Mathias Greffrath über die SPD

"Wo ist der Bebel des 21. Jahrhunderts?"

06:37 Minuten
Eine Plastik des deutschen Arbeiterführers August Bebel um 1900 steht am Mittwoch (21.12.2011) in der neuen Ausstellung "Moderne Zeiten" im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig. Hendrik Schmidt dpa/lsn | Verwendung weltweit
"Nicht nur personell, sondern auch intellektuell am Ende" - das sagt Mathias Greffrath über den Zustand der Sozialdemokratie. © picture alliance / dpa-Zentralbild / Hendrik Schmidt
Moderation: Anke Schaefer · 04.06.2019
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Ein bisschen mehr Kindergeld hier, eine Rentenerhöhung dort: Für Mathias Greffrath kann das Drehen an Schräubchen die SPD nicht aus der Krise führen. Gebraucht werde eine Zukunftsvision - und die klare Ansage: "Wir brauchen wieder mehr Staat."
Nicht Personalquerelen sind für den Publizisten Mathias Greffrath das entscheidende Problem der SPD, sondern das Fehlen einer Zukunftsvision.
"Man reibt sich immer an Personen, wenn insgesamt nicht klar ist, wo der Laden hin soll", so Greffrath im Deutschlandfunk Kultur. "Und die SPD hat eben nach Gerhard Schröder und seiner Demontage von einigen Bereichen des Sozialstaats und noch einer Steuerreform, die dazu geführt hat, dass die Polarisierung im Land zugenommen hat, im Grunde kein Profil mehr gefunden."
Porträtaufnahme des Publizisten Mathias Greffrath
Die SPD muss den Dimensionen der Krise ins Auge blicken, den die Gesellschaft gegenübersteht.© imago/Horst Galuschka
Die Partei brauche einen Strategen, der sie "wirklich jetzt mal ins 21. Jahrhundert führt und in eine Zeit, in der das Wachstum nicht mehr selbstverständlich ist und in der wir mindestens fünf oder sechs große Probleme haben, die nicht mehr durch das Drehen an kleinen Rädern zu lösen sind". Konkret nannte der Publizist "die Migration, das Klima, das Alter, die Bildung, die Infrastruktur – und die Medien, die auch in Revolution sind".

Die Rente ist nicht unser größtes Problem

Als erstes müsste sich die SPD eingestehen, wie tief die gegenwärtigen Krisen eigentlich sind und wo und wie sie uns "kulturell, sozial und ökonomisch bedrohen". Die Stabilisierung des Rentenniveaus sei möglicherweise nicht das größte Problem, das wir derzeit haben, so Greffrath. Und sie sei auch keine Frage, die Menschen begeistert, offenbar nicht einmal die Rentner. "Ich denke, auch Leute über 65 sehen, was wir für große Probleme haben. Dass die Welt, dass die Kulissen von allen Seiten einstürzen. Und die wollen im Grunde auch – und sei es für ihre Kinder und Enkel – eine begeisternde oder auf jeden Fall ein zielführende, eine Zukunftsvision."
Für diese Erneuerung brauchte es Greffrath zufolge vielleicht einen neuen August Bebel: "Wo ist der Bebel des 21. Jahrhunderts?", fragt er und betont: "Die SPD war mal die Partei des Sozialstaats, Bebel hat das schöne Wort vom Zukunftsstaat begründet. Und ich glaube, da ist die Marktlücke für die SPD." Alle anderen setzten in irgendeiner Weise auf Markt und Freiwilligkeit, so der Publizist. "Und die SPD muss sagen: Wir brauchen wieder mehr Staat."
(uko)
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