Mecklenburg-Vorpommern

Brüssler Geld ist Segen und Fluch

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Die neugebaute A14, gefördert mit Geldern aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) © Silke Hasselmann
Von Silke Hasselmann |
Seit 25 Jahren fließen EU-Gelder nach Mecklenburg-Vorpommern. Sie kommen Landwirten zu gute, verbessern den Umweltschutz oder helfen Technologiefirmen. Doch wer Geld haben will, muss sich gut auskennen im Dschungel der Bürokratie. Er wird Jahr für Jahr dichter.
Kapitel Eins
Unterwegs ins vorpommersche Altwigshagen. Bis zum Dorf führt eine moderne Teerstraße, hindurch buckliges Kopfsteinpflaster. An einigen Höfen hängen Schilder, die eine "Freie Friedländer Wiese" fordern. Gemeint ist die Freiheit von Windkraftanlagen in jenem 250 ha weiten Niedermoorgebiet, das die Freie Deutsche Jugend Anfang der 60erJahre trockengelegt hatte – auch zum Nutzen der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften in und um Altwigshagen.

Auf dem alten LPG-Gelände dreht sich Petra Döhler einmal um ihre Achse. Sie sieht ein flaches Verwaltungsgebäude, alte Ställe und Speicher aus Backstein. Westwärts gibt eine große Lücke den Blick frei auf weidende Buntgescheckte und Milchkühe. All das gehört zu den LPG-Nachfolgegesellschaften "ALWI agrar" und "ALWI Landbewirtschaftung", die Petra Döhler seit 1991 leitet. Genauso lange erhalte man auch EU-Gelder.
"Wir haben in der Anfangszeit diese EU-Mittel gebraucht, um die Betriebe umzugestalten. Um neue Technik schnell anzuschaffen. Um neue Tierbestände aufzubauen. Da sind auch viele Mittel in die unmittelbaren Leistungen der Handwerker in diesem Territorium gegangen. Da waren ja Durchreichposten, die dieses Netzwerk der Dörfer auch gepflegt haben. Denn die Landwirte sind eigentlich die Einzigen, die in diesen Gebieten noch etwas produzieren. Das heißt, alle anderen Gewerke sind abhängig davon, dass wir existieren. Und wir haben nach der Wende auf diesem Standort – ich glaub, wie waren wir mal 200 Mann in diesem Betrieb. Wir sind heute noch 26 in beiden Betrieben zusammen."
Leiterin der LPG-Nachfolgegesellschaften  "ALWI agrar" und "ALWI Landbewirtschaftung"
Petra Döhler© Silke Hasselmann
Das ist längst nicht alles, wie ein Schild am Eingang zum Büro ausweist: "Hier investiert Europa in die ländlichen Gebiete - Förderprojekt Agrar-, Umwelt- und Klimamaßnahme". Man sei der Bitte des Schweriner Landwirtschaftsministeriums natürlich gern nachgekommen, ein solches Schild anzubringen, sagt Petra Döhler lachend.
"Früher hat man immer gesagt: Wes´ Brot ich ess´, des´ Lied ich sing. Und das ist heute auch nicht anders. Pro Hektar bekommen wir Agrarumweltmaßnahmen und Flächenprämie - 260 Euro".

Ständige Angst vor kleinsten Fehlern und Rückzahlungen

Und zwar pro Hektar. Bei insgesamt rund 2000 ha fließen also jährlich eine gute halbe Million Euro allein an Flächenprämie von Brüssel an die beiden Altwigshagener Agrar-Betriebe.

