Maschinen-Journalismus

Kollege Roboter schreibt die Nachrichten

Der britische, menschenähnliche Roboter RoboThespian, designet von der Firma Engineered Arts Ltd, während einer Präsentation im Moskauer Café Bosco
Der britische, menschenähnliche Roboter RoboThespian, designet von der Firma Engineered Arts Ltd, während einer Präsentation im Moskauer Café Bosco © picture alliance / dpa / Dzhavakhadze Zurab
Von Dirk Asendorpf · 12.06.2014
Bleisetzer und Metteure sind längst aus den Zeitungsverlagen verschwunden, ihre Texte tippen die Journalisten selber in den Computer. Doch auch sie sind nicht mehr unersetzlich. Inzwischen kann journalistische Routinearbeit von Software übernommen werden. Der Trend zum Roboter-Reporter begann in den USA und kommt nun auch nach Deutschland.
Die Welt ist voller Daten - wir verwandeln sie in schöne Texte. Mit diesem Werbeversprechen bietet Narrative Science seine Dienste an. Das 2010 in Chicago gegründete Unternehmen beliefert amerikanische Lokalzeitungen jeden Tag mit Tausenden Artikeln über Schulsport-Veranstaltungen und versorgt Wirtschaftsinformationsdienste mit einer noch größeren Zahl von Nachrichten aus der Geschäftswelt. Journalisten aus Fleisch und Blut werden dafür nicht mehr gebraucht.
Die Texte entstehen allein auf Grundlage detaillierter Statistiken - im Sport sind das Spielberichte, die die Mannschaften selbst ins Internet stellen, in der Finanzwelt sind es Daten aus Börsen und Geschäftsberichten.
Larry Adams leitet die Produktentwicklung bei Narrative Science:
"Wir haben eine sehr leistungsfähige Datenverarbeitungssprache für unser System entwickelt. Sie kann die Fakten aus all den Daten destillieren, die uns zur Verfügung gestellt werden. Dazu wählt sie die passende Erzählstruktur. Sie schreibt Tweets, Kurzmeldungen, Nachrichtentexte oder seitenlange Berichte. Und das System ist so schlau, die wichtigsten Gedanken an den Anfang zu setzen und Wiederholungen zu vermeiden. So erzeugen wir wirklich natürliche, informative und nützliche Texte."
Für besonders schöne Formulierungen greift das System auf eine riesige Datenbank mit Sätzen zurück, die Journalisten in der Vergangenheit für ähnliche Spielsituationen oder Börsenereignisse gewählt hatten. Das Ergebnis ist überraschend lesbar - und nicht von Berichten tatsächlicher Reporter zu unterscheiden.
Noch einen Schritt weiter geht jetzt die Stuttgarter Firma Aexea.
Saim Alkan ist ihr Geschäftsführer:
"Wir arbeiten nicht mit Vorlagentexten, wo wir dann einfach irgendwie intelligent Lücken füllen, sondern wir generieren tatsächlich einen komplett neuen Text und sagen: Ok, wir haben ein Regelwerk der Grammatik, wir haben einen ganzen Haufen Wörter in ihrer Grundform bei uns gespeichert, und die Grammatikmaschine hat dann die Aufgabe, alle Flexionen, die notwendig sind in diesem Text, eigenständig zusammenzufügen, so dass tatsächlich ein flüssiger Satz entsteht, den man gut lesen kann und der auch keine grammatikalischen Fehler beinhaltet."
Textroboter hat kein Weltwissen
Besonders kreativ fallen die automatisch erzeugten Texte nicht aus, doch für einen Wetterbericht oder eine Börsennachricht ist das auch nicht nötig. Und bei der Berichterstattung über Sportereignisse kann der Textroboter sogar auf individuelle Vorlieben gezielt eingehen. Ein Fan von Philipp Lahm erhält den Spielbericht dann aus der Perspektive seines Lieblingsspielers und ein Schalke-Fan muss kein Lob auf Borussia Dortmund mehr erdulden.
Saim Alkan: "Die Idee ist: Wir schreiben zu einem Fußballspiel eben nicht einen Bericht, sondern vielleicht 20 oder 25.000 Berichte, weil das die Abonnenten sind, die genau aus ihrer Sicht dieses Spiel geschildert haben wollen und bereit wären, für so eine Dienstleistung vielleicht sogar zu bezahlen, also ein Monetarisierungsmodell auch."
In der Musikindustrie hat der Wandel von der in Massenauflage gefertigten Schallplatte und CD zum computergesteuerten, individuell angepassten Online-Streaming längst begonnen, jetzt steht auch der Journalismus vor einem ähnlichen Umbruch.
Doch Angst müsse die Branche vor dem Textroboter nicht haben, versichert Saim Alkan:
"Was so ein System und auch in vielen, vielen Jahren noch nicht schaffen wird, ist tatsächlich das, was wir unter Recherche verstehen, unter Investigativjournalismus, da wo also wirklich der Mensch mit seinem Weltwissen sich einbringt, eine Geschichte sucht, die Geschichte findet und dann eben die Information im Rahmen dieser Geschichte bewertet, einordnet und dann den Text draus schreibt. Wir können durchaus die parlamentarische Sitzung in Berlin ankündigen, die politische Diskussion, die da aber stattfindet, die werden wir noch lange nicht bewerten können und entsprechend einordnen können. Aber die Routineaufgabe, das Pflegen des Terminkalenders, dann flüssigen Text dazu zu schreiben, das kann durchaus der Roboter heute schon erledigen."
Keine intelligent recherchierten Geschichten
Im Journalismus entsteht eine neue Rollenteilung zwischen Mensch und Maschine. Davon ist auch der Münchener Medienwissenschaftler Christoph Neuberger überzeugt. Wer dabei Gewinner und wer Verlierer wird, müsse sich aber erst noch zeigen.
Christoph Neuberger: "Man könnte argumentieren: Die einfache Nachricht, die macht künftig der Roboter, dann haben die Journalisten Zeit für die Recherche und um schöne Stücke zu schreiben. Man kann es natürlich dann auch nutzen um zu rationalisieren und das, was man da einspart, dass das dann wiederum nicht in die Redaktion investiert wird."
Am Ende kommt es auf die Leser an. Lassen sie sich mit simpel formulierten Allerweltsthemen zufriedenstellen, wird Kollege Roboter zum echten Konkurrenten in der Redaktionsstube. Verlangen sie jedoch nach intelligent recherchierten Geschichten, die in kreativer Sprache und mit leichter Ironie erzählt werden, kommt als Autor auch in Zukunft nur ein Mensch in Frage.
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