Demokratie

25 Jahre freie Wahlen in Ungarn

Bundeskanzlerin Merkel wird in Budapest vom ungarischen Ministerpräsidenten Orban mit Handkuss begrüßt.
Zur stärksten politischen Kraft des Landes entwickelte sich Fidesz, der rechtskonservative ungarische Bürgerbund, der heute mit Viktor Orbán den Ministerpräsidenten des Landes stellt. © picture alliance / dpa / Tibor Illyes
Von Doris Liebermann · 25.03.2015
Nach mehr als vier Jahrzehnten kommunistischer Herrschaft fand am 25. März 1990 die erste freie, demokratische Wahl in Ungarn statt. Sie besiegelte das Ende der "Diktatur des Proletariats" und das Ende des Einparteiensystems in Ungarn.
"Wir wollen einen Rechtsstaat aufbauen, ein Rechtsstaat kann der neuen Periode nicht mit unrechtlichen Problemen anfangen. Natürlich wir wollen einen anderen Staat, wollen wir eine andere Politik, eine andere Regierung und ein anderes Ungarn, und wir werden immer korrekt sein."
Schon Wochen vor der ersten demokratischen Wahl in Ungarn galt József Antall als aussichtsreichster Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten. Der ehemalige Gymnasiallehrer, Bibliothekar und Museologe war im Oktober 1989 zum Vorsitzenden seiner Partei gewählt worden: des Ungarischen Demokratischen Forums. Diese konservative Partei, vergleichbar der CDU, war 1987 gegründet worden; sie prägte die Transformation des politischen Systems Ungarns entscheidend mit. Der alte Machtapparat stellte damals noch die Regierung, befand sich aber schon in Auflösung. József Antall wusste um die Schwierigkeiten, die mit der Umwandlung des monolithisch geführten ehemaligen sozialistischen Systems in ein demokratisches Land verbunden sein würden.
"Die ungarische Bevölkerung hat jetzt Angst, kennt nicht genug gut eine funktionierende Marktwirtschaft. Die ganze Bevölkerung macht einige Skepsis, wie wird das in der Zukunft sein, die Arbeitslosigkeit heute steht schon vor den Türen."
Nervosität und Anspannung vor den Wahlen
Die letzten Wochen vor den ersten freien Wahlen waren von Nervosität und Anspannung gezeichnet. Statt der einen Staatspartei stellte sich nun eine verwirrende Vielzahl der Wahl: 53 Parteien hatten sich gebildet, darunter solche, die zwischen 1945 und 1948 legal gewirkt hatten und an ihre alten Parteiprogramme anknüpfen wollten: "Nostalgieparteien" genannt.
Zu ihnen zählte die Unabhängige Partei der Kleinlandwirte. Andere traten mit einem neuen, westlich orientierten Konzept auf und waren kaum voneinander zu unterscheiden. Der Bund Junger Demokraten - Fidesz -, 1988 gegründet, setzte auf eine neue Generation und nahm nur Mitglieder bis 35 Jahre auf. Der Schriftsteller György Konrád, der im sozialistischen Ungarn jahrelang nicht publizieren durfte, sah damals in dem Wahlkampf auch eine Art "Zirkus":
"Es war sehr leicht, weil jeder Heuchler und Hochstapler könnte eine Partei gründen mit zwölf andere Leute und könnte dafür ein bisschen Geld bekommen, auch von dem Staatsbudget. Und man konnte nicht prüfen, wie viele wirkliche Anhänger sie haben."
Am Wahlsonntag, dem 25. März 1990, gaben 63 Prozent der wahlberechtigten Ungarn ihre Stimmen ab. Erst nach dem zweiten Wahlgang am 8. April 1990 stand das „Ungarische Demokratische Forum" mit seinem Spitzenkandidaten József Antall als Sieger fest. Es erreichte 164 von insgesamt 386 Parlamentsplätzen, das entsprach 42,5 Prozent der Stimmen. Mit großem Abstand folgte der Hauptkonkurrent, der Bund Freier Demokraten, eine liberale Partei, die sich 1988 gegründet hatte.
Außenpolitische Wende
Nach dem Wahlsieg wurde József Antall zum Ministerpräsidenten ernannt und mit der Regierungsbildung beauftragt. Er schuf mit seiner Regierung die Voraussetzungen für die politische, wirtschaftliche und außenpolitische Wende in Ungarn. In der Außenpolitik setzte Antall auf eine "Westorientierung":
"Wir müssen in der Außenpolitik auch daran denken, dass was wird sein im Allgemeinen in Europa, in der Weltpolitik und natürlich in unseren Nachbarländern."
Antall erlebte das Ende seiner ersten Amtszeit nicht, er erlag 1993 einem Krebsleiden. Bis Ungarn in die Europäische Union aufgenommen wurde, sollte es noch über ein Jahrzehnt dauern - das war im Jahr 2004. Mit der Zeit verloren die beiden Wahlsieger von 1990 immer mehr an politischem Einfluss: 2011 löste sich das Ungarische Demokratische Forum auf, der Bund Freier Demokraten im Jahre 2013. Zur stärksten politischen Kraft des Landes entwickelte sich Fidesz, der rechtskonservative ungarische Bürgerbund, der heute mit Viktor Orbán den Ministerpräsidenten des Landes stellt.
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