Junge Marokkaner in Spanien

Große Träume, harte Realität

21:58 Minuten
Ein junger Mann in  einer lila Jacke steht auf einem sonnenüberfluteten Platz. Umgeben von Bäumen und Bergen.
Harte Landung: der Marokkaner Yusef erreicht schwimmend die spanische Exklave Melilla. Der damals noch Minderjährige verlässt das Kinderheim dort, ohne Papiere. © Deutschlandradio / Manuel Biallas
Von Manuel Biallas · 10.01.2022
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Als Marokko 2021 die Grenzen öffnete, stürmten Tausende nach Spanien. Nur die Minderjährigen durften bleiben. In Kinderheimen werden sie oft schlecht behandelt. Sind sie volljährig, landen sie auf der Straße. Ein neues Gesetz soll helfen.
Die Natur genießen: Im südspanischen Bergdorf Sierra Elvira in der Provinz Granada in Andalusien ist das Alltag nicht Luxus. Nur eine Straße führt in die nächstgrößere Stadt Atarfe, 400 Kilometer südlich von Madrid. Über 200 Menschen leben hier am Fuß eines mächtigen felsigen Gipfels.

Glück für Aussteiger

Auch eine selbstversorgende Aussteigercommunity hat ihr Glück gefunden.
Am Fuß eines kahlen Berges inmitten einer kargen Landschaft liegt ein kleines Dorf mit kleinen flachen weißen Häuschen.
Eigenwillige Kombination: Das Dorf Sierra Elvira in Andalusien beherbergt sowohl Aussteiger als auch geflüchtete junge Marokkaner.© Deutschlandradio / Manuel Biallas
Hühner gackern, Kräuter wachsen in Hochbeeten, sogar ein improvisierter Friseursalon ist vorhanden. Die mit bunten Mosaiken dekorierte Feuerstelle ist abends regelmäßiger Treffpunkt für die Gemeinschaft. Freiheit für all jene, die die Wahl haben.
Für den 18-jährigen Marokkaner Yusef dagegen ist das Idyll in den Bergen der letzte Zufluchtsort. "Ich lebte in einem Kinderheim in Marokko", erzählt er und zupft verlegen an seiner lila Jacke. "Schwimmend habe ich die spanische Exklave Melilla erreicht. Als ich am Strand ankam, wurde ich von der Polizei in ein Kinderheim gebrach."
Zehn Tage sei er dort gewesen. "Mit einigen Jungs dort hatte ich Ärger, es gab Streit. Ich habe diesen Ort gehasst und bin deshalb abgehauen auf die Straße." Yusef verlässt das Kinderheim ohne Papiere, lebt noch einige Monate auf der Straße, hält sich mit betteln über Wasser.

Flucht auf der Fähre unter dem LKW

Dann die Entscheidung: der lebensgefährliche Weg von Melilla auf das spanische Festland soll seine letzte Rettung sein. In den Unterbau eines Lastwagens geklemmt, erreicht er mit der Fähre den Hafen der andalusischen Stadt Almeria. Doch auch dort erweist Überleben sich als schwierig.
Erst vor wenigen Wochen findet der kleingewachsene Jugendliche mit dem betrübten Blick Zuflucht bei den Aussteigern von Sierra Elvira. Dieser Ort sei viel besser, meint er. "In Almeria gab es nur Leid für mich: ich musste auf der Straße schlafen, hatte nichts zu essen. Hier habe ich wenigstens einen Platz zum Schlafen, zum Duschen, kann essen. Die Leute hier sind hier anders, dieser Ort ist gut."
Die Kommune bietet Platz für alle jene, die nicht in das herkömmliche Gesellschaftssystem Spaniens passen. Mütter mit Suchtvergangenheit, Menschen mit Hang zum Spirituellen und junge Marokkaner. Ein Auffangbecken.

