Maskenpflicht

Stigmatisiert wegen Asthma

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Illustration von vielen farbigen Köpfen im Querschnitt mit Corona Maske auf dem Gesicht.
Nicht jeder kann eine Maske tragen. Oft liegt es an gesundheitlichen Gründen. © Getty / Digital Vision Vectors
Von Felicitas Boeselager · 30.09.2020
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Wer keine Maske trägt, gilt schnell als Gegner der Corona-Maßnahmen. Für Menschen, die beispielsweise aufgrund von Asthma keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen können, wird ein Spaziergang oder Ladenbesuch deswegen leicht zum Spießrutenlauf.
"Ohne sie wäre ich da nie mehr reingegangen, weil: Ich bin noch sauer auf die." Steffi Kollmann steht an einer Kreuzung in der Bremer Innenstadt. Sie deutet auf ein großes Bekleidungsgeschäft und dann auf ein Kaufhaus auf der anderen Straßenseite. Beide Häuser durfte sie zuletzt nicht betreten, weil sie keine Maske trägt. Sie hat starkes Asthma. Deshalb ist sie schon am Tag bevor die Maskenpflicht kam, zu ihrem Arzt gegangen.
"Der weiß von meinem Asthma und behandelt mich seit Jahren. Ich habe verschiedene Masken bekommen, die ich probieren sollte, weil ich als Asthmatikerin auch besonders gefährdet bin. Ich bin ja auch Risikogruppe. Und mit diesen Masken ging das nicht. Ich saß da und habe die Masken ausprobiert, und es ging nicht, weil ich nicht genug Luft bekommen habe."

Trotz Attest vom Kaufhaus abgewiesen

Deshalb hat der Arzt Steffi Kollmann ein Attest ausgestellt, das sie von der Maskenpflicht befreit. Im Mai wurde sie trotz des Attests im Kaufhaus abgewiesen, danach wollte sie nicht mehr wiederkommen. Mir, also der Reporterin zuliebe, versucht sie es doch noch einmal und hält eine Plastikhülle mit dem Attest hoch.
"Das mache ich so in Bus und Bahn, beim Bäcker oder im Supermarkt. Ich habe das in so in einer Hülle, damit ich das immer vorzeigen kann. Es ist auch so, dass Leute, die mich nicht kennen, das so sehen."

Aggressive Reaktionen von Passanten

Kollmann steckt das Attest gut sichtbar in die Seitentasche ihrer Handtasche. Auf dem Weg durch das Kaufhaus hält sie es immer wieder eilig anderen Menschen entgegen. Nach ihren Erlebnissen in den vergangenen Monaten hat sie den Eindruck, dass Menschen sie kritisch beobachten. Immerhin ist sie die einzige im Laden, die keinen Mundschutz trägt.
"Die anderen Leute gucken schon sehr, dass da jemand ohne Maske ist. Es ist schon häufiger passiert, dass Privatpersonen, also nicht unbedingt Shop-Inhaber, mich ansprechen. Und bevor die mich ansprechen, regen die sich so auf, dass es dann relativ impulsiv und auch oft sauer und aggressiv rüberkommt. Und das ist natürlich ein Schwall an Emotionen, den ich gar nicht gerne haben will."

Sie ärgert vor allem die Unterstellungen, die ihr häufig gemacht würden. Schließlich sei sie keine "Coronaleugnerin": "Mir jetzt, da ich einfach keine Maske tragen darf, 'oben Ohne' zu sagen, das finde ich ziemlich unangebracht."
Im Kaufhaus wird Kollmann heute nicht angesprochen. Und auch die Mitarbeiterin sagt, dass inzwischen kein Mensch mehr abgewiesen wird, wenn er ein Attest hat. Steffi Kollmann ist sichtlich erleichtert. Sie hat ein bisschen mehr Bewegungsfreiheit zurückgewonnen. Und sie wird heute nicht aggressiv angesprochen. Das mag auch daran liegen, dass ich mit einem auffälligen Mikrofon neben ihr herlaufe.

Ausnahmen müssen akzeptiert werden

Aber: Steffi Kollmann sei kein Einzelfall, sagt Arne Frankenstein, der Landesbehindertenbeauftragte von Bremen. "Ja, wir haben eigentlich von Beginn der Krise an sehr viele Beschwerden zu diesem Thema gehabt. Von Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen keine Masken tragen können."
Läden, die auf ihr Hausrecht beharren und Menschen ohne Maske, aber mit Attest den Eintritt verwehren. Andere Betroffene haben Arne Frankenstein von aggressiven Reaktionen berichtet, zum Beispiel in der Bahn.
Aber wie soll man reagieren, wenn Menschen zum Beispiel im öffentlichen Nahverkehr keine Maske tragen? Soll man sie nicht bitten, eine anzuziehen? Frankenstein plädiert für einen Mittelweg.
Er glaubt, dieser könne "nur darin liegen kann, dass man grundsätzlich auch Ausnahmen akzeptiert. Dass man also sagt: Es kann sein, dass es Menschen gibt, die keine Maske tragen können, aber dass man Menschen durchaus auch ansprechen kann, ob sie nicht möglicherweise doch in der Lage sind, eine Maske zu tragen. Wenn man dann allerdings vorbringt, dass man ein Attest hat und behinderungsbedingt keine Maske tragen kann, dass das dann auch akzeptiert wird."

Visier anstelle einer Maske

Schließlich sind viele Menschen mit Behinderung alles andere als Maskengegner. Sie sind sogar auf besondere Weise darauf angewiesen, dass die Menschen in ihrer Umgebung Maske tragen.
Im nächsten Laden wird Kollmann ein Visier angeboten, ein guter Kompromiss, findet sie. Auch wenn es dadurch, dass es direkt oben am Kopf anliegt, total beschlagen wird. Aber die Läden scheinen dazugelernt zu haben. Im Umgang untereinander wird das auch noch klappen, hoffen die Betroffenen.
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