Medienpreis für Fanta 4

"Für Deutschrap braucht man mehr Hirnschmalz"

Die Fantastischen Vier stehen beim Benefiz-Konzert «Peace x Peace» zugunsten von Kriegs- und Flüchtlingskindern am 18.06.2017 auf der Waldbühne in Berlin. Foto: Jörg Carstensen/dpa
Die Fantastischen Vier beim Benefiz-Konzert "Peace x Peace" im Juni 2017 in der Berliner Waldbühne. © picture alliance / Jörg Carstensen/dpa
Thomas D im Gespräch mit Ute Welty · 07.04.2018
Weil sie Deutschrap salonfähig gemacht haben, wird den "Fanta 4" der Medienpreis für Sprachkultur verliehen. Wie sich Deutschrap seit den Anfängen verändert hat und wieso es schwieriger ist, auf Deutsch zu rappen, erklärt uns Thomas D im Interview.
Ihr Song "Die da?!" war 1992 der erste Charterfolg eines Deutschrap-Songs und machte die Band "Die Fantastischen Vier" über Nacht bekannt. Fast 30 Jahre später rappen die vier Stuttgarter immer noch. Am Sonnabend wird ihnen in Wiesbaden der Medienpreis für Sprachkultur der Gesellschaft für deutsche Sprache verliehen. Von Anfang an hätte die Band auf die deutsche Sprache gesetzt und Deutschrap überhaupt erst salonfähig gemacht, begründete die Jury ihre Entscheidung.
Dabei stand Deutschrap nicht von Anfang an auf der Agenda der Musiker. Das habe sich vielmehr entwickelt, als nach seiner Friseurlehre mit seinem Musikerkollegen Smudo einige Monate durch die USA getingelt sei, so Thomas D im Deutschlandfunk Kultur.
"Wir kommen nach Amerika und sagen: 'Ey, hier, wir sind's, die Weißkohlrapper aus Deutschland!' Und alle so: 'Ist klar…' - 'Doch, wir können auch rappen!' Und haben dann gerappt auf Englisch. Und das war für alle Beteiligten ein Fremdschämen de luxe."
Also hätten sie auf Deutsch gerappt. "Und dann waren die Amis so: Ok, das ist cool! Das ist cool, Leute! Das ist authentisch. Das seid ihr. Sofort spürbar, obwohl ich kein Wort verstehe, aber ich merke, das meint ihr ernst. Und das gerade eben war Klamauk. Und da haben wir gemerkt, ich glaube, die haben Recht!"

Im Deutschen gibt es weniger Reimwörter

Um auf Deutsch zu rappen, brauche es wahrscheinlich mehr Hirnschmalz als amerikanischer Rap, da sich weniger Worte reimten als im Englischen. Auch der Satzbau des Deutschen erschwere das Reimen: "Das ist ein Problem."
Dass die deutsche Sprache für viele hart und eckig klingt, sei hingegen keins, meint Thomas D. "Gerade weil es ja auch so ein bisschen eckig ist, wenn man dann so rappt."

"Quantensprung an Qualität"

Gegenüber früher habe es beim Rap einen "Quantensprung an Qualität, an Reimdichte, an Wortspielereien, an Bildern" gegeben, so Thomas D. "Da sind wir ja noch old school. Das heißt, wie die Kids heute reimen, ist schon wieder teilweise eine ganz andere Baustelle."
Doch auch "Fanta 4" hat sich in den fast 30 Jahren seines Bestehens verändert. "Wir sind sarkastischer, wir sind ironischer geworden. Wir haben auch eine Selbstironie entwickelt, die wir am Anfang wahrscheinlich noch nicht so hatten", sagt Thomas D. Auch habe man inzwischen eigenständige Themen, die nicht vom Amerikanischen "abgekupfert" seien: "Die Fantas sind viel vielschichtiger geworden."
(uko)

Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: "Tunnel" vom neuen Fanta-4-Album "Captain Fantastic". Bevor dann die Tour losgeht am 27. April mit dem Konzert in Dortmund heute nun die Preisverleihung in Wiesbaden für deutsche Sprachkultur. Und mit Thomas D habe ich über sein Verhältnis zur deutschen gesprochen, und ich wollte wissen, weil er sich für sich gemerkt hat, dass da was geht von wegen Sprechgesang auf Deutsch.
Thomas D: Das war tatsächlich in Amerika. Der Smudo und ich sind ja nach meiner Friseurlehre und seinem Abitur mal ein knappes halbes Jahr in Amerika durch die Gegend getingelt, hatten da ja auch schon die Band, hatten hauptsächlich englische Texte geschrieben und haben aber auch schon ein paar deutsche gehabt. Und kommen nach Amerika und sagen, ey, hier wir sind's, die Weißbrot-Rapper aus Deutschland, und alle so, ist klar. Doch, wir können auch rappen, und haben dann gerappt auf Englisch, und das war für alle Beteiligten ein Fremdschämen de luxe.
Die haben dann so, oh je, oh je, ist das peinlich. Und dann haben wir auf Deutsch gerappt, und dann waren die Amis so: Okay, das ist cool, das ist cool Leute, das ist authentisch, das seid ihr, sofort spürbar, obwohl ich kein Wort verstehe, aber ich merke, das meint ihr ernst. Und das gerade eben war Klamauk, und da haben wir gemerkt, ja, ich glaube, die haben recht.
Welty: Dabei gilt Deutsch ja gemeinhin nicht gerade als rhythmisch und musikalisch, sondern eher als hart und spröde. Braucht es einen bestimmten Trick, um sich die Sprache gefügig zu machen?
Thomas D: Es bedarf wahrscheinlich mehr Hirnschmalz als amerikanischer Rap, aber das liegt auch daran, dass sich wenige Worte reimen. Und die Art, wie unser Satzbau ist, ermöglicht es nicht, ständig dieses … Bei den Amis ist es ganz leicht, viel leichter sag ich mal, alles zu reimen, und es reimt sich viel mehr. Das ist ein Problem. Ich finde, dass es hart und eckig ist, stand uns im rhythmischen Sprechgesang gar nicht entgegen tatsächlich, das war irgendwie ein Gefühl von das geht, gerade weil es ja auch so ein bisschen eckig ist, wenn man dann so rappt, mal ein bisschen übertrieben dargestellt.