Dazu kommen Gelder aus den sogenannten EU-Agrarumweltmaßnahmen. Damit unterstützt Brüssel jene Landwirte, die freiwillig auf Dünger, auf zu frühes Walzen des Grases und letztlich auf Erträge verzichten. Die Ausgleichszahlung für die Grünland-Renaturierung 2015 sei noch nicht eingegangen, berichten die Sachbearbeiterinnen. Doch Petra Döhler hat ein ganz anderes Problem.
Die laufenden Kosten für Pacht und Steuern würden von den Ausgleichszahlungen längst nicht mehr aufgefangen, und es sei eine "bittere Erkenntnis", dass die Teilnehmer an EU-Agrarumweltmaßnahmen letztlich einen Teil der gesellschaftlich gewollten Umweltleistungen aus eigener Tasche zahlen müssen. Die Altwigshagener Agrarbetriebe konnten sich das nicht mehr leisten und zogen sich vor zwei Jahren aus allen freiwilligen Programmen zurück. Zumal da noch etwas sei, so die Geschäftsführerin: Die ständige Angst vor kleinsten Fehlern und erheblichen Rückzahlungen.

"Zum Beispiel tierartgerechte Haltung. Ich glaube, 15 oder so Jahre haben wir an so einem Programm mitgearbeitet und uns auch immer wieder neuen Programminhalten gestellt. Aber wenn Sie so eine Kontrolle hinter sich haben, fliegen Sie an Kopf und Fuß. Da geht es nicht darum, dass man sagt: 'Okay, verbessern Sie'! oder 'Erklären Sie!', sondern da gibt es so einen Strafkatalog, das legt einen Betrieb aufs Kreuz. "
"Ist Ihrem Betrieb das schon mal passiert?"
"Aber natürlich. Das ging es tatsächlich um einen halben Quadratmeter in einem Stall. 96,5 Tiere hätten dort stehen dürfen, und wir haben aufgerundet und hatte 97 Tiere dort drin. Jetzt fehlten für 97 Tiere 0,5 m². Da sollten wir, ich glaube, drei Jahre zurückzahle. Also es war ein immenser Betrag wegen dieses halben Quadratmeters! Und dieses von vornherein Darstellen, der Landwirt betrügt ja – das halten Sie auch mental nicht aus."

Beispiel Stilllegungsprämie

Dass das öffentliche Ansehen des Landwirtes mittlerweile selbst zu Hause im Keller sei, lastet die ehrenamtliche Kreisvorsitzende des Bauernverbandes auch der medialen Stimmungsmache an. Beispiel Stilllegungsprämien: Habe es nicht immer geheißen, die Bauern und Agrarbetriebe sackten fürs Nichtstun auf ihren Brachen enorme EU-Subventionen ein?
Dabei habe die EU-Kommission den Landwirten vorgeschrieben, mindestens zwölf Prozent ihrer Flächen stillzulegen. Ging es zunächst vor allem darum, die Produktion zu drosseln, dürfen die Bauern nun mithilfe von Brachen sogenannte "Greening"-Auflagen erfüllen. Natürlich seien in das agrarisch geprägte Flächenland Mecklenburg-Vorpommern erhebliche EU-Stilllegungsprämien geflossen, aber – so Petra Döhler:
"Für einen Landwirt ist es immer sehr problematisch zu sagen, wir lassen Kulturboden einfach still liegen, wo es auf dieser Erde genug Hunger gibt. Innerhalb des Dorfes ist es auch schon eine Form von Imageverlust, wenn es heißt: 'Wie sieht denn das da aus? Könnt ihr das nicht ordentlich bewirtschaften'? Auch das muss man wissen: Wir produzieren auf dem Boden schon nichts. Aber wir müssen ja wenigstens die Kosten für Pacht, für Berufsgenossenschaft, für Grundsteuer und unsere Kredite, die da drauf liegen, decken. Diese EU-Fördermittel decken noch nicht einmal den gesamten Umfang der Kosten, die ich gerade beschrieben habe. Aber unsere ökologischen Vordenker in der Gesellschaft, die sich medial ja sehr gut auch äußern können - für die ist eine grüne Wiese oder ein rauschendes Getreidefeld oder ein Kartoffelfeld nicht grün genug. Sondern sie verlangen, dass irgendetwas noch spezifischer 'vergrünt' wird. Und das ist dann zum Beispiel die Stilllegung."
Kapitel zwei

"Ist das ein Specht? --- Den kannte ich jetzt nicht mit Vornamen..."

