Mecklenburg-Vorpommern

Private Waldbesitzer sollen mehr unterstützt werden

07:55 Minuten
Buchenwald in Mecklenburg-Vorpommern
Besitzer von privatem Wald sehen sich gegenüber Staatsforst benachteiligt. In Mecklenburg-Vorpommern haben sie Gehör gefunden. © imago images / blickwinkel / W. Willner
Von Silke Hasselmann · 16.01.2020
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Wenn Privatleute ihre Wälder zugunsten von Trinkwasser- oder Artenschutz nur eingeschränkt nutzen können, bekommen sie nichts dafür bezahlt - außer in Mecklenburg-Vorpommern. Die dortige Regierung will noch mehr und denkt über bestimmte Gebühren nach.
"Mein Name ist Ivo von Trotha. Ich bin Vorsitzender des Waldbesitzerverbandes Mecklenburg-Vorpommern. Wir haben ungefähr 40.000 private Waldbesitzer in Mecklenburg-Vorpommern."
Und die meisten von ihnen litten zunehmend unter einem Grundkonflikt in unserer Gesellschaft, meint von Trotha. Es gehe einerseits um das Selbstverständnis der wirtschaftenden Waldeigentümer und andererseits um das Selbstverständnis der Allgemeinheit als kostenlose Mitnutzer privater Wälder.
Ihm gehört ein stattliches Waldgebiet bei Klein Trebbow im westlichen Mecklenburg, das er unter anderem zur Holzgewinnung bewirtschaftet. "Vom privaten Waldbesitzer wird gefordert, dass er für sich, für seine Kinder, seine Enkel, seine Urenkel das ökonomisch Sinnvollste rausholt", sagt von Trotha.
"Wenn die Öffentlichkeit aber sagt: 'Wir möchten aber gerne, dass du nicht unbedingt das ökonomisch Sinnvollste für deine Enkel rausholst, sondern wir möchten Artenvielfalt. Wir möchten, dass der Wald umgebaut wird, sodass er mehr CO2 bindet.'", dann, so der Verbandschef, dann müsse die Allgemeinheit aufhören, sich wie aus einer Speisekarte zu bedienen und zu sagen: "'Ich hätte gern das und das und das. Aber bezahlen will ich nicht.'"

Wunsch nach einem Paradigmenwechsel

Doch genauso funktioniere es überall in Deutschland, und dem liege ein merkwürdiges Verständnis von Eigentum, Leistung, Gegenleistung zugrunde, meint der Waldbesitzerverband Mecklenburg-Vorpommern. Halb ironisch, halb verzweifelt heißt es auf seiner Internetseite: "Wir sollten öffentlich fordern, dass in deutschen Haus- und Schrebergärten zur Verbesserung der Biodiversität nur noch einheimische Flora gepflanzt werden darf (weg mit den Tulpen), dass der Zugang für alle jederzeit zu gewährleisten ist (nieder mit den Zäunen) und dass zehn Prozent der Rasenflächen in Urwald umzuwandeln sind. Frage: Welche politische Partei wird dies in ihr Wahlprogramm aufnehmen?"
Bislang keine. Auch Naturschutzverbände haben dergleichen noch nicht gefordert. Beim Wald jedoch könne es gar nicht genug solche Vorschriften und Eingriffe ins Eigentum geben, findet Verbandschef Ivo von Trotha.
So erklärt sich auch der Wunsch der privaten Waldbesitzer nach einem Paradigmenwechsel. "Der anspruchsvolle Begriff vom Paradigmenwechsel bezieht sich darauf, dass bisher die Lenkung des Privatwaldes fast ausschließlich über Ordnungsrecht passiert. Das heißt, wenn die Öffentlichkeit, wenn die Politik irgendwelche Wünsche hat, dass bestimmte Baumarten gepflanzt werden oder andere bestehen bleiben oder gewisse Dinge im Wald zu geschehen haben, dann lief das über Ordnungsrecht. Und ab dem Tag darf der Privatwaldbesitzer etwas nicht oder muss etwas tun."
Waldeigentümer Ulrich Ivo von Trotha (l.) und der Leiter des Rostocker Stadtwaldes, Jörg Harmuth, stehen vor einem Fenster im Schweriner Landtag nebeneinander.
Waldeigentümer Ulrich Ivo von Trotha (l.) und der Leiter des Rostocker Stadtwaldes, Jörg Harmuth, im Schweriner Landtag© Deutschlandradio / Silke Hasselmann
Ivo von Trotha sagt, es wäre allen Waldeigentümern und vor allem vielen Wäldern schon geholfen, wenn der Staat die Jahr für Jahr zahlreicher werdenden Verordnungen, Ver- und Gebote zurückschneiden würde und in der Waldbewirtschaftung wieder mehr gesunder Menschenverstand walten dürfte.

