Medienjournalist Grimberg über "Bild"-Talkshow

Weniger Krawall als erwartet

07:41 Minuten
Der Screenshot zeigt die Begrüßungssequenz der Talkshow "Hier spricht das Volk". Im Vordergrund ist Moderator und "Bild"-Zeitungschefredakteur Julian Reichelt zu sehen.
Den "Bild"-Talk "Hier spricht das Volk", hier ein Screenshot des Videos, findet Medienjournalist Steffen Grimberg überraschend differenziert. © Bild.de
Steffen Grimberg im Gespräch mit Shanli Anwar · 03.02.2020
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"Bild" hat eine eigene Talkshow. Doch anders als erwartet, bewegt sich die Sendung nicht nur auf Stammtischniveau. Journalist Steffen Grimberg ist angenehm überrascht: "Hier spricht das Volk" sei immer dann differenziert, wenn die Leute aus ihrem Alltag berichten.
Seit dem heutigen Montag macht die Zeitung mit den vier großen Buchstaben eine eigene Talkshow. Diese "Bild"-Show, zu sehen auf Bild.de heißt "Hier spricht das Volk". Moderiert werden die gut 45 Minuten vom Chefredakteur Julian Reichelt. Der hat seit seinem Amtsantritt Deutschlands auflagenstärkstes Boulevardblatt nach Einschätzung vieler Medienexperten wieder kräftig Richtung krawallig und konservativ gebürstet. Das ließ für die Show einiges erwarten.
Medienjournalist Steffen Grimberg hat sich das neue Format angesehen und stellt überrascht fest: Die Show sei viel interessanter und differenzierter, als er dachte.

"Da kippt etwas"

Zwar steige Julian Reichelt wie erwartet in die Sendung ein. "Das heißt: Es geht um die ganz klassischen 'Bild'-Themen, um die Aufregerthemen – es geht um den Coronavirus, es geht um soziale Gerechtigkeit, es geht um innere Sicherheit und um Migration." Dann passiere aber etwas sehr Spannendes: "Da kippt nämlich etwas. Es wird nicht ganz so krawallig, wie Reichelt es sich vielleicht gewünscht hat." Denn immer dann, wenn die als angeblich repräsentativ für das Volk ausgewählten 15 Talkgäste – vom Model über den jungen Polizeibeamten bis hin zu Rentnern – aus ihrem Alltag erzählten, "dann wird das erstaunlich differenziert".
Etwa beim Thema Klimawandel: Die Talkgäste berichten, was sie im Einzelnen tun, um klimafreundlich zu leben – vom Pkw- und Fleischverzicht bis zur Wärmedämmung des Wohnhauses. "Und da wird schon klar: Da ist eine Botschaft angekommen", sagt Grimberg. Das widerspreche der angeblichen Mehrheitsmeinung, dass Deutschland sich mit seinem Bemühen, ein Musterschüler in Sachen Klimaschutz zu sein, allgemein "zum Deppen" mache.

"Bild"-Chef kein "touchy-feely"-Moderator

Für ihn sei die Sendung auch deshalb interessant, weil sie zwar zeige, welchen Einfluss die Medien nach wie vor auf die Meinung der Menschen hätten. Andererseits entlarvten jedoch Einzelne, wie der junge Polizist Niels, diese Medienberichterstattung auch klar als übertrieben oder falsch. So sagte der 29-Jährige etwa, entgegen Medienberichten sei die Jugendkriminalität zurückgegangen. "Und das nimmt dann gewissen Stammtischparolen ganz gut den Wind aus den Segeln", sagt Grimberg.
Julian Reichelt wiederum sei als Moderator keineswegs beschwichtigend und "touchy-feely" à la TV-Moderatoren wie Frank Plasberg. "Er fragt vor allem am Anfang sehr schnell und lässt eigentlich keine Differenzierung aufkommen – die Leute können selten mehr als drei Sätze sagen."
(mkn)
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