Wandern in der Vogelparkregion Recknitztal, wo Mecklenburg und Vorpommern zusammenstoßen. Stopp am Maibach, der noch bis vor zwei Jahren künstlich begradigt durch Wald und Flur führte. Dann habe der Natur- und Umweltbund NABU das Maibachtal übernommen und überlasse es nun vollständig der Natur. Und siehe: Der Bach könne endlich wieder mäandern, erklärt Martin Hagemann.
"Ich bin hier so´n bisschen Schutzgebietsbetreuer...Es sind auch richtige Staustufen entstanden, so dass das Wasser auch im Wald länger gehalten wird, was sich auch wieder auf die Artenvielfalt auswirkt…"

Martin Hagemann kennt jedes Waldstück im Recknitztal, jede Torfwiese, jeden Biberbau, jeden Acker - wie diesen Maisschlag rechter Hand. Auch er dreht sich einmal um die eigene Achse auf der Suche nach Spuren von EU-Förderung.

Fördergelder fließen in Internetbildung für Unternehmer

"Ja, in der Landwirtschaft steckt natürlich eine Riesenmenge Geld drin. Aber die ist ja nicht sichtbar. Die wird jedes Jahr an den Landwirt ausgezahlt, und dadurch kann der seine Maisfelder und seinen subventionierten Raps - wobei eigentlich sogar die Agrarlobby sagt, man braucht mehrere Liter Rapsdiesel Einsatz, um einen Liter Rapsdiesel herzustellen. Eine Absurdität eigentlich. Aber ansonsten werden EU-Gelder natürlich nutzbringend und sichtbar in Infrastruktur gesteckt. Das kann hier eine sanierte Straße sein, aber auch ein saniertes Gemeinschaftshaus in den Dörfern."
Martin Hagemann hat seit dem Jahr 2000 mit Brüsseler Fördertöpfen zu tun. Als Geschäftsführer der "Landesinitiative Neue Kommunikationswege Mecklenburg-Vorpommern" warb er zehn Jahre lang vor allem EU-Gelder aus dem Berufsbildungsprogramm LEONARDO ein. Man habe vor allem den kleinen Unternehmen und Handwerkern geholfen, sich auf das Internet umzustellen.

"Bildung findet ja klassischerweise nicht mehr nur als Frontalunterricht statt, sondern wir haben es so definiert und waren jahrelang einer der besonderen Akteure auf dem Feld von LEONARDO, weil wir plötzlich auch e-learning gemacht haben. Die mussten nicht weg, die mussten keine Reisekosten bezahlen, keine Ausfallzeiten, sondern wir haben ihnen das Wissen, was sie in dem Moment punktuell brauchten, über Livestreaming an den Arbeitsplatz gebracht. Und damit waren wir innovativ."

Projekt "Mit dem Fahrrad zum Nachbarn"

Heute koordiniert Martin Hagemann den Tourismusverein Vogelparkregion Recknitztal und hat wieder Berührung mit der EU. Denn die fördert unter dem Stichwort INTERREG eine bessere grenzüberschreitende Kooperation benachbarter Regionen. In Mecklenburg-Vorpommern kommen dafür jene östlichen Landesteile in Frage, die mit Ost-Brandenburg und der polnischen Wojewodschaft Westpommern die Euroregion POMERANIA bilden. Aktuell hat Hagemann mit der Bewerbung der Kleinstadt Marlow und ihrer Partnergemeinde Czaplinek zu tun, die auf beiden Seiten jeweils einige Kilometer Radweg ausbauen wollen.