"Marokko frisst die Menschen auf"

Die etwa 50 Bewohnerinnen und Bewohner der improvisierten Gemeinschaft kneten Brotteig in der eigenen Bäckerei, pflegen ihre Gemüsebeete, ernähren sich aber auch von Lebensmittelspenden aus Großmärkten. "Sobald ich meine Papiere habe, werde ich arbeiten", sagt Yusef. "Einen Job suchen, mit dem ich über die Runden komme, mit dem ich für mich selbst sorgen kann. In Marokko gebe es keine Möglichkeiten. "Wenn du dortbleibst, wirst du dein ganzes Leben so verbringen. Marokko frisst die Menschen auf."
Die Einwohnerinnen und Einwohner der unkonventionellen Berggemeinschaft sind nirgendwo registriert. Gegen Yusef liegt offiziell ein Abschiebebefehl vor, der nicht vollstreckt wird, da er Einspruch eingelegt hat. Er will für seine Papiere kämpfen.
Ein junger Mann in Anorak und Jeans sitzt an einem sonnigen Tag auf einem leeren Platz auf einer Steinbank.
"Es existiert kein Respekt, die Aufpasser schlagen die Kinder" Haissam lebte in einem Kinderheim in der spanischen Exklave Melilla.© Deutschlandradio / Manuel Biallas
Es wird laut: Um Yusef versammeln sich lebhaft gestikulierende Jugendliche, die ebenfalls im Bergdorf Sierra Elvira leben. Unter ihnen ist auch Haissam. Trotz 17 Grad und Dezembersonne trägt er einen grauen Kapuzenpullover. Haissam wirkt gelassen, ja gefasst.
Seit drei Monaten wohnt er in der Kommune, lebte bis zu seinem 18. Geburtstag in dem Kinderheim La Purisima in Melilla. Diese sogenannten Schutzzentren geraten wegen der dort herrschenden prekären Zustände immer wieder in die Kritik. "Ich habe mit vier anderen in einem Zimmer gewohnt", erzählt er. "Es war sehr schlecht. Es gab Krankheiten wie die Krätze. Es existiert kein Respekt, die Aufpasser schlagen die Kinder und am Ende verlassen viele das Heim ohne Papiere. Ich selbst hatte viel Glück, mit 18 Jahren meine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen."

Der Traum vom Neubeginn

Ob jemand das Kinderheim mit oder ohne Papiere verlässt, hängt oft von der Willkür der Heimleitung ab. Erst vor wenigen Monaten hat der junge Mann das Festland erreicht. Wie viele Marokkaner hat er in kürzester Zeit Spanisch gelernt. Haissam will weiterkommen, für ihn soll das Bergdorf nicht zur Endstation werden. "Ich würde lieber in einer betreuten Wohngruppe leben, das ist besser als hier", sagt er. Denn in der Innenstadt könne man besser nach einer Arbeit suchen. "Hier in diesem kleinen Dorf kannst du gar nichts erreichen. Deshalb will ich in Granada wohnen. Sobald ich meine Arbeitserlaubnis habe, haue ich ab von hier."  
Haissam wartet auf einen der begehrten Schlafplätze in einer betreuten Wohngruppe. Da ist er nicht der Einzige. Sind sie doch für die Jugendlichen mit dem Traum des Neubeginns im Kopf die Möglichkeit, schnell Anschluss an die spanische Gesellschaft zu finden.
Ein junger Mann im grauen Sweater steht  vor dem Hintergrund eines blauen Himmels auf dem Balkon eines Häuserblocks
Floh aus Marokko, um in Spanien ein "verdammt geiles" Leben zu führen: Der 18-jährige Imad lebt in Granada und ist von den Verdienstmöglichkeiten vor Ort enttäuscht.© Deutschlandradio / Manuel Biallas
20 Kilometer weiter östlich. Die Stadt Granada ist eine der bekanntesten Hochburgen der andalusisch-maurischen Kultur. Imad ist das egal. Im grauen Jogginganzug sitzt der junge Mann mit dem frisch rasierten Undercut auf dem Sofa und schaut sich Musikvideos auf dem Handy an.

