Mediziner über Coronatests

Priorität haben die schweren Fälle

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Laboruntersuchung von SARS-CoV-2 in einem tschechischen Labor in . Eine medizinische Mitarbeiterin hält eine Blutprobe in die Kamera.
In Deutschland können in einer Woche ungefähr 160.000 Coronatests durchgeführt werden, sagt Mediziner Stephan Hofmeister. © picture alliance/dpa/Lukas Kabon
Stephan Hofmeister im Gespräch mit Axel Rahmlow  · 18.03.2020
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Viele Menschen wollen sich derzeit auf Corona testen lassen. Die Test-Kapazitäten seien allerdings begrenzt, sagt der Hausarzt Stephan Hofmeister. Schwere Fälle hätten Vorrang - und außerdem mache es gar keinen Sinn, alle zu testen.
Zehntausende Menschen sind zurzeit in Quarantäne zu Hause, weil jemand in ihrem Umfeld das Coronavirus hat oder es haben könnte. Sie wollen wissen, ob sie infiziert sind, stecken aber in langen Warteschleifen von Hotlines fest oder bekommen bei den Gesundheitsämtern nur die Auskunft, zu Hause zu bleiben. Wir haben darüber mit Stefan Hofmeister, Hausarzt und stellvertretener Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, gesprochen.
Ungefähr 160.000 Tests könnten zurzeit in der Woche durchgeführt werden, sagt der Mediziner. Weltweit sei die Nachfrage nach Coronatests sehr hoch. Auch die Laborkapazitäten seien aktuell begrenzt. Deutschland sei dennoch momentan das Land, das die meisten Tests anbieten würde. Man sei aber am Limit: "Noch viel mehr wird sich in kurzer Zeit nicht realisieren lassen."

Ausnahmesituation für alle

Hofmeister nennt drei konkrete Voraussetzungen, wann ein Test auf den Coronavirus "essentiell" ist: Wenn ein Bürger oder eine Bürgerin aus einem Risikogebiet zurückkehrt, wie sie vom Robert Koch-Institut definiert werden. Wenn jemand unmittelbaren Kontakt mit einer infizierten Person hatte – mindestens 15 Minuten in näherer Distanz. Und wenn Erkältungszeichen der oberen Atemwege wie Halsschmerzen, Fieber und Gliederschmerzen auftreten.
Hofmeister sagt, er könne "absolut" verstehen, dass Menschen panisch reagierten, wenn sie zu Hause in Quarantäne ausharren müssten und keinen Test machen könnten. "Das ist eine Ausnahmesituation für alle. Eine Situation, die wir so hier noch nie hatten." Es sei nachvollziehbar, dass jeder sich aktuell gern testen lassen wolle. Die Testmöglichkeiten seien aber eben limitiert.

"Es macht keinen Sinn, alle zu testen"

Es müsse sehr genau geschaut werden, wer wirklich einen Test benötige, sagt der Arzt. Außerdem sei es epidemiologisch "überhaupt nicht sinnvoll", alle Menschen zu testen. Personen, bei denen der Test negativ ausfalle, könnten sich eine Stunde später beim Rausgehen anstecken und es müsse wieder getestet werden.
Es gehe auch nicht um die Schwere der Symptome, so Hofmeister. Wer schwere Symptome habe, müsse – nach Voranmeldung – zur Abklärung sowieso einen Arzt oder eine Klinik aufsuchen. "Wenn Sie hohes Fieber und Kurzluftigkeit haben, müssen Sie zum Arzt." Bei schweren Symptomen werde dieser dann einen Test machen.
In den meisten Fällen verlaufe die Krankheit "völlig unauffällig". Es gebe bisher auch keine Therapie, um eine Verschlimmerung zu verhindern. Ein Test würde daher – bei leichten Symptomen – auch nicht helfen. Vorausgesetzt, man gehöre nicht zu den Risikopatienten.
"Wer leicht erkältet ist, soll sich isolieren, soll sich fernhalten, soll sich zurückziehen. Das gilt aber auch, wenn er eine Influenza oder wenn er andere Infekte hat. Und hier gilt es doppelt, weil das System an seine Belastungsgrenzen kommt."

(jde)
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