"Das Projekt heißt 'Mit dem Fahrrad zum Nachbarn'. Da ist es natürlich toll, wenn solche Mittel zur Verfügung stehen. Denn die Kommunen haben sie nicht."
Seit dem Start 2009 wurden unter dem Stichwort INTERREG rund 700 kleine Projekte auf der deutschen Seite der Euroregion POMERANIA gefördert - fünf davon in der Kleinstadt Marlow. Mal gab es 1000 Euro für gemeinsame Feuerwehrübungen, mal rund 2000 Euro für ein zweitägiges Senioren-Tanzseminar. Der Ausbau der Radwanderwege schlüge mit über zwei Millionen Euro freilich erheblich stärker zu Buche. Dennoch glaubt Martin Hagemann an das Konzept "Mit dem Fahrrad zu Nachbarn".
"Wir haben nämlich herausgestellt, dass wir auch ein gemeinsames kulturelles Erbe haben. Wir haben ja hier von Bad Sülze die alte Salzstraße, wo das Salz über viele hundert Jahre gewonnen wurde aus dem salzhaltigen Grundwasser. Das Salz wurde dann auf der Recknitz auf Prahmen verschifft, bis zur Ostsee transportiert und dann weiter in die Welt. Und auch Czaplinek liegt an der alten Salzstraße in Polen. Das wäre natürlich schön, wenn wir dieses Kulturerbe - das ist ja explizit Priorität in diesem INTERREG-Programm gerade - wieder lebendig machen könnten für die Bevölkerung, für die Gäste."

Gerade Mecklenburg-Vorpommern mit seinen ausgedehnten strukturschwachen Räumen habe von EU-Geldern profitiert, sagt Martin Hagemann. Leider könne sich mittlerweile niemand mehr ohne externe Beratung durch den EU-Förderdschungel schlagen. Außerdem:
"Das ist, was mich stört: Dass in manchen Programmen bis zu 50 Prozent durch das Management des Programms aufgefressen werden, teilweise starten die zwei Jahre, nachdem die Ausschreibung der Förderung begonnen hat, die elektronischen Bewerbungsunterlagen erst mal erstellen müssen und die ganze Welt wartet darauf, dass es endlich losgehen kann. Und dann wird hinterher evaluiert, und noch mal evaluiert. Und noch mal evaluiert. Und da denke ich: 'Hm, schade. Für das Geld könnte man viel mehr schaffen vor Ort'."
Kapitel Drei

Vorige Woche im Technologiepark Warnemünde: INMOS-Branchentreffen. Es geht um "Intelligente maritime Inspektions- und Monitoringsysteme". Der Unterwasserakustiker Jens Wunderlich von der Rostocker Firma "Innomar Technologie" schildert dem Fachpublikum, wie die selbstentwickelten Sediment-Echolote es schaffen, tief unter Wasser verbuddelte oder versandete Kabel, archäologische Schätze, Wracks oder Munitionsreste ziemlich präzise zu orten.
"Wir wiederum interessieren uns für die ganzen anfallenden Daten im Unterwasserbereich. Also: Wie führe ich die Daten zusammen, wie werte ich sie aus?"
...erklärt Thomas Ruth vom Rostocker Fraunhofer Institut für Graphische Darstellung. Ob in seinem Haus oder in Unternehmen á la "Innomar" – nur sehr gelegentlich sei EU-Forschungsförderung auch im Bereich der Unterwassertechnologie angekommen.
"Hier in Mecklenburg-Vorpommern wurden eigentlich in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr stark der Tourismus gefördert und der Schiffbau. Und die Meerestechnik war lange Zeit immer so ein kleines Anhängsel von den Förderprogrammen. Das hieß dann immer 'Schiffbau und Meerestechnik', was dann effektiv hieß, 80 oder 90 Prozent waren für den Schiffbau und Zulieferer. Meerestechnik waren ein, zwei kleine Exoten, und das ganz oft auch wieder Hochschulen. So, und das ändert sich so langsam. Es gibt langsam auch Förderprogramme oder auf EU-Ebene calls, wo es speziell um Unterwassertechnik geht."

