Der Preis M100 wird seit 2005 jedes Jahr an Menschen vergeben, die sich für die europäische Verständigung sowie Meinungs- und Pressefreiheit einsetzen. Im vergangenen Jahr erhielten der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny und seine Anti-Korruptionsstiftung FBK die Auszeichnung. Weitere Preisträger sind unter anderen der italienische Schriftsteller Roberto Saviano, der dänische Karikaturist Kurt Westergaard und das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo".
Medienpreis für das ukrainische Volk
"Die Ukrainer haben kein Wohnzimmer": Ex-Schwergewichtsboxer Wladimir Klitschko (Mitte) neben Bundeskanzler Scholz. © picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka
Anerkennung von Mut und Standhaftigkeit
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Das ukrainische Volk ist mit dem Medienpreis M100 ausgezeichnet worden. Der frühere Box-Weltmeister Wladimir Klitschko nahm die Auszeichnung in Potsdam stellvertretend für seine Landsleute entgegen. Dabei äußerte er sich auch zu deutschen Debatten.
Ex-Schwergewichtsboxer Wladimir Klitschko nahm stellvertretend für die ukrainische Öffentlichkeit die Auszeichnung des M100-Medienpreises entgegen. Gestern aus Kiew nach Deutschland gekommen, präsentierte er die ukrainischen Forderungen nach Waffenlieferungen. Und er richtete auch ein Wort an die Kritiker der Sanktionen, die fürchten, im Winter zu frieren.
„Ich habe auch die Diskussion mitbekommen, dass man zwei, drei Grad weniger im Wohnzimmer haben kann. Ukrainer haben gar kein Wohnzimmer, es werden weiter Wohnviertel zerstört – und das sind Sachen, die nicht vergleichbar sind.“
Laudator Bundeskanzler Olaf Scholz betonte in seiner Rede, dass Putin den Krieg nicht gewinnen werde. Zudem habe sich Deutschland eingereiht in die Länder, die am meisten Waffen in die Ukraine lieferten. Auch der frühere Präsident des Europäischen Rates, der Pole Donald Tusk, war Gast des Medientreffens und entgegnete, es gebe keinen Grund, dass Länder wie Deutschland die Ukraine weniger unterstützten als es etwa Polen oder die USA tun würden.
Bereits am Vormittag stand der Überfall Russlands auf die Ukraine im Mittelpunkt eines Kolloquiums.
Auszeichnungen allein reichen nicht
Unabhängige Medien seien mehr denn je dringend nötig, da sie ein Garant für Demokratie und Menschenrechte seien, hieß es bei der Mehrzahl der Teilnehmer.
Putin werfe nicht nur Bomben auf unschuldige Menschen, sondern führe zudem einen Informationskrieg, so die 33-Jährige Olga Rudenko. Sie ist Chefredakteurin des unabhängigen, spendenfinanzierten Online-Portals „Kyiv Independent“ und hat die Eröffnungsrede auf dem Potsdamer Medienkongress gehalten.
Es gehe im Krieg nicht allein um die Ukraine, sondern um ganz Europa, die Freiheit stehe auf dem Spiel, unterstreicht Rudenko. Es reiche nicht aus, Preise zu verleihen, man sollte alle mögliche Hilfe geben, die die Ukraine erbittet: "Je mehr und je schneller wir Hilfe und Unterstützung bekommen, desto eher wird der Krieg enden."
Kritischer Journalismus in Kriegszeiten
Für ukrainische Journalisten ist es derzeit unmöglich, an die Front zu fahren, um von dort unabhängig zu berichten, erzählt die Journalistin. Man sei gleichermaßen Bürger und Journalist eines Landes im Krieg, weshalb es auch mitunter schwierig sei, kritisch zu berichten - auch aus Sorge den russischen Besatzern in die Hände zu spielen.
Ich denke, wir finden Wege, um ein Gleichgewicht in der Berichterstattung zu erreichen. Wir arbeiten nicht wie eine Propaganda-Stelle. Es ist ein sehr kompliziertes Leben: Du triffst jeden Tag viele Entscheidungen und es gibt kein Lehrbuch dazu. Wir müssen dem Instinkt und unserer Intuition folgen – und hoffen, dass wir im Moment die richtige Entscheidung treffen.
Rudenko hat in Dnipro Journalismus studiert. Bis 2021 war sie bei der „Kyiv Post“. Sie wurde entlassen, nachdem der Eigentümer, ein Oligarch, keine unabhängige Berichterstattung mehr wollte. Nach ihrem Wechsel zum „Kyiv Independent“ schaffte sie es im Mai auf die Titelseite des „Time Magazine“.
Kampf gegen russische Desinformation
Einer der etwa 70 Teilnehmer*innen des Kolloquiums ist der im deutschen Exil lebende türkische Journalist Can Dündar.

Setzt sich für unabhängige Nachrichten ein: der Journalist Can Dündar. © imago images / Horst Galuschka
Der frühere Chefredakteur der türkischen Zeitung "Cumhuriyet" leitet heute beim unabhängigen Rechercheportal CORRECTIV das Projekt #ÖZGÜRÜZ, ein türkischsprachiges Medium, das über soziale Medien unabhängige Nachrichten verbreitet.
Dündar unterstreicht, dass gerade ukrainische Journalisten Unterstützung und Hilfe im Kampf gegen russische Desinformation und gesteuerte Fake-News benötigten:
Wir brauchen mutige Journalisten und unabhängige Organisationen für den Faktencheck, um die Menschen mit wahren Informationen zu füttern.
Ein Preis für das ukrainische Volk sei nur eine symbolische Geste, sagt Dündar. Um die Ukraine praktisch zu unterstützen, brauche es aber mehr als das. Denn der Angriff Russlands auf die Ukraine sei auch ein Angriff auf die freie Welt.