Martin Schulz für Gespräche mit dem Iran

Moderation: Marie Sagenschneider |
Martin Schulz, Chef der sozialistischen Fraktion im Europaparlament, hält bei Friedensbemühungen für den Nahen Osten Gespräche mit dem Iran für notwendig. Hinter vielem, was sich im Nahen Osten abspiele, steckten Einflüsse, die aus Teheran gesteuert werden, sagte der SPD-Politiker.
Marie Sagenschneider: Herr Schulz, so viele Aktivitäten für den Nahen Osten. Kommen sie zur rechten Zeit?

Schulz: Sie kommen etwas spät, aber in der Politik ist gerade angesichts der von Ihnen ja beschriebenen Lage es niemals zu spät - hoffentlich jedenfalls. Die Aktivitäten sind allerdings mehr als notwendig, denn die Lage verschärft sich insbesondere im Gazastreifen in dramatischer Form. Und deshalb, finde ich, ist es gut, dass es jetzt dazu gekommen ist, dass sich das Quartett zunächst mal auf Außenministerebene getroffen hat, und Frau Merkels Reise wird hoffentlich ein bisschen Schwung bringen.

Sagenschneider: Nun ist ja angekündigt, dass sich die US-Außenministerin mit dem Palästinenserpräsident Abbas und dem Ministerpräsidenten Israels, Olmert, noch im Februar treffen will. Danach soll dann eine weitere Konferenz des Quartetts in Berlin stattfinden. Haben Sie den Eindruck, dass jetzt ein Zeitfenster sich öffnet, wo es tatsächlich weitergehen kann?

Schulz: Das wird davon abhängen, welche Strategie das Quartett verfolgt. Wir hatten schon im vergangenen Sommer mal eine Debatte, unmittelbar nach der Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen des UNIFIL-Mandates im Libanon, was den das Quartett tun könnte. Es besteht ja aus unterschiedlichen Organisationen und aus Russland, die alle unterschiedliche Beziehungsstrukturen in die Region hinein haben, und es wird davon abhängen, dass die einzelnen Teile des Quartetts, also der neue Generalsekretär der Vereinten Nationen, der ganz unbelastet ist, oder eben auch der deutsche Außenminister, die Bundeskanzlerin, die über relativ hohe und gute Beziehungen zu beiden Seiten, die arabische wie die israelische Seite, verfügen, dass die ihre Aktivitäten bündeln und koordinieren, das, glaube ich, ist ein ganz wichtiger Punkt, um das Quartett in Gang zu bringen.

Sagenschneider: Es gab ja in der SPD hier in der Bundesrepublik schon Kritik daran, dass die Kanzlerin angeblich die Initiativen für den Nahen Osten von Steinmeier nicht genug stützt und sich zu Israel orientiert gibt und damit die guten Beziehungen auch zu Syrien zum Beispiel und den Libanon schädigt.

Schulz: Die SPD hat in enger Abstimmung mit Frank-Walter Steinmeier schon im Sommer einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt zur Nahostpolitik, bei dem wir das Quartett ins Spiel gebracht hatten und darauf hingewiesen haben, dass eine Lösung im Nahen Osten nur in erreichbare Nähe kommt, wenn alle beteiligten Konfliktparteien einbezogen werden. Das gehört eben auf den Tisch gelegt und auch gesagt, dass Syrien mit einbezogen werden muss, und da, muss man sagen, ist die Bundeskanzlerin über ein halbes Jahr lang überhaupt nicht darauf eingestiegen. Manchmal hatte man den Eindruck, dass sie, insbesondere was Syrien anging, gar nicht wollte. Und da scheint sich jetzt ein Umdenkungsprozess zu ereignen, und deshalb finde ich das gut, dass Frau Bundeskanzlerin Merkel da mehr auf unsere Linie einschwenkt.

Sagenschneider: Nun reist sie auch nach Saudi-Arabien. Welche Rolle spielt Saudi-Arabien jetzt für den Friedensprozess?

Schulz: Ich denke, eine ganz wichtige. Saudi-Arabien ist eine regionale große Macht und hat gerade im arabischen Lager relativ viele Einflüsse. Saudi-Arabien ist eben auch auf Grund seiner wirtschaftlichen Macht in der Region bedeutend und hat auf die unterschiedlichsten Gruppen in den Ländern den einen oder anderen Einfluss. Aber es wird nicht nur reichen, Saudi-Arabien einzubeziehen. Man muss das noch einmal wiederholen: Die Vielfältigkeit der Interessen im Nahen Osten darf man nicht unterschätzen. Syrien hat seine eigenen Interessen, Saudi-Arabien hat wiederum andere, und nicht zu vergessen, der Iran. Hinter vielem, was sich im Nahen Osten abspielt, stecken eben noch Einflüsse, die aus Teheran gesteuert werden. Man wird am Ende meiner Meinung nach auch nicht daran vorbeikommen, mit dem Iran zu reden.

Sagenschneider: Da gibt es dann natürlich auch noch Vorbehalte von dieser Seite gegenüber der EU, weil ja da immer wieder gesagt wird, und es ist ja auch was dran, dass die Hamas-Regierung mehr oder weniger boykottiert wird und man damit schon Partei nehme. Hat die EU trotzdem gut daran getan, die Hamas-Regierung weitgehend zu boykottieren wirtschaftlich?

Schulz: Man kann eine Regierung, die angeführt wird von Leuten, denken Sie an Herrn Hanija, aber auch der hinter ihm stehende Herr Maschal, der in Damaskus die Exilorganisation der Hamas führt, man kann nicht mit Leuten kooperieren, die sagen, Israel muss vernichtet werden, muss von der Landkarte verschwinden, die diese exterminatorische Phraseologie jeden Tag in die Köpfe der Leute da hämmern. Da muss man schon auch eine Grenze ziehen. Was man trotzdem machen kann, ist, und das hat die EU übrigens auch versucht, die Basisinfrastruktur insbesondere im Gazastreifen aufrecht zu erhalten, indem eben Gelder zielgerichtet für Gesundheit, für Wasserversorgung, für Elektrizitätsversorgung eingezahlt werden. Es kommt auch ein bisschen darauf an, ob Israel die eingehaltenen Steuern zielgerichtet zum Beispiel an Präsident Abbas zahlt. Es ist eine ganz schwierige Situation, aber was den Boykott angeht, man muss, glaube ich, zwei Dinge tun: Hanija und seiner Regierung eine Grenze zeigen, politisch, und trotzdem humanitär, zielgerichtet helfen.

Sagenschneider: Vielen Dank Martin Schulz, der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion im Europaparlament.