Hürden in der Technologieförderung

Der zuständige Beamte im Bundeswirtschaftsministerium gibt einen Überblick über aktuell laufende Ausschreibungen, die das nunmehr 8. EU-Forschungsrahmenprogramm unter dem Obertitel "Horizont 2020" für die Unterwassertechnologie-Branche hergibt. Doch kaum ein Zuhörer macht sich Notizen. Dr. Uwe Wurdel weiß, warum. Denn zwanzig Jahre lang stand der Elektroingenieur der von ihm gegründeten Rostocker Agentur für Technologie und Innovation "ATI Küste" vor, die kleine und mittelständische Technologie-Unternehmen auch in Sachen EU-Förderung berät, und die sich übrigens selbst zur Hälfte aus Brüsseler Zuschüssen finanziert.
"Wenn wir über Mecklenburg-Vorpommern sprechen, dann müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass wir eine relativ kleinstrukturierte Wirtschaft in diesem Technologiebereich haben. Die Unternehmen, die in diesem Bereich maritime Technologie unterwegs sind, sind eher Unternehmen mit zehn, 20, 30 Mitarbeitern. Die haben natürlich nicht diese Ressourcen, diese personellen Voraussetzungen wie die großen Unternehmen, die über eigene Forschungsabteilungen verfügen, und die auch über die entsprechenden personellen Voraussetzungen verfügen, um solche Projektanträge zu entwickeln, zu erarbeiten und sie dann auch in Brüssel mit den entsprechenden Lobbyisten zu platzieren."
Zumal ein Unternehmen immer mehrere Partner aus EU-Ländern für ein gemeinsames Projekt vorweisen muss und für die oft bereits umfangreiche Projektentwicklung komplett in Vorleistung zu treten hat. Brüsseler Hürden, die für die kleinen und mittleren Unternehmen - sogenannte KMU - kaum zu überspringen sind.
Dennoch könne man nicht sagen, dass Mecklenburg-Vorpommerns Technologie-Firmen bislang weitgehend ohne EU-Förderung ausgekommen sind, meint Uwe Wurdel. Einerseits würden viele KMU von EU-geförderter Infrastruktur etwa in Gewerbegebieten profitieren. Zum anderen seien etliche Förderprogramme des Landes durch den europäischen Strukturentwicklungsfonds EFRE ko-finanziert. Das sei den Empfängern von Förderbescheiden gar nicht immer bewusst.

"Also insofern, wenn die Frage gestellt wird: Kriegen kleine und mittlere Unternehmen in diesem Land aus Europa finanzielle Unterstützung? Ja, auch in erheblichem Umfang. Denn die Landestechnologieförderung ist seit Jahrzehnten durch die Europäische Kommission mitfinanziert. Wir haben derzeit 160 Millionen Euro über den Zeitraum von fünf Jahren für die Technologieförderung des Landes MV. Pro Jahr sind das zwischen 25 - 30 Millionen. Diese Mittel stehen den Unternehmen, insbesondere den KMU dieses Landes zur Verfügung."

Neuerdings Förderung von Prototypen

Derweil beobachtet auch Ines Jahnke erfreut, dass Brüssels Innovationsförderung endlich lebensnäher wird. Sie muss es wissen, vertritt sie doch die "ATI Küste GmbH" in dem größten europäischen Netzwerk für die Beratung kleiner und mittelständischer Unternehmen, dem "Enterprise European Network".
Ines Jahnke erwähnt das sogenannte "KMU-Instrument" innerhalb der EU-Forschungsförderung. Vor eineinhalb Jahren ins Leben gerufen, setze es ausnahmsweise dann mit der Förderung an, wenn ein Fertigmuster, ein Prototyp entwickelt ist. Also dort, wo die anderen Programme aufhören.

"Das gab es vorher noch nie. Hier liegt der Schwerpunkt im Gegensatz zum Rahmenforschungsprogramm nicht auf der Entwicklungsleistung, sondern darauf, entwickelte Produkte auf den Markt zu bringen. Es ist also viel marktorientierter als alle anderen Förderprogramme. Es gibt hier im Land einige Unternehmen, die die Hürde geschafft haben und sich sogar schon im zweiten step befinden. Darin drückt sich aus, welche Wertschätzung KMU in der europäischen Forschungsförderung erfahren. Zunehmend."
Und umgekehrt könnte dieses Instrument der kleinen, aber feinen maritimen Technologie-Szene Rostocks indirekt bei dem Ziel helfen, die mecklenburgische Hansestadt zu einem zumindest europaweit beispiellosen Unterwasserforschungs- und -entwicklungszentrum zu machen. Frei nach dem Motto: Lasst uns hoch hinaus, denn die Zukunft liegt in der Tiefe!
Kapitel Vier