Realität entspricht nicht der Vorstellung

Er bewundert die deutsche Hip-Hop-Gruppe „187 Straßenbande“, einige Zeilen kann er sogar mitrappen. Auch wenn er nicht versteht, was er hört, gefällt ihm, was er im Musikvideo sieht. Pittbulls, teure Autos, schnelles Geld. Träumereien eines 18-Jährigen.
"Meine Erwartungen waren, dass ich hier in Spanien ankomme und alles luxuriös ist", erzählt er. "Dass du schnell eine Arbeit findest und einfach ein verdammt geiles Leben führst." Aber wenn man hier ankomme, stelle man fest: "Die Realität ist komplett anders, als du es dir ausgemalt hast." Zum Beispiel habe er gedacht, dass er eine Arbeitserlaubnis erhalte, sobald er ankomme. "Du denkst, du kannst hier gutes Geld verdienen. Aber dann stellst du fest: Mit dem, was du verdienst, reicht es gerade so zum Essen und zum Leben. Mehr ist nicht drin."

"Volljährige werden auf die Straße gesetzt"

Imad hat seine Papiere schon und ist nun auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Gemeinsam mit drei anderen Jugendlichen teilt sich der junge Marokkaner zwei Zimmer, einen Wohnraum und eine kleine Küche. Die Möbel sind abgenutzt, Besteck fehlt der Wohngruppe noch.
Der Stadtteil Zaidín, die Gegend am Rand von Granada gilt als Arbeiterviertel. Dicht gedrängt in Häuserblocks leben die Menschen hier. Man nennt sie Menas. Das spanische Akronym für unbegleitete, minderjährige Geflüchtete.
Bis zu ihrem 18. Geburtstag bleiben die Menas in der Obhut des Staates, gesetzlich geschützt durch das spanische Recht für Kinder. Doch das ändert sich mit ihrer Volljährigkeit. "Wir als Menas werden, sobald wir 18 sind, normalerweise von der andalusischen Regionalregierung auf die Straße gesetzt. Wenn es keinen freien Platz in einer Piso de Mayoria gibt, also dem betreuten Wohnen, wirst du auf der Straße enden. Das ist die Realität."
Die Realität ist auch, dass mit dem Verlassen der Kinderheime die spanische Vormundschaft endet. Jetzt werden die Migranten vom Mena zum sogenannten Extutelado. Bedeutet: Auf dem Papier ist der spanische Staat nicht mehr für sie zuständig.

Ein Wohnplatz auf vier Ex-Heimkinder

Die jungen Erwachsenen sind damit plötzlich auf sich alleine gestellt. Imad zum Beispiel darf für ein Jahr umsonst in seiner Wohngruppe leben, etwa 400 Euro insgesamt kostet das den Staat monatlich. Er hat Glück, denn auf vier ehemalige Heimkinder kommt derzeit nur ein freier Wohnplatz.
Konsequenz: Die Warteliste für die Wohngruppen ist lang, denn es gibt derzeit 12.000 Extutelados, also gerade volljährig gewordene, meist männliche Migranten in Spanien, über zwei Drittel davon aus Marokko.
Betrieben werden die Wohnprojekte von Hilfsorganisationen wie Granada Acoge. Die Sozialarbeiterinnen und -arbeiter leisten bürokratische Unterstützung, helfen bei der Jobsuche und vermitteln bei Problemen, die das pubertäre 18-jährige Jungsein eben so mit sich bringt. Ob mit oder ohne Fluchtgeschichte.
"Warum ich nicht in einer richtigen Wohnung lebe, hat etwas mit unserem System zu tun, und wie die Welt regiert wird. Mann, warum ich mir jetzt keine eigene Wohnung leisten kann? Dafür gebe ich den Politikern und dem System die Schuld – wenn in meinem Leben alles glatt gelaufen wäre, dann wäre ich auch in meiner eigenen Wohnung."
Ein Wintermorgen am "Plaza de Romanilla" mitten in Granada. Es riecht nach frittiertem Fisch. Händlerinnen sortieren eingelegte Oliven, Serrano-Schinken, frisches Gemüse. Eine von ihnen ist die pausenlos rauchende Obstverkäuferin Trini.
Seit 30 Jahren arbeitet die selbstbewusste Mitfünfzigerin hier, wuchtet die schweren Orangenkisten auf ihren Außentresen. Die Kleinunternehmerin kennt ihre Kundschaft und ihren Stadtteil. Das südliche Andalusien ist der erste Ankunftsort für die meist marokkanischen, männlichen Jugendlichen.

