Medienjournalist zu "heute journal update"

Junge Leute brauchen keine eigene Nachrichtensendung

06:24 Minuten
Nazan Gökdemir und Hanna Zimmermann stehen mit verschränkten Armen vor einem blauen Hintergrund
Nazan Gökdemir und Hanna Zimmermann sind die Gesichter vom "heute journal update". © ZDF Marketing / Rico Rossival und Jana Kay
Daniel Bouhs im Gespräch mit Johannes Nichelmann · 04.08.2020
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Nach dem Ende des Nachrichtenformats „heute plus“ setzt das ZDF jetzt auf ein klassischeres „heute journal update“. Das füge sich in ein Gesamtbild, sagt Medienjournalist Daniel Bouhs: Aufwändige Formate für junge Menschen hätten sich überlebt.
Im April 2015 startete das ZDF ein neues Nachrichtenformat: "heute plus". Mit großer Präsenz in den sozialen Medien sollte es vor allem junge Zuschauer mit einer neuen Ansprache erreichen und an den Sender binden.
Das Format wurde jedoch vor einigen Wochen eingestellt. Folgen soll jetzt eine Art neues "heute journal". Es heißt "heute journal update" und sieht wesentlich klassischer aus als der Vorgänger.

Neue Führung, neue Strategie

Der Medienjournalist Daniel Bouhs führt die Entscheidung auch auf den Sparzwang im Sender zurück: Mehr als 400 Stellen habe das ZDF in den vergangenen Jahren streichen müssen.
Zudem hätten die verantwortlichen Strategen gewechselt: "heute plus"-Erfinder Elmar Theveßen sei jetzt in Washington, seine Nachfolgerin, Bettina Schausten, sei eine "sehr klassische Fernsehmacherin, die überhaupt nicht für digitale Projekte steht".
Schausten baue jetzt das Programm mit dem Ziel, eine starke Marke noch stärker zu machen, sagt Bouhs. Die Livestreams von "heute plus" zu aktuellen Themen und ausführlichere Gespräche solle es zwar weiter geben, jedoch seltener.
Die Einstellung von "heute plus" füge sich in ein größeres Bild ein, meint Bouhs: Viele ambitioniert gestartete junge Formate würden aufgegeben: Der "Spiegel"-Ableger "Bento" verschwindet noch in diesem Jahr. Das Portal "Ze.tt" wird bei "Zeit Online" eingegliedert.

Das Geld für neue Projekte fehlt

Die Abkehr von diesen Formaten habe vor allem damit zu tun, dass die Strategie, eine junge Zielgruppe über andere Plattformen und Marken ansprechen zu wollen, nicht aufgegangen sei, sagt Bouhs: "Damit fehlt jetzt das Spielgeld für Entwicklungsprojekte. Und Corona ist da ein Katalysator, weil es auch eine neue Medienkrise ausgelöst hat".
Diese Krise treffe aber nicht nur junge Angebote: Die "FAZ" habe zum Beispiel die "Woche" eingestellt – "auch das das Ende eines Experiments", sagt Bouhs.
Die Angebote speziell für eine junge Zielgruppe würden also weniger werden, einige hielten aber auch durch. Diejenigen, die nicht von Werbekunden abhängig seien: "Deutschlandfunk Nova" zum Beispiel, die Angebote von "Funk" – oder das große Social Media-Team der "Tagesschau" für TikTok beispielsweise.

Teasing über die sozialen Medien

"Ich glaube, diese Entwicklung zeigt, dass es ein Mythos war, zu glauben, dass ein sehr junges Publikum immer nur eigene Formate braucht."
Nötig sei eine geschickte "Anfütterung" in sozialen Netzwerken. Aber die großen Geschichten würden junge Leuten auch in der "Tagesschau" anschauen, sagt Bouhs: "Da braucht es – vielleicht ist das die zentrale Erkenntnis – diesen gigantischen Aufwand, den man da in den letzten Jahren betrieben hat für diese Zielgruppe, im Nachrichtengeschäft offensichtlich nicht."
(sed)
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