Ein Oktobervormittag in Pasewalk. Wolfang Schubert vom Verein "Ukranenland - Historische Werkstätten" begrüßt rund 15 Frauen und Männer, die sich für die Entwicklung der ländlichen Region interessieren. Und folglich auch für ein einzigartiges EU-Förderprogramm.
Es heißt LEADER. Hier entscheiden nicht die Beamten in den fernen Landeshauptstädten oder in Brüssel, was förderwürdig ist, sondern Bürger aus der Region, die sich in "Lokalen Aktionsgruppen" (LAG) zusammenschließen. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es 13 solcher Aktionsgruppen. Sie alle verfügen über ein eigenes Budget an Fördermitteln, auch die gerade tagende LAG "Stettiner Haff".
"So, hier sehen Sie noch mal: Wir hatten im vorigen Jahr rund 2, 2 Millionen Euro zur Verfügung und haben knapp eine Millionen Euro gebunden..."
Zunächst berichtet die zuständige Regionalmanagerin des Landkreises, was aus den 2015 bewilligten Kultur- bzw. Mobilitätsprojekten geworden ist - vom Probenlager eines Grundschul-Blasorchester bis zur Instandsetzung eines Segelschulschiffes.
Dann zeigt Regina Tessmann Fotos vom Gutshaus Ferdinandshof. Das wurde vor zwei Jahren mit 1,2 Millionen Euro aus dem LEADER-Programm saniert. Nun begännen die Arbeiten an den Außenanlagen samt seniorengerechtem Geräteparcours. Keine Fragen aus der Runde; es folgt der nichtöffentliche Teil der Sitzung zu den neuen Förderanträgen. Gelegenheit für einen Abstecher.

Rund 1.500 Guts- und Herrenhäuser stehen in Mecklenburg-Vorpommern - europaweit unerreicht. Längst noch nicht konnten alle verkauft und saniert werden. Doch das Gutshaus im 900-Einwohner-Dorf Ferdinandshof leuchtet in einem frischen ocker-gelben Ton. Drinnen: moderne Therapie- und gemütliche Aufenthaltsräume für Senioren, sogar ein Fahrstuhl . Der Denkmalschutz ließ sich erweichen.
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Das Gutshaus Ferdinandshof in Pasewalk© Silke Hasselmann