WhatsApp-Warnungen vor Migranten

Vergangenen Sommer schlossen sich Anwohnerinnen und Anwohner in WhatsApp-Gruppen zusammen: zu viele marokkanische Jugendliche würden auf der Straße herumlungern, so die Angst.
Eine regelrechte Hetzjagd begann. Sobald einer der Migranten die Straße überquerte, kursierte sein Foto samt Warnhinweis in der Chatgruppe. Ladenbesitzerin Trini ärgert sich darüber. "Das sind Menschen, die auf sich allein gestellt sind, die sollte man nicht abschieben", meint sie. "Die sollen nicht das Recht haben hier zu leben? Warum nicht? Die haben genauso Rechte wie wir auch. Es gibt genug Platz hier in Spanien zum Leben, das sind immer noch Kinder. Fertig, Punkt aus."
Auf dem sonnigen Plaza de Romanilla sehen das an diesem Dienstagvormittag nicht alle so. "Was ist da los mit unserer Regierung? Die, die aus Marokko kommen, bekommen ein Jahr eine Wohnung bezahlt. Und wer beschützt die armen Spanier auf der Straße? Frauen, Kinder und Alte... Das ist bitter."
"Die Menas hier in Granada begehen Raubüberfälle, Diebstähle, Vandalismus. Das ist schlimm. Aber klar, die jungen Marokkaner müssen auch von irgendwas leben, da ist Klauen für sie die einfachste Möglichkeit."

Rechtsradikale Partei VOX ist hier beliebt

Das Narrativ des kriminellen, marokkanischen Jugendlichen befeuert auch die rechtsradikale Partei VOX. Auf einem ihrer Wahlplakate steht: „Deine Großmutter erhält 426 Euro Rente, ein Mena kostet den Staat 4700 Euro pro Monat.“ Elf Prozent erhielt die ultrarechte Partei bei den letzten andalusischen Regionalwahlen aus dem Stand.
Die Marokkaner verlassen die maroden Kinderheime oft ohne Papiere, verfügen über keine Arbeitserlaubnis. Welchen Weg einschlagen, ohne Geld, ohne Wohnung, ohne Arbeit?
Etwa 300 Meter entfernt vom Plaza de Romanilla liegt die Calle Niños Luchando. Übersetzt: die Straße der kämpfenden Kinder. In einer Bürowohnung der kleinen Gasse sitzt Juanma Ramos an seinem Schreibtisch. Grelle Neonröhren leuchten, ein Gasofen heizt die kühlen Räume der gemeinnützigen Einrichtung Granada Acoge.

Schwierig, einen Arbeitsvertrag zu bekommen

Der untersetzte Mann mit dem müden Blick ist verantwortlich für die betreuten Wohngruppen. Zwischen 2017 und 2019 kamen so viele junge Migranten nach Spanien, dass die Hilfsorganisationen bis heute überlastet sind. Der Sozialarbeiter unterstützt die Neuankömmlinge auch dabei, die begehrte Arbeitserlaubnis zu erhalten. "Um legal arbeiten zu können braucht es einen Arbeitsvertrag: ein Jahr auf Vollzeit, 40 Stunden Woche", sagt Ramos. "Diesen Arbeitsvertrag muss der Arbeitgeber der Ausländerbehörde vorlegen. Es ist beinah unmöglich Unternehmen zu finden, die bereit sind den Extutelados einen solchen Arbeitsvertrag anzubieten."
Im Schnitt dauert die Bearbeitungszeit durch die Ausländerbehörde etwa drei Monate. Der Arbeitsmarkt ist angespannt. Die spanischen Unternehmen benötigen oft kurzfristig Angestellte. Daher scheitert es in vielen Fällen auch am Einjahresvertrag, wenn Arbeitgeber nur für wenige Monate einstellen können.

