Max und Moritz digital

Von Susanne Billig |
Der Todestag von Wilhelm Busch jährt sich in diesem Jahr zum 100. Mal. Der Directmedia Verlag hat dies zum Anlass genommen, das gesamte Werk des Künstlers auf eine CD zu pressen, dazu eine Biografie, die Briefe und eine Reihe Faksimiles seiner Zeichnungen.
Als Urvater des Comic gilt er, nimmt bis heute in vielen Wohnzimmerregalen einen Ehrenplatz ein, war einer der bedeutendsten humoristischen Dichter Deutschlands und sein Todestag jährte sich in diesem Jahr zum 100. Mal: Wilhelm Busch. Die wilden, schnellen Bildergeschichten sind nach wie vor der beliebteste Teil seines Oeuvres. Wer kennt sie nicht, die kraftvoll gereimten Verse.

Alles lustig? In Buschs Welt wimmelt es von Gewalttaten und Gemeinheiten. Nasen bluten ohne Unterlass, Tiere werden gequält und erstochen, Kinder geröstet und geschrotet - Busch protokolliert all die Heimtücke mit distanzierter Feder. Sind das wirklich Kindergeschichten? Im digitalen Busch kann man mit Hilfe der Bediensoftware "Digibib" die Zeichnungen einmal groß über den Bildschirm spannen, neue Details entdecken und Ursachenforschung betreiben. Wer war dieser Mann wirklich?

"Abends kehrt' ich fröhlich heim und freute mich so recht auf das Nachtessen. Mein Vater empfing mich an der Tür und lud mich ein, ihm auf den Speicher zu folgen. Hier ergriff er mich am linken Flügel und trieb mich vermittels eines Rohrstockes im Kreise umher. Wie peinlich mir das war, ließ ich weithin verlautbaren."

Der Schlüssel für seinen exzessiven Sadismus findet sich wohl in der Kindheit Wilhelm Buschs. Sein Vater prügelte ihn oft und heftig, mit neun Jahren wird der Junge ohne Vorwarnung aus der Familie gerissen und einem Onkel zur Erziehung übergeben - es ist kein Platz mehr zu Hause, weil jüngere Geschwister nachgeboren sind. Voller Freude besucht der Zwölfjährige seine Eltern:

"Meine Mutter ging grade ins Feld, den Leuten Kaffee zu bringen. Ich kannte sie gleich; aber sie kannte mich nicht, als ich an ihr vorbei ging. So hatte ich mich verändert."

Statt seine Trauer zum Ausdruck zu bringen, lässt Busch Hirsche keck durch den Wald springen und Vöglein tirilieren. Unverkennbar entstammt sein Humor dem 19. Jahrhundert, das sich kollektiv darauf einigte, seine Kinder halb zu Tode zu prügeln und gleichzeitig die kleinbürgerliche Idylle pflegte. Für Schmerz war kein Platz - und so zermalmt Busch seine Figuren, walzt sie platt, verbrennt sie und gefriert sie zu Eis. Ein vergrübelter Einzelgänger ist Busch Zeit seines Lebens gewesen, ein Griesgram und notorischer Junggeselle, der am Tag 50 Zigaretten rauchte und jeden Abend betrunken schlafen ging. In späten Lebensjahren interessiert er sich für religiöse Mystik - ein kleiner Lichtblick. Die Busch-CD kommt mit einer schönen Beigabe - der spannenden Busch-Biografie von Michaela Diers. Die Autorin sieht den Künstler als:

"Menschen, der sich treu bleibt – verschlossen und kauzig bis zum Schluss, und dies mit sympathischer Unbestechlichkeit. Es komme, wer da wolle, Busch entzieht sich, auch wenn es Seine Majestät der Kaiser höchst selbst ist, der – jedenfalls per Telegramm – anklopft und zum siebzigsten Geburtstag gratuliert. Der unwirsche Jubilar empfindet dies als Störung, bevor er sich dann höflich doch ein wenig freut."

Jenseits des Bildergeschichten-Zeichners mit seiner beißenden Ironie, jenseits auch des sporadischen Antisemiten, der in seinem Werk immer wieder - derzeit in der Forschung viel diskutierte - Hetzsprüche gegen Juden platzierte, gibt es einen anderen Busch zu entdecken, auch das zeigt die CD-Rom. Melancholische Lyrik, surreal anmutende Prosa - um menschliche Schwächen geht es darin, um Alter und Vergänglichkeit. Seine ernsten Texte mögen in Vergessenheit geraten - sein Bestseller bleibt unvergesslich.