noch beständig nachgeliefert wird. Doch warum machen die Algen das überhaupt und immer wieder, Schleim absondern?
„Es gibt Literatur aus der Medizin und da wird vielfach gezeigt, dass dieses Molekül, dieses Fucoidan, gegen Viren, Bakterien und verschiedene Arten von Pathogenen hilft. Und wenn man diese verschiedenartigen Studien verbindet, könnte es so sein, dass Algen das machen, um sich zu schützen, wie so eine Creme, um eine saubere Oberfläche zu haben. Dadurch, dass das ja so löslich ist, muss man diese schleimige Schutzschicht die ganze Zeit nachliefern, denn sonst trägt sie sich zu schnell ab“, erläutert Jan-Hendrik Hehemann.
Und weiter: „Wir machen das übrigens auch. Wir haben auch eine schleimige Schutzsicht in unserem Mund, sondern die ganze Zeit Schleim ab. Dasselbe findet statt in unserer Nase, und das sind auch zuckerhaltige Verbindungen, die dem Schutz des Menschen dienen, der menschlichen Zellen.“

Somit könnte dieser Zuckerschutz nicht nur dazu dienen, die Alge zu schützen, sondern, wenn man das hochskaliert, auch den Planeten.

Jan-Hendrik Hehemann, Biochemiker

Insgesamt nehmen die marinen Ökosysteme rund 292 Milliarden Tonnen CO2 auf, 285 Milliarden Tonnen geben sie wieder ab. Etwa 50 Milliarden Tonnen werden allein von Algen aus der Atmosphäre geholt. Fucoidan kommt in fast allen Braunalgen vor, ob es auch alle freisetzen, wird derzeit untersucht.
„Das Potenzial ist da, würden die Algen 20 Prozent Fucoidan machen und es würde alles sekretisiert werden, dann könnten wir das kompensieren unsere Emissionen“, sagt Hagen Buck-Wiese.

Küstenökosysteme besonders effizient

Nach Schätzungen wird in den Ozeanen bis zu 20-mal so viel Kohlenstoff gespeichert wie in den Wäldern an Land. Es sind vor allem die Küstenökosysteme mit ihren Seegras- und Salzwiesen, Mangroven und Tangwäldern, die dabei besonders effizient sind: Blue Carbon, Blauer Kohlenstoff, ist der Sammelbegriff für das dort gebundene CO2.
„Diese Blue-Carbon-Ökosysteme, die speichern normalerweise den Kohlenstoff unterirdisch. Unter den Mangroven, unter dem Seegras entstehen Zonen ohne Sauerstoff, wo Bakterien es viel schwerer haben, organischen Kohlenstoff aufzufressen, einfach weil sie keinen Sauerstoff zur Verfügung haben. Deswegen können diese Ökosysteme so viel Kohlenstoff einspeichern“, erklärt Hagen Buck-Wiese.
Die nahe liegende Idee ist, mehr von diesen Ökosystemen in die Ozeane zu bringen, doch stattdessen werden jedes Jahr Verluste verzeichnet, dafür sorgen die wärmer werdenden Meere, aber auch die Grundschleppnetze der Fischer. Der geplante Abbau von Manganknollen bedeutet eine weitere Bedrohung für sie.
Der Fokus sollte in der Erforschung und vor allem im Erhalt liegen, sagt Inga Hellige.

„Wenn die nicht mehr intakt sind, dann wird das ganze CO2, das schon gespeichert ist, wieder frei werden. Aber natürlich kann man das theoretisch dann mit Aufforstung wie auch immer noch vergrößern. Aber das Wichtigste ist vor allem, dass die Ökosysteme da bleiben.

Inga Hellige, Doktorandin

Wenn gezielt in Ökosysteme eingegriffen wird, um etwa die Fähigkeit CO2 zu speichern zu erhöhen, wird von Geo-Engineering gesprochen. Könnte man nachhelfen, neue Tangwälder im Meer zu pflanzen, oder würde man damit zu stark das Ökosystem beeinflussen?

„Das ist alles voll mit Leben“

Es könne sein, sagt Jan-Hendrik Hehemann, dass die Natur bereits selbst auf das zunehmende CO2 reagiert, so gebe es ja derzeit eine auffällige Zunahme von Braunalgenteppichen im Mittelatlantik.
„Vielleicht ist diese Ausbreitung von schwimmenden Makroalgen eine Reaktion auf die sich ändernde Welt, wo es wärmer wird und die Atmosphäre mehr CO2 enthält. Vielleicht passiert das schon. Und zu dem Punkt, ob es vielleicht gefährlich ist, die vorher bestehenden Makroalgenwälder wieder einen Zustand zu bringen, wo sie bereits früher gewesen sind“, sagt er.
Und weiter: „Wann auch immer man sich Makroalgen anguckt und dann mal rein taucht, sieht man einfach die gesündesten Ökosysteme, die man überhaupt sehen kann. Das ist alles voll mit Leben. Wenn man die Kelpwälder vor Kalifornien betrachtet: Da lebten Otter, Seesterne, Seeigel, Muscheln, ein riesiges Nahrungsnetz, das nur auf diese Algen angewiesen war. Von daher sehe ich, die Gefahr ist größer, wenn diese Algen weniger werden, als wenn wir ihn helfen, mehr zu werden.“
Die Förderung von Blue-Carbon-Ökosystemen und eine Einbindung in Klimaschutzstrategien könnte nicht nur der Kohlenstoffspeicherung dienen, sondern auch bedrohte Arten und Lebensräume schützen.
Mehr zum Thema