Massentierhaltung

Schockbilder in der Fußgängerzone

Zu sehen sind Schweine in einem Mastbetrieb.
Schweine in einem Mastbetrieb - die Aktivisten informieren darüber, wie es den Tieren in der Fleischindustrie geht. © picture alliance / dpa / Foto: Carsten Rehder
Von Hagen Reiners · 29.04.2014
Die Aktivisten der Albert-Schweitzer-Stiftung klären in einer bundesweiten Aktion über industrielle Massentierhaltung auf. Mit ihrem Grunzmobil wollen sie Menschen zu weniger Fleischkonsum bewegen.
"Sehr brutal, absolut gewinnorientiert." - "Unwürdig, das ist glaube ich auch jedem bewusst."- "Massenhaltung, grausam würde ich sagen."
Die Passanten der Dortmunder Kampstraße, einer großen Shoppingmeile, haben bereits eine Meinung zu industrieller Massentierhaltung in Deutschland. Und das, noch bevor sie am Platz der Reinoldikirche ankommen. Dort steht ein Anhänger, auf dem die Figur eines gigantischen Ferkels thront. Auf der Straße davor verteilen Tierschutzaktivisten Flugblätter:
"Habt ihr eine Minute Zeit, was ihr gegen Massentierhaltung tun könnt?"
Passantin: "Was können wir gegen Massentierhaltung tun?
"Ich gebe Euch mal eine Broschüre von uns mit."
Passantin: "Die Welt ändern."
"Wir sind von der Albert-Schweitzer-Stiftung aus Berlin und mit unserem Grunzmobil unterwegs. Wir touren durch ganz Deutschland. Und wir zeigen halt Filme wie es den Tieren geht in der Industrie. Meistens auf den Fleischpackungen, Wurstpackungen sieht man die glücklichen Tiere auf der Wiese, hat aber mit der Realität nicht viel zu tun."
Passantin: "Das ist mir schon bekannt."
"Es geht halt um Profitmaximierung."
Viele Gleichgesinnte unterwegs
Dieses Mal trifft der Aktivist Nicolas Thun auf eine Gleichgesinnte.
Passantin: "Ich finde auch nicht, dass es gerechtfertigt ist, einfach für den Geschmack ohne eigentliche Lebensnotwendigkeit, Tiere dermaßen leiden zu lassen."
Die meisten Passanten, die Nicolas Thun anspricht und die nicht einfach weitergehen, beteuern, dass sie schon Vegetarier seien oder nur wenig Fleisch essen würden. Niemand sagt, dass Massentierhaltung doch eigentlich okay sei. Direkt gegenüber vom Grunzmobil stehen ganze Familien und essen günstige Currywürste.
Das passt nicht so richtig zusammen, findet Thun:
"Ich glaube, dass im Denken der Menschen zumindest schon angekommen ist, dass Schweine- oder Fleischproduktion problematisch ist und man im Grunde darauf achten sollte, dass es den Tieren gut ging. Was aber die Umsetzung angeht, hinkt es, glaube ich, noch ein bisschen hinterher."
Dennoch ist der Aktivist sehr motiviert bei der Arbeit:
"Jedes Strahlen, jedes Lächeln, jedes Danke-dass-ihr-das macht-und-viel-Erfolg-noch, das sind Erfolgserlebnisse. Manchmal ist es auch so, manchmal habe ich Teenager, die einen auf cool machen und die sagen: Boah ich esse Fleisch, ich brauche Fleisch. Dann redet man ein paar Minuten mit ihnen und dann sagen sie: Naja, im Grunde hast Du doch recht."
Wir können nicht alle erreichen, aber irgendwann hat jemand vielleicht so häufig gesehen, wie grausam Tiere gehalten werden, dass er sich dazu entscheidet, seine Ernährung zu ändern. Das ist die Einstellung, mit der Nicolas und seine Mitstreiter die Menschen in der Dortmunder Innenstadt ansprechen. Ein paar Passanten bleiben aber auch ohne Aufforderung vor dem Grunzmobil stehen.
Anhänger mit riesiger Schweinefigur
Auf einer Leinwand im Anhänger mit der riesigen Schweinefigur auf dem Dach läuft ein Film über Massentierhaltung. Der Ton klingt weit über die Straße:
"Zwischen 20 und 25 Millionen männliche Ferkel müssen jedes Jahr kastriert werden - bei vollem Bewusstsein. Grund für diese Tierquälerei: Einige der Ferkel entwickeln vor der Schlachtreife den sogenannten Ebergeruch. Der Großteil der Verbraucher kann diesen Geruch beim Fleischkonsum wahrnehmen. Untersuchungen und Umfragen ergaben, dass genau dieses Fleisch keinen Absatz findet. Und wo kein Absatz, da kein Markt."
Auf der Leinwand sind kleine rosa Ferkel im engen Stall zu sehen. Ein Mann im Kittel greift eines heraus, packt es an den Hinterläufen und presst die Beine zusammen. Dann zückt er ein Skalpell, schneidet zwei sich abzeichnende Wölbungen längs auf. Es fließt etwas Blut, das Ferkel windet sich nach Leibeskräften, der Mann aber fährt routiniert fort. Greift ohne Handschuhe in den hochquillenden Hoden hinein und zieht ihn samt langer, glibberiger Fäden heraus und schmeißt ihn in einen Eimer zu den anderen.
Passanten erstarren ungläubig vor diesen Bildern. Hinter dem Anhänger, wo der Generator läuft, kommt ein Zuschauer ins Gespräch mit Nicolas Thun.
Passant: "Dass also den Jungtieren ohne Betäubung die Hoden entfernt werden, das war mir völlig fremd und das muss ich sagen sind Bilder, die sich schon irgendwie festsetzen und ich mir jetzt auch Gedanken machen über dieses Thema. Aber wie gesagt, ich bin ein Fleischesser. Ich esse sehr gerne Fleisch. Ja welche Alternativen gibt es dann? Also meine Frage ist dahingehend, ist das nur in der Massentierhaltung so, diese Vorgehensweise?"
Der Aktivist klärt auf, dass der Biosektor noch sehr, sehr klein sei und dort nicht überall ohne Betäubung amputiert und kastriert werde. Der Passant bedankt sich, nimmt die Broschüre entgegen und studiert sie genau. Am Abend will er mit seiner Frau über das Thema reden.
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