Massentourismus in Venedig

Bürgermeister setzt auf Eintrittsgeld

Touristen in einer Gondel erkunden Venedig.
Venedig ist einer der touristischen Anziehungspunkte in Europa, aber die Stadt wird von Reisenden inzwischen überrannt. © imago stock&people / Volker Hohlfeld
Volker Böttcher im Gespräch mit Ute Welty  · 06.02.2019
Tagesgäste sollen bald für den Besuch von Venedig Eintritt zahlen. Ob das gegen zu viele Touristen in der Stadt hilft, bezweifelt Tourismusforscher Volker Böttcher. Wirkungsvoller wäre, weniger Kreuzfahrtschiffe in den Hafen zu lassen.
In Venedig sollen Tagestouristen ab Mai Eintritt für die beliebte Lagunenstadt bezahlen. Der Preis liege bei drei Euro pro Person, kündigte Bürgermeister Luigi Brugnaro an. Im nächsten Jahr soll der Betrag auf sechs Euro steigen und könnte je nach Touristen-Ansturm bis auf zehn Euro angehoben werden. Besucher, die in der Stadt übernachten, sind von der Zahlung befreit. Hotelgäste müssen schon jetzt eine Ortstaxe bezahlen. Venedig kämpft seit Jahren gegen den Touristenansturm und versucht immer wieder mit verschiedenen Strategien, die Massen in Schach zu halten.

Tourismusforscher ist skeptisch

Als "Akt der Verzweiflung" und nicht unbedingt als innovative Idee beurteilt der Tourismusforscher Volker Böttcher die Vorschläge des Bürgermeisters. Es stelle sich die Frage, wozu das Eintrittsgeld dienen soll. Die klassische Kurtaxe diene dazu, die touristische Infrastruktur einer Stadt zu verbessern. Bei drei Euro pro Person werde es nicht gelingen, Touristen abzuschrecken. Angesichts von 14 Millionen Tagesgästen im Jahr bei nur 260.000 Einwohnern stehe Venedig als touristischer Anziehungspunkt vor besonderen Herausforderungen.
Das für mehr als 2.500 Passagiere ausgelegte Kreuzfahrtschiff MSC Magnifica befährt am 09.08.2015 den Canale di S. Marco in Richtung Stadthafen. Im Vordergrund Gondeln an der Riva degli Schiavoni.
Vor allem die großen Kreuzfahrtschiffe sind ein Problem für Venedig. © Picture Alliance / dpa / Andreas Engelhardt
Unter diesem Phänomen des "Overtourism" litten viele touristische Ziele, sagte der frühere TUI-Vorstand und heutige Direktor des Instituts für Tourismusmusforschung an der Hochschule Harz Aber es sei organisatorisch nicht einfach, Menschen durch eine Gebühr von Reisen abzuhalten. Sehr viel wirkungsvoller sei es, statt vier nur zwei Kreuzfahrtschiffe in den Hafen zu lassen, sagte Böttcher. Diese Reisenden seien dafür bekannt, kurz in eine Stadt einzufallen und wenig zu konsumieren. Die lokalen Geschäfte hätten dann wenig davon. Böttcher sagte, es gebe zu diesem Thema keine Forschungsaufträge. Die meisten touristischen Ziele wünschten sich mehr Touristen und nicht unbedingt weniger.

(gem)
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