Ein Bild oder eine Idee sind der Ursprung jedes Songs

Welty: Das heißt, Sie gehen wie vor, wenn es um einen neuen Text geht für einen neuen Song, wie setzen sich dann Bilder und Botschaften zusammen?
Thomas D: Es gibt mehrere Wege zum Ziel natürlich, die man auch teilweise parallel beschreitet. Der Ursprung ist immer eine Idee, der Ursprung ist immer ein Gefühl, ein Moment, manchmal ist der Ursprung auch einfach ein Bild in Form schon auch von einem Text. Ich hatte einen, der ist jetzt nicht genommen worden, aber den finde ich wundervoll, nur als Beispiel, der folgende Satz sagt alles, finde ich, und zwar, ich glaube, es sind mehrere Sätze. Es geht irgendwie so: Nimm den Kopf hoch, yeah, das sieht besser aus, komm, ich mach ein Foto aus der Hand mit uns beiden drauf. Wir halten diesen Augenblick für die Ewigkeit fest, ich schätze mal, dass Beste ist, wir lächeln jetzt.
Wow, das ist mir eingefallen, bin ich jetzt noch stolz, leider noch kein Song draus geworden, aber da ist alles: das Gefühl, die Message, unsere Erinnerung. Wenn wir uns später zurückerinnern an Momente unseres Lebens, dann will ich mich doch eigentlich lächeln sehen in diesem Moment, und deshalb sollten wir positiv durch die Welt gehen, aber gleichzeitig ist es ja auch ein Bild von mir und einem Fan, wie wir zusammen ein Foto machen, und das überträgt sich aber auf die Fotos in unserem Herzen, in unserem Kopf, was wir machen durch unser Leben. Und wenn du so was hast, so ein starkes Bild, so ein Gefühl, so eine Farbe, dann machst du drei Kreuze und sagst, jetzt fängt die harte Arbeit an, bis dahin war es Spaß.
Welty: Was ist denn dann die harte Arbeit?
Thomas D: Die Idee darf nicht kaputt gemacht werden, die darf nicht verwässert werden. Dieses Bild, was ich gerade gezeichnet habe, muss weiterhin strahlen, es muss erkennbar sein. Ich brauche aber drei Strophen, ne Bridge, ein Refrain, ich brauche dazu noch nen geilen Beat und ne Melodie und ne Liveumsetzung für die Bühne und so weiter. Und das ist die harte Arbeit, die dann dazugehört, bis dann so ein Stück im Radio oder irgendwo auf Platte ist und gehört werden kann, wo dann jeder wieder denkt, heissa, ganz einfach – ist doch ganz einfach, hört man doch, ist doch ganz leicht. Und die Leichtigkeit zu behalten, das ist das Schwierigste.

"Die Fantas sind viel vielschichtiger geworden"

Welty: Inwieweit hat sich das auch verändert, worauf legen Sie heute mehr Wert als vor fast 30 Jahren?
Thomas D: Wir haben die Ära der Double-Raps, Double-Rhymes, also sprich, du willst nen Double-Rhyme, sorry, da hab ich keinen – das ist zum Beispiel ein Double-Rhyme, dass sich nicht nur ein Wort reimt, es müssen sich mindestens zwei Worte reimen, vielleicht sogar drei. Es hat sich verändert, dass wir natürlich mehr … Wir sind sarkastischer, wir sind ironischer geworden, wir haben auch eine Selbstironie entwickelt, die wir am Anfang wahrscheinlich noch nicht so hatten. Unsere Themen, die am Anfang auch mehr dem Amerikanischen abgekupfert waren, sind natürlich mittlerweile selbstständig, eigenständig, und trotzdem nehmen wir uns nicht zu ernst.
Also, die Fantas sind viel vielschichtiger geworden. Das Rappen an sich, und da sind wir ja noch old school, das heißt, wie die Kids heute reimen, ist dann wieder teilweise eine ganz andere Baustelle, ist ja ein Quantensprung an Qualität, an Reimdichte, an Wortspielereien, an Bildern, die sie da präsentieren. Da gibt es also auch ganz grandiose Künstler in dem Bereich. Früher war alles noch wesentlich eindimensionaler, sag ich mal.
Welty: Wenn vier zusammensitzen, die der Sprache durchaus alle zugewandt sind, kommt es dann manchmal vor, dass man sein eigenes Wort nicht versteht?
Thomas D: Ich rede von Natur aus sehr laut, mich werden Sie auf jeden Fall verstehen. Der Andy ist meistens der, der untergeht dann in so einer hitzigen – nein, hitzig ist falsch gesagt – ich meine, mit drei Rappern hat er eben einen ganz schlechten Stand. Und das ist ja schon bei Interviews manchmal so, ich will was sagen, der Smudo kommt mir zuvor, und der Michi muss dann am Schluss uns beide noch korrigieren, damit er's auch richtig gesagt hat. Da denke ich auch immer, eh Leute, viel Spaß beim Zusammenschneiden.
Welty: Viel Spaß hab ich gehabt, danke schön!
Thomas D: Jawohl, gerne doch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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