Mary Wollstonecraft-Statue in London

Eine nackte Frau als Denkmal für eine Feministin

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Das Denkmal für Mary Wollstone zeigt ganz oben eine nackte Frau.
Das erste Denkmal für Mary Wollstonecraft zeigt ausnahmsweise nicht Mary Wollstonecraft, sondern einfach nur eine zeitlose Frau. © AFP / Justin Tallis
Robert Rotifer im Gespräch mit Gesa Ufer · 11.11.2020
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Die Autorin Mary Wollstonecraft wurde in London mit einem Denkmal geehrt. Doch das Werk zeigt nicht die Feministin, sondern eine symbolische Frauenfigur. Dass sie nackt ist, sorgt für Kritik.
Mary Wollstonecraft hat ihren Platz in der Geschichte nicht nur als Mutter von Mary Shelley, der Autorin von "Frankenstein". Wollstonecraft war selbst Schriftstellerin und eine Feministin, die sich für Gleichberechtigung eingesetzt und versucht hat, auch eine solche Ehe zu leben. Allerdings hatte sie vorher bereits ein uneheliches Kind zur Welt gebracht. Ihr Lebensstil war der Grund, weshalb ihre Leistungen, nachdem sie 1797 an Kindbettfieber starb, zunächst nicht anerkannt wurden.
Am 10. November wurde in London, Newington Green, ein Denkmal zu ihren Ehren enthüllt. Es ist die erste ihrer Art. Doch zeigt das Denkmal nicht die Geehrte: Auf einem schwarzen Granitsockel steht ein abstraktes, schaumartiges Gebilde, aus dem ganz oben eine nackte Frauenfigur herausragt.
Das führt zu Irritationen und Kritik, unter anderem von Autorinnen wie Caitlin Moran und Tracy King. Laut Künstlerin Maggi Hambling zeigt das Werk bewusst nicht Wollstonecraft, sondern einen Geist, als Geburt des Feminismus. Die Nacktheit diene dazu, die Figur nicht in einer bestimmten Kultur oder Zeit zu verorten, so die Künstlerin. Die Frau sei als "Everywoman", eine Jedefrau gemeint. Aber – so der Vorwurf – warum dann ausgerechnet eine nackte Frau mit idealen Proportionen?

Keine Everywoman

"Natürlich ist es eher eine idealisierte Frauenfigur", sagt der in London lebende Journalist Robert Rotifer. Eine Everywoman sei heutzutage nicht so einfach, wenn man Diversität repräsentieren wolle. Das Kunstwerk zeige "eine junge weiße Frau mit lockigem kurzem Haar. So würde ich es beschreiben. Aber nicht als Everywoman."
Rotifer berichtet, dass die meisten Passanten, mit denen er gesprochen habe, eher negativ und mit Unverständnis auf die Skulptur reagiert hätten. Andererseits: "Ich habe auch mit einer Frau gesprochen, die sehr angetan war von dieser Statue und gesagt hat: Wenn es wieder eine traditionelle Statue von Mary Wollstonecraft gewesen wäre, wo wäre da der Fortschritt?"
(leg)
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