Kommunen tragen zehn Prozent der Projektkosten

Mittagessen in der der neuen Tagespflege von der Diakonie-Sozialstation. Es sei so wichtig, gerade Menschen, die ihr ganzes Leben auf dem Lande verbracht haben, die vertraute Umgebung lange zu erhalten, meint die Leiterin Karin Hahn. Dann äußert sie etwas über die Europäische Union, was man selten hört: einen Dank. Denn:
"Dieses Haus ist über EU-Gelder gefördert worden und das ganze Amt Ferdinandshof hat sich dann gefreut, dass das Gutshaus wieder so hergerichtet worden ist und einen öffentlichen Zweck erfüllt. Wir haben hier noch eine Wohngemeinschaft. Die bleibt auch erhalten. Wir hatten ein Pflegehotel hier drin. Seit dem 1. Oktober haben wir jetzt eine Tagespflege. Die wird auch sehr gut angenommen. Die Leute werden geholt und auch wieder nach Hause gebracht. Einen Teil der Kosten übernimmt die Pflegekasse. Die Leute werden hier von 8 - 16 Uhr beschäftigt. Wie gesagt, die EU-Gelder sind hier wirklich gut angelegt."
Es ist ein besonders drängendes Thema in Mecklenburg-Vorpommern, das noch vor 25 Jahren die deutschlandweit jüngste Bevölkerung aufwies und nun die älteste.
Zurück in Pasewalk. Die Regionalmanagerin für das EU-Programm LEADER sitzt wieder in ihrem Büro im Landratsamt. Gern erinnert sich Regina Tessmann an die Aufbruchstimmung 1994, zu den ersten Projekten in der Region "Stettiner Haff" zählte die Sanierung der Burgtürme von Löcknitz und Rothenklempenow.
"Das war Pionierarbeit. Ich musste auf jeden Turm, auf jedes Baugerüst mit raufsteigen, von oben gucken und alles kontrollieren. Aber es hat ganz viel Spaß gemacht."
Heute wären die damaligen Projekte ungleich schwerer zu bewerkstelligen, meint Frau Tessmann. Denn nun müssten auch LEADER-Anträge einer vorgezeichneten "Strategie" entsprechen, zu klar definierten "Handlungsfeldern" passen und einer ausgeklügelten "Bewertungsmatrix" mit unzähligen Kriterien genügen.
Zudem müssen die Kommunen mindestens zehn Prozent der Projektkosten übernehmen, dürfen aber nicht wie früher üblich Eigenleistungen anrechnen.
"Das hat sicher auch mit der Wirtschaft zu tun, dass die Wirtschaft Aufträge kriegt. Das ist schön für die Wirtschaft, aber viele Projekte fallen damit hinten runter, weil die Gemeinden die Eigenmittel nicht haben."
Wenn sich Regina Tessmann auf dem Pasewalker Marktplatz um die eigene Achse dreht, sieht sie EU-Gelder unter anderem in der restaurierten Stadtmauer. Doch aus dem LEADER-Programm sei noch nichts in dem Kürassierstädtchen hängengeblieben, sagt sie. Ein Grund: Erst seit 2014 dürfe man daraus auch Kleinstädte mit mehr als 10.000 Einwohnern fördern. Ein anderer: Gleich dem ersten Pasewalker Antrag habe die "Lokale Aktionsgruppe" zugestimmt. Es ging um den Anschluss eines Uferweges an die Stadt mit einem Parcours u.a. für Skateboard-Fahrer.
"Aber aufgrund der finanziellen Lage konnte Pasewalk den Antrag nicht umsetzen. Sie haben die Eigenmittel und die Ko-Finanzierung nicht aufbringen können, und somit war es nicht umsetzbar."
Kapitel Fünf
Schlussbesuch im Schweriner Wirtschaftsministerium. Dort leitet Eva-Maria Flick die EFRE-Fondsverwaltung des Landes. Aus diesem europäischen Infrastrukturfonds kann Mecklenburg-Vorpommern für die Förderperiode bis 2020 knapp 970 Millionen Euro schöpfen, und damit kleine und mittlere Unternehmen fördern sowie eine nachhaltige Städteplanung, die CO2-Reduzierung.
"So vor meinem geistigen Auge schwebt vorbei das Technologiezentrum, wo einerseits das Zentrum selbst mit Fördergeldern unterstützt wurde, als auch die Firmen, die dort sind. Im Zoo in Schwerin auch touristische Infrastruktur…"
Wenn sich Frau Flick einmal um ihre Achse dreht, dann sieht sie EU-Gelder im Gelände der Bundesgartenschau, in der Schlossbrücke, im nagelneuen Uecker-Anbau des staatlichen Museums – gut angelegtes Geld, sagt die Fonds-Verwalterin. Auch sie beobachtet freilich das stetige Wachsen der Bürokratie. Um politisch wie finanziell teure Fehler zu vermeiden, würden Brüssel, Bund und Länder immer detailliertere Richtlinien und Durchführungsbestimmungen verfassen – mit Folgen für die Antragsteller, aber auch für die Verwaltung.
"Beispielsweise das Thema Vergabeprüfung hat einen Stellenwert bekommen, den hat es vorher einfach nicht gehabt. Wir mussten neue und lange Checklisten erarbeiten, um alle Aspekte einer ordentlichen Vergabeentscheidung ordentlich prüfen zu können. Es ist neu eingeführt worden, dass man jetzt einen Jahresabschluss machen muss. Wenn ich daran denke im Bereich EFRE - die Infrastrukturprojekte ziehen sich über drei, manchmal vier Jahre hin. Und da ist die Jährlichkeit eines Abschlusses äußerst hinderlich. Soll heißen: Das Verhältnis zwischen dem, was man an Geldern einsetzen kann und dem, was man aufwenden muss, um sie ordentlich einzusetzen – das verschiebt sich halt immer mehr."
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