Privateigentümer wollen Vergütung

Doch ihn und die anderen privaten Waldbesitzer stört am meisten: "Die gesamten steuernden Eingriffe sind zu 90 Prozent unbezahlt. Das heißt, der private Waldbesitzer bezahlt das."
Anders beim Staatswald. Für dessen Finanzierung kommt der Steuerzahler auf – und das auch, wenn der Landesforst wegen diverser Auflagen auf höhere Erlöse aus der Holzproduktion verzichten muss.
Die Privatwaldbesitzer wollen vergütet bekommen, was ihre Wälder als Ökosystem für die Allgemeinheit leisten. So hat das Land Mecklenburg-Vorpommern zehn Privatwälder als Heilwälder für Kranke und Rehabilitationsbedürftige ausgewiesen. Was sie dafür leisten, bekommen die Eigentümer aber nicht vergütet. Das Gleiche gilt, wenn sie ihre Wälder zugunsten von Küsten-, Trinkwasser- oder Artenschutz nur eingeschränkt nutzen dürfen.

Sonderfall Mecklenburg-Vorpommern

Das ist nicht fair, findet auch der Schweriner Forst- und Umweltminister Till Backhaus. "Heute ist es ja so: Wenn ich einen Adlerhorst in meinem Wald habe, dann wird der Waldbesitzer verpflichtet, in zweihundert Metern um den Horst herum die Forstbewirtschaftung im Wesentlichen einzustellen. Das ist ein Eigentumsverlust. Das ist ein Verlust insgesamt an Wertschöpfung für diesen Waldbesitzer. Da finde ich es mehr als gerechtfertigt, dass man das ausgleicht."
Mecklenburg-Vorpommern ist das einzige Bundesland, das einen solchen Zusammenhang anerkennt – und handelt. Seit drei Jahren erhalten private Eigentümer in Mecklenburg-Vorpommern einen sogenannten Erschwernisausgleich für Wald, der in "Natura 2000"-Gebieten liegt und folglich nur noch sehr eingeschränkt bewirtschaftet und genutzt werden darf. In solchen Fällen zahlt Schwerin pro Jahr und Hektar bis zu 200 Euro.
Nun will Deutschlands dienstältester Forst- und Umweltminister noch mehr für seine privaten Waldbesitzer herausholen. Er startete mit einer gemeinsamen "Schweriner Erklärung" ins neue Jahr und bekennt sich damit, Wald neu zu denken und Wald neu zu lenken.
Ähnlich wie Landwirte sollen endlich "auch private Waldbesitzer, die in ihren Wäldern Gutes für die Gesellschaft oder für Umwelt und Klima tun, finanziell unterstützt" werden.

Andere Regeln als das Ordnungsrecht

Der SPD-Minister erklärt: "Wir müssen jetzt Anreize schaffen. Ich will wirklich weg vom Ordnungsrecht. Nur immer per Gesetz sagen: 'Das darfst du nicht! Und das darfst du nicht!' – das wird auf Dauer nicht funktionieren. Das führt eher zu einer Antipathie. Ich möchte das umdrehen. Ich möchte Vertragsnaturschutz und ich glaube, wir müssen doch auch erkennen, wir leben in einer Marktwirtschaft. Aus meiner Sicht ist der Paradigmenwechsel auch in die Richtung gedacht, dass wir Ökoleistungen, Umweltleistungen vergüten müssen, die heute nicht vergütet werden."
Doch wer ist "wir", wer ist "man", wenn es ums Bezahlen geht? Man denke über einen "Wasserpfennig" nach, den "jeder zu zahlen" hätte, "der Wasser aus einem Waldgebiet entnimmt", sagt Till Backhaus. Nach möglichen Nutzungsgebühren für die Bürger gefragt, weicht der Minister einer klaren Antwort aus. Auf jeden Fall, so Backhaus, werde auch künftig jedermann sämtliche Wälder in Mecklenburg-Vorpommern frei betreten können.
Ansonsten werde er das Thema schon bald nach Berlin tragen. Das Klimapaket der Bundesregierung lasse sich gut für diese Zwecke abschöpfen. Und dann sei da ja noch Brüssel. "Der sogenannte Green Deal, der von Europa ausgerufen worden ist, der enthält zum ersten Mal nach langer, langer Zeit – auch darauf haben wir Einfluss genommen – wieder das Thema Forstwirtschaft. Auch da nehme ich zur Kenntnis, dass die Kommission über eine neue Forstwirtschaftsstrategie nachdenkt. Und da passt das mitten hinein."

Prinzip Leistung gegen Geld

Im Namen der über 40.000 im Landesverband organisierten privaten Waldbesitzer von Mecklenburg-Vorpommern hat Ivo von Trotha die "Schweriner Erklärung" unterzeichnet.
Er hofft, dass sich vor allem die Politik bei ihren Bestellungen gegenüber privaten Waldbesitzern bald so verhält wie ein Restaurantgast vor einer Speisekarte: "Wo das Gericht steht und daneben der Preis. Und wer das haben möchte, der sagt: 'Ich bin auch bereit dafür zu zahlen.' Und wenn er nicht zahlen will, dann bestellt er es auch nicht."
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