Mechthild Borrmann: "Grenzgänger"

Erkundung im Zeitalter der Not

Cover von Mechthild Borrmanns Roman "Grenzgänger". Im Hibntergrund ist ein Mädchen zu sehen, das in einem Wald auf herabfallende Herbstblätter schaut.
Das Cover des Romans "Grenzgänger" von Mechthild Borrmann © Droemer / Unsplash / Annie Spratt
Von Ulrich Noller · 28.12.2018
Zwischen den Trümmern: Die Schriftstellerin Mechthild Borrmann erzählt in ihrem atemberaubenden Kriminalroman "Grenzgänger" von kriegstraumatisierten Vätern und abgeschobenen Heimkindern.
"Grenzgänger" ist einer der besten Kriminalromane des Jahres. Dabei ist dieses Buch ein ganz und gar untypischer Krimi: Mechthild Borrmann setzt nämlich nicht auf Thrill und Spektakel, auf Cliffhänger oder rasante Wendungen. Sie erzählt leise, bedacht, behutsam; aber genau daraus eine Wirkung, die so nachhallt, dass man sie durchaus als spektakulär bezeichnen kann.

Zwei Zeitebenen

Die Story wird auf zwei zeitlichen Ebenen erzählt, beide Male steht allerdings eine Person im Mittelpunkt: Henni Schöning, die als 17jährige im Aachener Grenzraum zur Kaffeeschmugglerin werden muss, um ihre Geschwister durchzubringen, die ansonsten ins Heim müssten. Die Mutter ist überraschend gestorben, der kriegstraumatisierte Vater nicht dazu in der Lage, Verantwortung zu übernehmen. Bei einer ihrer Schmuggeltouren trifft die sonst so umsichtige Jugendliche eine fatale Entscheidung, die Konsequenzen für aller Leben haben wird, noch Jahrzehnte später.
Da, in den 70er-Jahren, ist die zweite Ebene angesiedelt: In Aachen findet ein Mordprozess statt. Eine Frau namens Henriette Schöning, die erwachsene, in bürgerlichen Verhältnissen lebende Henni, ist die Angeklagte.

Aufklärung und ihre Wirkung

Was ist passiert? Und wie sind die Zusammenhänge? Aus diesen Fragen speist sich die Spannung dieses Romans, der sich nicht krimi-typisch auf ein Verbrechen und/oder seine "Ermittlung" konzentriert, sondern vielmehr "Aufklärung" leistet: als Erkundung eines Zeitalters der Not, dessen Prägungen letztlich weit über die zweite Ebene, also die 70er-Jahre, hinaus bis heute Wirkung haben.
Mit Hilfe der Mittel der Kriminalliteratur macht Mechthild Borrmann das nicht bloß verständlich, sondern richtiggehend spürbar in ihren Trümmer- und Nachkriegskrimis.

Geheimnisse kommen ans Licht

Abgesehen davon erzählt die Bielefelder Autorin auch in "Grenzgänger" - einmal mehr – eine sehr geschickt zwischen "Heute" und "Damals" schwebende Geschichte, die ihre Kraft aus ihrer Inszenierung schöpft, aus der Art und Weise, wie die Geheimnisse der beiden zeitlichen Ebenen nach und nach ans Licht kommen und schließlich fast atemberaubend miteinander korrespondieren. Dieser feine, abgeklärte Kriminalroman muss nicht auf den plakativen Effekt setzen, weil die nachhaltige Wirkung in seiner Struktur verankert hat.

Mechthild Borrmann: Grenzgänger
Droemer-Verlag, München 2018
288 Seiten, 14,99 Euro.

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