Medienrecht versus Medienmarkt

Von Michael Meyer |
Das Medienkonzentrationsrecht steht angesichts wirtschaftlich schwieriger Zeiten einmal mehr auf dem Prüfstand. Gerade kleinere, mittelgroße Verlage dürfen oft nicht mit benachbarten Zeitungshäusern fusionieren. Und der Aspekt der "vorherrschenden Meinungsmacht", die es zu unterbinden gelte, ist im Zeitalter des Internets schwer durchschaubar. Wie viel Medienkonzentration erlaubt sein soll, darüber diskutierten Verleger und Medienvertreter jetzt in Berlin.
Die Debatte um die Medienkonzentration in Deutschland wird bereits seit Jahren geführt. Vor sieben Jahren etwa diskutierten Medienrechtler und Verlage darüber, ob es zulässig sei, dass der Holtzbrinck-Verlag in der Hauptstadt neben dem "Tagesspiegel" auch die "Berliner Zeitung" halten dürfte. Das Kartellamt kam zu dem Schluss: Nein, das darf er nicht. Daraufhin übernahm der britische Medieninvestor David Montgomery den Verlag. Nun, nach mehr als fünf Jahren, kaufte der Kölner Dumont-Verlag zusammen mit dem Heinen-Verlag die "Berliner Zeitung" - was erstmals dem Blatt wieder Entwicklungsperspektiven ermögliche, wie Verleger Helmut Heinen sagt:

"Grundsätzlich glauben wir natürlich, genauso wie das Haus DuMont Schauberg an eine lange, gute Zukunft von Print, irgendwann wird Print nicht mehr an Papier gebunden sein, sondern andere Übertragungswege im Vordergrund stehen, aber wir sehen natürlich auch den Vorteil eines größeren Verbundes, vor allem, da es bei uns Titel gibt, die durchaus Berührungspunkte haben, zumindest punktuell, so dass wir durchaus Vorteile daraus ziehen können."

Sprich: Man will Synergie-Effekte erzielen durch Zusammenarbeit von Redaktionen, gemeinsame Beilagen erstellen und ähnliches. Die Übernahme der "Berliner Zeitung" durch DuMont und Heinen war unproblematisch, das Kartellamt hatte keine Einwände, weil der DuMont-Verlag bislang auf dem Berliner Markt nicht vertreten ist.

Das bundesdeutsche Medienkonzentrationsrecht unterscheidet zwischen zwei Bereichen: den wirtschaftlichen Bereich, den das Bundeskartellamt untersucht, und den Aspekt der "vorherrschenden Meinungsmacht", die es zu unterbinden gilt. Die Meinungsmacht wird aber in Deutschland nur beim Fernsehen intensiv untersucht. Dort herrscht das sogenannte "Zuschaueranteilsmodell": Konzerne, die 30 Prozent der Zuschauer erreichen, dürfen keine weiteren Sender dazukaufen; wenn sie auch in anderen Medienmärkten vertreten sind, dürfen sie sogar nur 25 Prozent der Zuschauer erreichen. Begründet wird dies mit der "Suggestivkraft" der Fernsehbilder.

Vor einigen Jahren bekam diese Regelung der Axel Springer Verlag zu spüren, der nach der PRO7SAT1-Gruppe griff: Die zuständige Kontrollkommission namens "KEK" untersagte den Zusammenschluss, weil der Springer-Verlag zusammen mit der "BILD"-Zeitung und anderen Zeitschriften des Verlags eine überbordende Meinungsmacht erreicht hätte. Der Springer-Verlag klagte gegen den Entscheid, verlor aber in der ersten Instanz.

Für den Vorstandsvorsitzenden Matthias Döpfner ist der Fall noch immer ein Ärgernis, gerade im internationalen Vergleich. Wenn man immer nur auf den nationalen Markt schaue, dürfe man sich auch nicht wundern, wenn ausländische Investoren kämen, so Döpfner:

"Wenn sich gar nichts ändert, wird sich Europa weitgehend vom Medienwettbewerb abmelden und zur Quantité negligable werden. Die großen Kraftzentren sind und bleiben Amerika, China und Indien werden kommen, Arabien wird eine riesige Rolle spielen, und in diesen Kräften wird Europa keine Rolle mehr spielen, da kann Herr Sarkozy Purzelbäume schlagen, ohne Deutschland wird's nicht gehen, und wenn Europa im internationalen Wettbewerb mitspielen will, dann müssen wir ein paar Dinge anpassen ... Eigentlich ist das normales Geschäft, dass man seine Dinge adjustiert an die Realitäten, und das haben wir zu tun."

Das Hauptproblem des bundesdeutschen Medienkonzentrationsrechts ist sein weiter Interpretationsspielraum. Gerade wenn es um Zukäufe in anderen Märkten geht, haben die Medienrechtler der KEK, die die Meinungsmacht prüfen, ein nur sehr schwammiges gesetzliches Instrumentarium zur Verfügung - im Gegensatz zum Bundeskartellamt, das die wirtschaftliche Seite solcher Transaktionen präzise einordnen kann. Allerdings: Die zunehmende Bedeutung des Internets wird bislang im Medienrecht noch gar nicht berücksichtigt, daher fordert die RTL-Fernsehchefin Anke Schäferkordt:

"Wir brauchen sicher ein neues Medienkonzentrationsrecht, was alle Medien mit einbezieht, das eine ganzheitliche Betrachtung des Medienmarktes impliziert, ich denke, wir werden nicht umhinkommen, unterschiedliche Inhalte zu unterscheiden, wenn ich vom Fernsehen ausgehe, und unser eigenes Angebot sehe, würde ich in Frage stellen, dass das Haselhörnchen in SuperRTL die gleiche Meinungsrelevanz hat wie eine Nachrichten- oder politische Magazinsendung bei n-tv, wird heute aber gleichbehandelt."

Ein neues Medienkonzentrationsrecht, das präziser formuliert ist und die neuen Medien mit einschließt, ist in dieser Legislaturperiode kaum mehr wahrscheinlich, zumal die Meinungen in dieser Frage zwischen CDU und SPD weit auseinandergehen. Das Dringlichste bei der Neufassung des Gesetzes sei, meint der Medienrechtler Dieter Dörr, dass es mit den rasant schnellen Entwicklungen der elektronischen Medienmärkte Schritt halten müsse:

"Das Problem, das wir haben ist, dass im Internet neue Angebotsformen entstehen, die nicht mehr eindeutig zuordenbar sind. ( ... ) Sie haben neue Angebotsformen, die presseähnlicher sind, die einen, und fernsehähnlicher die anderen. Da ist die erste Aufgabe für den Gesetzgeber, in welchen Regulierungsrahmen will ich die einbeziehen, also wie man eine vernünftige abgestufte Regulierung schafft, die eben auch Entwicklungsmöglichkeiten eben offenhält."