Instabiler und prekärer Arbeitsmarkt

Die Arbeitslosenquote in Spanien liegt bei etwa 15 Prozent, unter den Jugendlichen sind mehr als ein Drittel ohne Job. Mit schwerwiegenden Folgen für die jungen Erwachsenen aus Marokko. "In Spanien ist der Arbeitsmarkt instabil, prekär und oft befristet", erläutert Ramos. "Das ist schon für die spanische Bevölkerung schwer. Wer dazu keine Arbeitserlaubnis hat, den zwingt das quasi in die Schattenwirtschaft. Diese inoffiziellen Jobs finden sich primär in der Landwirtschaft, auf den Feldern, dem Gastgewerbe oder auf dem Bau."
Gerade die Ausländer im Land bringt diese Gesetzgebung in eine vulnerable Position. Marokkaner bekommen ihren Lohn nach der Arbeit oft nicht ausgezahlt. Davon hört Juanma Ramos immer wieder.

Neues Gesetz verbessert die Situation

Ein neues Gesetz soll jetzt den Zugang zum offiziellen Arbeitsmarkt erleichtern.  Für diese Änderung hat Ramos lange geworben, dafür sogar vor der Kommission für Kinderrechte des andalusischen Regionalparlaments gesprochen. Mit Erfolg: Seit November erhalten alle jungen Marokkaner, sobald sie volljährig sind per Gesetz automatisch eine Arbeitserlaubnis.
Soweit die Theorie, die Umsetzung in die Realität läuft erst langsam an. Damit sind die sogenannten Menas nicht mehr auf den einjährigen Arbeitsvertrag angewiesen, sondern dürfen jedes Jobangebot annehmen. Ein Vorteil für beide Seiten: Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
"Die Jugendlichen werden mehr Möglichkeiten haben, eingestellt zu werden. Unsere Erfahrung mit Unternehmen zeigt, dass das Profil der Migranten auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt ist: Sie sind motiviert zu arbeiten, sie sind motiviert zu lernen, sie sind jung und anpassungsfähig", sagt der Gastronom Borja Olmedo. Er begrüßt die neue Gesetzgebung. Olmedos Restaurant in Granadas Innenstadt ist für den Abend ausgebucht.

"Er hat sich gut angestellt"

Dem jungen Unternehmer gehören drei Lokale. Etwa zehn seiner 50 Beschäftigten sind Migranten. Er kann sich gut daran erinnern, wie er den ersten Marokkaner in seiner gehobenen Gastronomie eingestellt hat.
"Der Junge mochte die Küche, wir haben ihm ein dreimonatiges Praktikum gegeben, damit er die Arbeit dort kennenlernen kann, damit er schneiden lernt, wie wir das Essen anrichten, eben unsere Art zu arbeiten." Danach mussten sie sich entscheiden, ob sie ihn einstellen oder nicht. "Mit einem Ein-Jahresvertrag und ihm den Mindestlohn zahlen. Das haben wir gemacht, weil er sich gut angestellt hat."
Ein Ausländer kostet ihn genau so viel wie ein spanischer Angestellter. Etwa 900 Euro beträgt der monatliche Mindestlohn in der Gastronomie. Die körperliche Arbeit in der Küche ist hart. Der hyperkorrekt wirkende Restaurantbesitzer mit dem zurückgegelten Haar vertritt einen wirtschaftlich liberalen Standpunkt.

