Mauerfall 1989

Unzensierte Impulse kamen aus Polen

06:05 Minuten
Der polnische Gewerkschafter Lech Walesa 1989.
Der Friedensnobelpreisträger Lech Walesa war 1989 eine zentrale Figur des friedlichen Wandels. © picture-alliance / APD / Czarek Sokolowski/
Basil Kerski im Gespräch mit Anke Schaefer |
Audio herunterladen
Die Entwicklung in Polen habe 1989 großen Druck auf das Honecker-Regime ausgeübt, sagt der deutsch-polnische Publizist Basil Kerski. Heute versuchten die Nationalisten die Entwicklung umzudeuten.
An die zentrale Bedeutung der Gewerkschaftsbewegung Solidarność hat anlässlich des Mauerfalls am 9. November 1989 der deutsch-polnische Publizist Basil Kerski erinnert: "Die größte Freiheitsbewegung, sie hat vor allem die Ostdeutschen beindruckt, denn die hatten Westrundfunk, Westfernsehen und sahen das unzensiert." Der sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow habe darauf intelligent reagiert. "Es gibt eine schöne Formulierung, die sagt, die Solidarność war der Katalysator für Gorbatschow und Gorbatschow der Katalysator für die Solidarność – damit ist das Jahr 1989 gemeint."
Porträt von Basil Kerski
Der Politikwissenschaftler und Publizist Basil Kerski.© Deutschlandradio / Malte E. Kollenberg
Der große Umbruch habe vor allem in Ungarn begonnen, wo im Januar 1989 bereits alle Parteien zugelassen wurden. "Und der Runde Tisch im Februar in Polen." Kerski betont auch die besondere Rolle des Friedensnobelpreisträgers Lech Walesa: "Vielleicht die letzte Ikone des 20. Jahrhunderts mit dem Dalai Lama des friedlichen Kampfes für universelle Menschenrechte." Es sei damals nicht nur um die Befreiung Polens gegangen, sondern um eine friedliche Veränderung des ganzen Kontinents. Die Entwicklung in Polen habe einen enormen Druck auf das Honecker-Regime und auf den Wandel in der DDR ausgeübt, sagt der Publizist.

Revolution des Konsens

"Die 89er Revolution in Polen, auch in der DDR, war eine Revolution des Konsens, des Gesprächs am Runden Tisch beider Seiten", sagt Kerski. Die heutige politische Mehrheit in Polen stelle diesen Konsens und die gesamte Republik der vergangenen 30 Jahre in Frage. Sie behauptete, es sei keine richtige Demokratie gewesen, zu viele Kompromisse mit den Altkadern. Die Nationalisten wollten nun eine neue Revolution und die Eliten austauschen. "Lech Walesa ist heute einer der größten Kritiker der Vorgänge in Polen", sagt Kerski. Er verteidige immer noch die universellen Menschenrechte und die Demokratie.
(gem)

Basil Kerski, deutsch-polnischer Publizist, ist Chefredakteur des Magazins "Dialog" und Direktor des Europäischen Solidarność-Zentrums in Danzig.

Mehr zum Thema