Maßnahmen gegen Boykott-Bewegung

Deutsche Banken kündigen Konten jüdischer BDS-Unterstützer

"Boycott Israel Now" steht am 09.08.2014 in Berlin bei einer Demonstration gegen den Krieg in Gaza auf dem Papier einer Frau, welche Free gaza auf den Armen stehen hat. Mehrere hundert Menschen, darunter Palästinenser und Menschen Jüdischer Herkunft haben gemeinsam in einer Demo vom Axel Springer Gebäude zum Potsdamer Platz gegen den Konflikt in Gaza demonstriert.
Eine Frau hält bei einer Protestdemo in Berlin ein Papier mit dem Aufruf "Boycott Israel Now". © imago / Florian Schuh
Von Rebecca Hillauer · 24.02.2017
Boykott, Deinvestitionen, Sanktionen: Eine internationale Bewegung will mit dieser Strategie ein Ende der Besatzungspolitik Israels erreichen – und provoziert damit wiederum Gegenmaßnahmen. In Deutschland wurden einigen Unterstützern die Bankkonten geschlossen.
Iris Hefets: "Von der Kündigung habe ich per Einschreiben erfahren von der Bank. Und es gab erstmal keine Begründung, sie haben sich auf die AGB berufen. Und dann kam dieser Artikel, dann war es klar."
Erzählt Iris Hefets, Vorsitzende der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost. Der Artikel, auf den sie sich beruft, erschien am 16. November in der englischsprachigen "Jerusalem Post". Korrespondent Benjamin Weinthal zitiert darin Vertreter von großen jüdischen Verbänden in Deutschland. Als Kunden der Bank für Sozialwirtschaft drängten sie darauf, dass das Konto der Jüdischen Stimme bei der Bank geschlossen würde. Weinthal fügt hinzu:
"Die Mitgliedsliste der Jüdischen Stimme liest sich wie ein Lexikon antizionistischer deutscher Juden, von denen etliche eines modernen Antisemitismus beschuldigt werden."
Mehrere nicht-jüdische Menschenrechtsorganisationen, die ebenfalls bei der Bank für Sozialwirtschaft ein Konto haben, protestierten gegen die Kündigung.
Iris Hefets: "Und dann haben wir ein Angebot bekommen, ein Gespräch mit der Bank zu haben. Und sie haben uns klar gesagt, sie haben gar kein Problem mit uns als Organisation, mit unserer Satzung. Aber sie haben auch gesagt, dass Benjamin Weinthal bei ihnen angerufen hat und hat sie aufmerksam darauf gemacht, dass wir diesen BDS-Aufruf unterschrieben haben. Das können sie sich nicht leisten, dass wir ein Konto bei denen haben."

Die Bank begründet ihr Vorgehen

Sicher ist Ihnen bekannt, dass der Spitzenverband der jüdischen Wohlfahrtspflege in Deutschland zu den Gründungsgesellschaftern der 1923 gegründeten Bank für Sozialwirtschaft gehört.
Heißt es in Schreiben der Bank an Befürworter der Jüdischen Stimme. Die BDS-Kampagne hätte eine Destabilisierung des Staates Israel zum Ziel, die mit den Grundsätzen der Bank unvereinbar sei.
Shir Hever, Vorstandsmitglied der Jüdischen Stimme, hält dagegen, dass die BDS-Kampagne internationalem Recht entspräche und sich gegen Profiteure der Besatzung richte:
"Das Ziel der BDS-Bewegung ist es, eine Debatte in Israel anzustoßen, und zu zeigen, dass die Palästinenser in ihrem Kampf nicht allein sind. Das müssen auch die Palästinenser wissen, weil sie sonst den einzigen Ausweg im bewaffneten Widerstand sehen. BDS lässt sie hoffen, dass es auch gewaltlose Wege gibt, um für ihre Freiheit zu kämpfen. Dieses Ziel, zu sensibilisieren, ist insoweit erreicht, als in Israel inzwischen jedes Kind weiß, was BDS ist."
Ganz Israel registriert auch, wenn ausländische Unternehmen wegen BDS ihre Investitionen abziehen. Jüngst etwa das Transportunternehmen Veolia, die Sicherheitsfirma G4S und der Telekommunikationsriese Orange. Auch die Deutsche Bahn zog es vor, nicht an einer Eisenbahntrasse von Jerusalem nach Tel Aviv mitzubauen, die durch das Westjordanland führen soll. Und Heidelberg Zement würde seine Steinbrüche in dem besetzten Gebiet nur allzu gern abstoßen – findet jedoch keinen Käufer.

Verzweifelte Bemühungen der israelischen Regierung

Nach Ansicht von Shir Hever ist die israelische Regierung verzweifelt bemüht, gegenzusteuern - aktuell durch die Lieferung von Erdgas an Jordanien. Trotz rückläufiger Warenexporte verkaufe Israel das Erdgas zum Drittel des Marktpreises:
"Sie wollen Jordanien sogar in einem Notfall oder in einer Krise beliefern – auch wenn das bedeutet, der Bevölkerung in Israel den Hahn zuzudrehen. Indem die Regierung so die Exportrate stabilisiert, will sie meiner Ansicht nach vor allem eines verhindern: Dass irgendein Verdacht aufkommt, die Exportrückgänge könnten etwas mit der BDS-Bewegung zu tun haben."
Gilad Erdan, Israels Minister für innere Sicherheit und strategische Planung, hat ein Gesetz angekündigt, nachdem alle Personen, die BDS unterstützen, nicht mehr nach Israel einreisen dürfen. Iris Hefets meint dazu:
"Das ist in Israel auch, um die Gesellschaft zusammen zu halten, braucht man immer einen großen Feind von außen. Vor ein paar Jahren war es Ahmadinedschad und die Iraner, jetzt ist das Ding vom Tisch, und man braucht einen neuen Feind - und das ist jetzt BDS."
Die investigative Serie der Jerusalem Post über BDS-Konten in Europa hat laut Korrespondent Weinthal im letzten Jahr zu sieben Kontoschließungen geführt. In Deutschland war nicht nur die Jüdische Stimme betroffen.
Nach Anrufen von Weinthal kündigten auch die DAB-Bank in München und die Commerzbank in Frankfurt Konten von BDS-Aktivisten.
"Das Netz von BDS-Konten überlappt mitunter mit der Schattenwelt des palästinensischen und iranischen Terrorismus", so Benjamin Weinthal.

Feindbild BDS mit Nebenwirkungen

Shir Hever von der Jüdischen Stimme warnt dagegen vor einer Allianz von Rechtsnationalen in Europa und den USA mit der israelischen Regierung, die über das Feindbild BDS funktioniere:
"Diese Leute geben sich israelfreundlich, weil sie das israelische Modell, mit Muslimen, Einwanderern, Arabern umzugehen, im eigenen Land anwenden wollen. Und sie missbrauchen die BDS-Bewegung, um ihren Antisemitismus zu verschleiern. Der Trump-Unterstützer Richard Spencer zum Beispiel – der bei einer Veranstaltung mit 'Heil, Trump!' gegrüßt hat: Als er der israelischen Zeitung Haaretz ein Interview gab, fragten sie ihn geradeheraus: 'Sind Sie ein Antisemit?' Und er antwortete: 'Nein. Ich bin gegen BDS.'"
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