Gute Arbeitsmoral der Zugewanderten

Wenn er eine Person einstelle, dann, weil sie es wert sei. Olmedo schätzt die Arbeitsmoral der Zugewanderten. Ob er auch einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Arbeit mit ihnen zieht? "Die Jungs fangen bei null an und lernen viel in wenig Zeit", meint er. "Sie sind anpassungsfähig, übernehmen schnell Verantwortung und sind zuverlässig. Auch für uns ist es eine Chance, da sie mit einem zweimonatigen Praktikum beginnen, in dem wir ihnen weder Gehalt noch Sozialversicherung zahlen müssen. Das ist der einzige finanzielle Vorteil, den wir hier haben."
Bisher konnte er es sich leisten, seinen ausländischen Mitarbeitern Jahresverträge anzubieten. Doch die Pandemie betrifft auch sein Unternehmen. "Während der Pandemie, da gab es einen Jungen, den wir gerne eingestellt hätten." Das ging aber nicht, weil alles geschlossen war. "Erst als wir im Oktober wieder mit einem neuen Laden aufgemacht haben, hat es funktioniert. Fast hätte er seine Arbeitserlaubnis nicht erhalten, einfach aufgrund der bürokratischen Hürden."
Ein hochgewachsener schlanker Jugendlicher in knallorangenem dicken Anorak steht an der offenen Tür eines Ladens mit Klamotten und Möbeln.
"Du hast immer deine Familie in Marokko im Hinterkopf", sagt der 21-jährige Ahmet. Er will sich auf dem spanischen Arbeitsmarkt nicht ausnutzen lassen.© Deutschlandradio / Manuel Biallas
Doch eine Arbeitserlaubnis zu besitzen ist nicht automatisch gleichbedeutend mit einem guten Arbeitsverhältnis, wissen Reda und Ahmet. Die beiden sortieren gebrauchte Kleidung. In blauen Plastiksäcken wühlen sie nach Lederjacken, Cordhemden, karierten Sakkos. Second-Hand liegt auch in Spanien im Trend. Die gespendeten Klamotten verkaufen sie anschließend in dem kleinen Gebrauchtwarenladen, der sie eingestellt hat.
Der 21-jährige Ahmet gibt den Ton an. Von seinen Kollegen arbeitet er hier am längsten. Sein Ziel: eine gute Arbeit finden. Denn schlechte Jobs – die gibt es auch in seiner Heimat – für viele ist gerade die Arbeitssituation der Grund, Marokko Richtung Spanien zu verlassen.

Großer Druck von der Familie in Marokko

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt gilt die Grenze zwischen Spanien und Marokko als die mit der ungleichsten Verteilung der Welt. Die Migranten erhoffen sich finanzielle Stabilität von Europa. Und auch von Seiten ihrer Familien lastet ein großer Druck auf ihnen.
"Die einzige Möglichkeit, deine Eltern wieder zu sehen, ist die Arbeitserlaubnis. Für uns als Migranten ist die Familie in Marokko das Problem. Auch wenn wir zu Hause einen vollen Kühlschrank haben, können wir nicht mit leeren Händen zurückkommen. Hier in Spanien komme ich mit wenig aus, muss nichts essen, könnte draußen schlafen, kein Ding. Aber du hast immer deine Familie in Marokko im Hinterkopf."
Die Warnhinweise über marokkanische Jugendliche in den WhatsApp-Gruppen haben ihn schnell erreicht. Doch die angebliche Kriminalität wie Raubüberfälle, Diebstähle, Vandalismus, sind in Spanien kein rein marokkanisches Phänomen, sondern Einzelfälle. Davon ist Ahmet überzeugt. "Es gibt ein Sprichwort bei uns: Wenn ein Fisch stirbt, kann er das ganze Meer verschmutzen. So ist das auch mit den marokkanischen Jugendlichen", meint er. "Da draußen klauen nicht nur Marokkaner Geldbeutel, sondern auch spanische Jugendliche. Mit dem Laden wollen wir den Leuten zeigen, dass wir nicht alle gleich sind. Unsere Botschaft ist: Ich bin kein Extutelado. Ich bin Ahmet."
Die Geschichte der marokkanischen Jugendlichen in Spanien ist eine von Träumen genauso wie von Enttäuschungen. Doch die neue Gesetzeslage macht Hoffnung. Dass künftig – nach der Überfahrt – auf sie in der neuen Heimat mehr Traum als Enttäuschung wartet.
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