Medienkritik

Wenn Statistiken in die Irre führen

Symbolfoto zur Statistik, aufgenommen an der Universität Jena.
Wie aussagekräftig sind Statistiken? © dpa / picture alliance / Universität Jena
Von Volkart Wildermuth · 10.09.2014
"Hai-Angriffe - doppelt so viele Tote wie 2009": Wegen solcher Meldungen küren Thomas Bauer, Gerd Gigerenzer und Walter Krämer in Kolumnen regelmäßig die Unstatistik des Monats. Einige der skurrilsten Beispiele versammelt nun dieses Buch.
"Hai-Angriffe: doppelt so viele Tote wie 2009"; "Bei 70 Prozent aller deutschen Großstädter Unkrautvernichtungsmittel im Urin nachgewiesen", "Polen sind fleißiger als Deutsche" - wenn der Ökonom Thomas Bauer, der Psychologe Gerd Gigerenzer und der Statistiker Walter Krämer am Morgen die Zeitung aufschlagen, dann ärgern sie sich über solche Meldungen, die sich zu Unrecht ein wissenschaftliches Mäntelchen umhängen.
Um ihrem Ärger Lust zu machen, küren die drei regelmäßig die Unstatistik des Monats. Ihr Buch "Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet" ist so etwas wie ein unterhaltsames Best-of dieser Internetkolumne.
Beispiel Hai-Opfer: Tatsächlich hatte sich die Zahl der Toten verdoppelt. Experten nennen das die relative Risikosteigerung. Sie klingt alarmierend, aber wenn man sich die absoluten Zahlen ansieht, kann man doch recht beruhigt ins Wasser steigen. 2009 starben sechs Menschen durch Haiangriffe.
2010 waren es doppelt so viele, also zwölf. Schlimm, aber tatsächlich fallen immer noch viel, viel weniger Menschen Haiangriffen zum Opfer, als Menschen beim Baden ertrinken. Immer wieder, so die Autoren, werden solche Entwicklungen von interessierter Seite aufgebläht, in dem statt der relevanten absoluten Risiken relative Werte angegeben werden.
Das könnte man ignorieren, aber schlechte Statistiken haben Nebenwirkungen. Beliebt ist, den Nutzen eines Medikaments in beeindruckenden relativen Zahlen anzugeben, die Probleme aber nur in scheinbar geringen absoluten Zahlen. Untersuchungen zeigen, dass so nicht nur Patienten, sondern auch viele Ärzte in die Irre geführt werden. Ein anderes Beispiel sind Alarmmeldungen über Chemikalien.
Es kommt immer auf das Kleingedruckte an
Allzu oft wird vermeldet, dieser oder jener Giftstoff sei irgendwo gefunden worden. Das aber belegt meist nur die ständig steigende Empfindlichkeit der Tests. Ob sich es sich aber um ein konkretes Problem handelt, kann nur ein Vergleich der gemessenen Konzentration mit dem Grenzwert zeigen. Doch dieser Vergleich wird oft vermieden, denn meist ist die angeblich gefährliche Chemikalie in der kleinen Menge eben gar nicht giftig.
Es kommt bei Statistiken immer auf das Kleingedruckte an, betont das Autorentrio. Leider wird dieses Kleingedruckte oft gerade nicht gedruckt oder als nichtssagender Zahlensalat serviert. Um den zu enttarnen, bedarf es keines Mathestudiums. Es reicht, zu wissen, wo Lücken in der Argumentation liegen.
Und das lernt man in diesem Buch quasi nebenbei, wenn die Autoren ihre Beispielstatistiken genüsslich auseinander nehmen. Ihr konkreter Ansatz macht es den Lesern leicht, ein eigenes Verständnis zu entwickeln. Allerdings ermüdet diese Aneinanderreihung nach einer Weile. Man merkt schnell, dass hier im Grunde einzelne Blogbeiträge hintereinander gestellt wurden, ohne für das Buch ein neues, übergreifendes Konzept entwickelt zu haben.
Trotzdem sind dem Buch viele Leserinnen und Leser zu wünschen. In einer einzigen Ausgabe der "FAZ" haben die Autoren 135 Prozentangaben gezählt. Statistiken sind beliebte, weil scheinbar objektive Argumente. Schon deshalb sollte jede/r ein wenig statistisches Denken beherrschen. Und da gibt es kaum einen einfacheren und amüsanteren Einstieg in die Materie als dieses Buch - oder die im Grunde ebenso informative und dazu noch kostenfreie Webseite www.unstatistik.de.
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