Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin spielt George Walker

Streicherklänge für die Erinnerung

Hände von Cellisten streichen über die Saiten ihrer Instrumente.
Der Klang eines Streicherensembles ist besonders warm. © imago images / imagebroker
Moderation: Stefan Lang · 10.11.2020
Der Abend wird von "Lyric for Strings" vom Amerikaner George Walker geprägt - ein Schwelgen von Streichern in dankbaren Erinnerungen an die Kindheit mit seiner Großmutter. Die Streicherklänge dominieren auch den weiteren Abend.
Für seine Großmutter hat George Walker diesen Quartettsatz zu einem verinnerlichten Werk für Streichorchester umgearbeitet. "Lyric for Strings" eröffnete den Konzertabend, bei dem Mark Rohde seinen Einstand als Generalmusikdirektor am Pult der Staatskapelle gab.
George Walker gehört in Amerika zu den bekanntsten Komponisten, 2018 ist er im Alter von 96 Jahren gestorben. Sehr geschätzt wurde er auch als Pianist - über Jahrzehnte hat er junge Musiker an verschiedenen Universitäten ausgebildet.

Lamento für zarten Streicherklang

"Lyric for Strings" ist eigentlich ein Satz aus seinem Streichquartett, das er auskoppelte, um es für Streicher einzurichten. Dieses Stück entstand in Erinnerung und Verehrung an seine Großmutter, die noch als Sklavin aufwuchs. Es ist das inzwischen meist gespielte Werk von Walker.

Zweieinhalb Meter Klangfläche

Das Marimbaphon hat üblicherweise 60 Klangplatten, meist von Schlegeln oder Handflächen angeschlagen. Es bietet eine Unmenge von Klangfarben und Stimmungslagen: von schwebender Atmosphäre bis hin zur knackigen Virtuosität ist alles dabei, zumal, wenn Katarzyna Mycka am Instrument steht.
Sie liebt dieses Instrument. Die 1972 geborene Solistin studierte Klavier und Schlagwerk in Stuttgart und Salzburg und hat sich auf das Marimbaphon spezialisiert. Sie spielt das Konzert von Emmanuel Séjourné, das 2006 entstanden ist.

Bekannt in der Marimbaphon-Szene

Der Komponist – in Limoges in Frankreich zu Hause – ist selbst Schlagwerker. Er ist ebenso Komponist, der der Romantik in seinen Werken viel Platz lässt und dabei energetisch denkt. Er mixt Klassik und Populäres ganz selbstverständlich.
Auf seinem musikalischen Weg hat er viel probiert: er hat für Film und Bühne, für Theater und Orchester komponiert, er hat improvisiert und Jazz spielt und ist auch inzwischen lehrend unterwegs ist. An ihm komme die Marimbaphon-Szene nicht vorbei, so die Solistin des Abends, die das Werk sehr schätzt.

Liebes-Impulse kreativ umgesetzt

Musik eines 25-jährigen, angehenden Bankkaufmanns steht am Ende des Abends: Arnold Schönbergs "Verklärte Nacht op. 4 ". Das Werk ist eigentlich für eine Kammerbesetzung konzipiert worden, dann aber von Schönberg in eine Streicherfassung gegossen worden.
Schönberg war damals von einer geradezu unheilbaren Vorliebe für den Poeten Richard Dehmel befallen und selbst an unüberwindlichem Bohémetum erkrankt, seine Begeisterung schlug sich nieder: er vertonte ein Gedicht der Sammlung "Weib und Welt". In dieser Zeit entbrannte er für Mathilde Zemlinsky, für die sich auch Gustav Mahler interessierte - sie war die starke Schwester seines Lehrers Alexander Zemlinskys.
Eine historische Fotografie zeigt einen Mann mit Frau und Kind glücklich in die Kamera lächelnd.
Arnold Schönberg mit seiner Familie.© picture-alliance / dpa - Bildarchiv
Der Dichter Richard Dehmels erzählt in seinem Gedicht von einem außergewöhnlichen Paar: eine Frau liebt einen Mann, erwartet aber von einem anderen ein Kind und klagt sich darob an. Der Mann tröstet und will das Kind als sein eigenes annehmen. Eine skandalöse Geschichte: eine explosive Mischung ob der Aushebelung der geltenden, bürgerlichen Ansichten.

Hochromantische Musik bevor die 12-Ton-Technik kam

Schönberg hat das in Musik verwandelt, die noch keine Züge seiner noch kommenden Neuentwicklung zur 12-Ton-Technik zeigt. Er spricht dabei von der "Stimmung eines Mannes, dessen Liebe im Einklang mit dem Schimmer und dem Glanz der Natur fähig ist, die tragische Situation zu leugnen!". 40 Musiker, weit über die Bühne verteilt, sind an dieser tragischen Verwicklung "beteiligt".
Aufzeichnung des Konzertes vom 8. September 2020 im Staatstheater Schwerin
George Walker
"Lyric" für Streichorchester
Emmanuel Séjourné
Konzert für Marimba und Streicher
Astor Piazzolla
Libertago, arrangiert von Eric Sammut für Marimbaphon solo
Arnold Schönberg
"Verklärte Nacht" für Streicher
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