Die Chefs der Tech-Konzerne Amazon, Apple, Facebook und Google müssen heute unter Eid vor dem Justiz-Ausschuss des US-Repräsentantenhauses aussagen – coronabedingt per Video-Schaltkonferenz. Es geht um nicht weniger als den Verdacht, dass sie ihre Marktmacht missbrauchen. Am Ende des Verfahrens könnten Konsequenzen bis hin zur Zerschlagung einzelner Unternehmen stehen.
APPLE
Der Vorwurf: Die Gebühren, die Anbieter im App-Store zahlen müssen, seien viel zu hoch. Darüber beschwert sich beispielsweise der Streamingdienst Spotify. Dazu läuft auch schon ein Wettbewerbsverfahren der EU-Kommission.
Die Stellungnahme: Die Gebühren seien vergleichbar mit denen anderer Plattformen.
Der Politikwissenschaftler und Experte für Plattformökonomik Dominik Piétron von der Berliner Humboldt-Universität sieht einen Marktmissbrauch durch die großen Plattformen für gegeben. Für fraglich hält er jedoch, ob zumindest nach der engen Definition des deutschen und europäischen Wettbewerbsrechts der Missbrauchstatbestand greift.
Das klassische Wettbewerbsrecht konzentriere sich immer auf den Nachteil der Verbraucher. "Wenn wir den nicht haben, dann fehlt uns der Blick für – und das ist das Hauptproblem bei diesen Plattformen – die Nachteile der Anbieter."
GOOGLE
Der Vorwurf: Weil die Google-Suchmaschine mit großem Abstand am häufigsten genutzt wird, hat sie Vorteile bei der Online-Werbung. Außerdem würden Nutzer würden bei Suchanfragen vor allem auf Google-Angebote geleitet, statt auf die von Konkurrenten.
Die Stellungnahme: Ob bei der Internet-Suche, bei Händlern oder Reisen – überall gäbe es Wettbewerber, sagt Google, nur seien deren Angebote wohl weniger attraktiv.
Wenn man über die engen Grenzen des Wettbewerbsrechts hinausschaue, seien die strukturellen Missbräuche durch die großen Plattformen aber deutlich zu erkennen, betont Piétron.
Ein besonderer Fall hierbei ist dem Wissenschaftler zufolge Amazon. Denn das Unternehmern trete in einer Doppelrolle auf, "sowohl als Marktanbieter als auch selber als Marktteilnehmer".
So nutze Amazon die Daten der Händler, die ihre Produkte auf der Amazon-Plattform anbieten, dazu, um möglichst profitable Produkte zu identifizieren, "die Amazon dann in einem zweiten Schritt mit über 20 Eigenmarken anbietet", kritisiert Piétron. "Es kommt immer wieder auch zu Vorfällen, wo Händler konkret diskriminiert werden durch einen neuen Algorithmus, dass sie von einem Tag auf den anderen einen Großteil ihrer Umsätze verlieren oder von der Plattform verwiesen werden. Diese Anbieter haben dann keine Chance, sich dagegen zu wehren."
AMAZON
Der Vorwurf: Amazon bietet auf dem Market Place Händlern die Möglichkeit, ihre Waren zu verkaufen. Mit den dabei gewonnenen Daten würden diese Händler dann aber mit eigenen Angeboten aus dem Markt gedrängt.
Die Stellungnahme: Jeff Bezos erklärt, er schaffe so viele Jobs in den USA wie kein anderes Unternehmen. Außerdem sei Amazon zwar der größte Online-Händler, im Internet gäbe es aber Alternativen. Und die meisten Einkäufe fänden ohnehin offline statt.
Denn Händler, die in lokalen Handel zunehmend Umsätze verlören, sähen sich gezwungen, auf Amazon zu gehen, weil sie nur noch so ihren Umsatz erwirtschaften könnten. "Dadurch werten sie das Angebot auf der Plattform Amazon auf und ziehen dadurch zusätzliche Kunden an."
Das ist der Prozess, den wir sehen. Deshalb steht Amazon inzwischen auch bei 50 Prozent Marktanteil vom gesamten E-Commerce in Deutschland. Da ist kein Wettbewerb mehr da, da haben viele Menschen – Anbieter wie Verbraucher – keine reale Möglichkeit, auf Alternativen auszuweichen."
FACEBOOK
Der Vorwurf: Es geht zum einen um die beherrschende Stellung im Social-Media-Bereich, auch durch die Übernahme von Instagram und Whatsapp. Zum anderen steht aber auch die Frage im Raum, wie Facebook mit Inhalten umgeht.
Die Stellungnahme: Facebook verweist auf den gemeinsamen Gegner, nämlich die Konkurrenz aus China. Die Videoplattform Tiktok ist bei amerikanischen Jugendlichen zunehmend beliebt. Und das ist auch einigen Politikern ein Dorn im Auge.
Der Interessenkonflikt bei Amazon, gleichzeitig Marktanbieter und -teilnehmer zu sein, lasse sich nur durch eine strukturelle Aufspaltung dieser beiden Unternehmensbereiche lösen, sagt Piétron.
"Der freie Markt, der durch das Wettbewerbsrecht irgendwie hergestellt werden sollte, ist in vielen Marktbereichen überhaupt nicht mehr vorhanden."