Marke und Malmaschine
In vier Jahren, von 1961 bis 1964, hat Andy Warhol nicht nur ein revolutionäres Konzept für seine eigene Karriere als Künstler entwickelt, sondern eine Wende in der Kunstgeschichte eingeleitet. Neben 70 Gemälden und Zeichnungen ist in Basel auch Arbeitsmaterial aus seinem Atelier zu sehen.
Es begann, wenn man so will, mit einer Schönheitsoperation. 1961 entdeckte Andy Warhol in einer Zeitung die Werbeanzeige für eine Nasenkorrektur: links die hässliche Hakennase, rechts das kosmetisch berichtigte Stupsnäschen. Warhol, bis dahin ein gefeierter Werbegrafiker und als solcher ja ein Spezialist für Oberflächen, tat etwas, was bis dahin unerhört war. Er vergrößerte die Vorlage mit einem Projektor und pinselte sie ab auf eine Leinwand.
Das ging so glatt, dass er gleich noch weitere Versionen malte, dazu noch die Reklame für Hühneraugenpflaster oder einen Fernsehapparat. Seine Kollegen malten damals expressiv? Bitte schön: Warhol spritzt und kleckert etwas rum, die Farbe trieft, es sieht gut aus, und das, sagt Kuratorin Nina Zimmer, ist der Stoff für diese Schau:
"Die Ausstellung erzählt eine Geschichte, und zwar die Geschichte, wie er Schritt für Schritt dieses Bildkonzept erfindet: Das Motiv kopieren, eben nicht selbst erfinden, sondern reproduzieren, wiederholen, triviales, massenmedial bereits verbreitetes Bildmaterial in neuer Form, und eben dass gerade nicht die Innerlichkeit, sondern die Äußerlichkeit in den Vordergrund gestellt wird."
In Basel sehen wir, wie das funktioniert, wie Warhol der Kunst den Nimbus des Einzigartigen austreibt und daraus dennoch etwas einzigartig Neues schafft: Kunst als Showbusiness und clevere Geschäftsidee, der Künstler als Marke und Malmaschine.
Handgemalt dauerte ihm bald zu lange. "Heute macht man das mechanisch", sagte Warhol und hantierte zunächst noch mit Schablonen, bevor er den Foto-Siebdruck für sich entdeckte und ganz bewusst kleine Fehler einschmuggelte, damit es auch trotz Massenproduktion noch aussah wie gemalt.
Die Räume in Basel hängen also voller Suppendosen, Coca-Cola-Flaschen, Dollarnoten oder den Porträts von Elvis und Liz Taylor, und das Prinzip von serieller Massenproduktion und Fließbandarbeit in der legendären "Factory" gipfelt in der Mega-Serie der "Flowers", mit denen Warhol 1964 seine erste Einzelausstellung bei dem legendären Leo Castelli bestückte: vier Hibiskusblüten in schrillen Farben, platt wie ein Klischee. Die Idee, zum ersten Mal Produktvarianten in verschiedenen Größen und Farben anzubieten, ganz nach dem Geschmack der Konsumenten seiner Kunst, war nur logisch. Marketing eben.
Das Motiv war freilich wieder mal geklaut, aus einer Fotozeitschrift – was die betroffene Fotografin veranlasste, eine Beteiligung an den Verkaufserlösen zu verlangen, die sie auch bekam, denn das Geschäft lief wie geschmiert.
Warhol aber hat sich immer angeeignet, was er brauchte:
"Er hat eigentlich jedes Gespräch eröffnet eine Weile lang mit: Was soll ich mal malen, was hast du für Vorschläge für mich? Und da erinnern sich natürlich auch viele dran. Was man aber zu wenig dazu sagt, ist, wie stark er aus diesen ganzen Vorschlägen ausgewählt hat. Er hatte ein unglaubliches Gespür für das, was dann letztlich auch ein Killer-Motiv wurde."
Wie kein Zweiter durchschaut er das System des Kunstbetriebs und spielt dabei, wie es im Katalog heißt, "die Komödie der Malerei". Malen nach Zahlen etwa, das ist schon ganz schön frech. Und der Katalog stellt angesichts solcher Methoden auch die eher rhetorische Frage, wie ernst man Warhol als Maler überhaupt nehmen könne, um die Antwort in der Schau gleich mitzuliefern:
"Wir wollen mit der Ausstellung eigentlich die Gegenthese mal führen und wollen ei-gentlich die malerische Qualität auch in den Phasen danach aufspüren."
Nein, Warhol war kein Maler und auch kein Philosoph und Theoretiker, aber ein genialer Bildverwandler mit einem Instinkt für das Zeitgefühl, und er wusste wie man Kunst als Produkt in einer Gesellschaft platziert, die eigentlich gar keine Lust hat, sich mit mehr als der Oberfläche zu beschäftigen.
Selbst dem Todesschock gewinnt Warhol noch eine zynische Schönheit ab: Zeitungsfotos von Flugzeugabstürzen, Autounfällen oder Selbstmördern, die aus dem Hochhaus springen, verarbeitet er serienweise zu Bildern.
Warhol macht auch kein Geheimnis um den künstlerischen Schöpfungsakt, den es bei ihm ja praktisch nicht mehr gibt; und der wohl reizvollste Aspekt der Basler Schau sind die originalen Arbeitsmaterialien aus seinem Atelier: Fotovorlagen, Schablonen, Retuschen, die alles offenlegen.
Entlarvend ist auch ein Blatt von 1962. In pastellfarbenen Tönen sind dort allerlei Kosmetika aufgereiht wie auf einem Wer-beplakat: Lippenstift und Puderdosen, Badeöl und Parfümflaschen, Tiegel und Tuben. Es ist die Kunst der Kosmetik, die Warhol so meisterhaft beherrscht, und so gesehen ist sein ganzes Werk eine einzige Schönheitsoperation.
Link zum Kunstmuseum Basel:
Andy Warhol - The Early Sixties. Paintings and Drawings 1961-1964
Das ging so glatt, dass er gleich noch weitere Versionen malte, dazu noch die Reklame für Hühneraugenpflaster oder einen Fernsehapparat. Seine Kollegen malten damals expressiv? Bitte schön: Warhol spritzt und kleckert etwas rum, die Farbe trieft, es sieht gut aus, und das, sagt Kuratorin Nina Zimmer, ist der Stoff für diese Schau:
"Die Ausstellung erzählt eine Geschichte, und zwar die Geschichte, wie er Schritt für Schritt dieses Bildkonzept erfindet: Das Motiv kopieren, eben nicht selbst erfinden, sondern reproduzieren, wiederholen, triviales, massenmedial bereits verbreitetes Bildmaterial in neuer Form, und eben dass gerade nicht die Innerlichkeit, sondern die Äußerlichkeit in den Vordergrund gestellt wird."
In Basel sehen wir, wie das funktioniert, wie Warhol der Kunst den Nimbus des Einzigartigen austreibt und daraus dennoch etwas einzigartig Neues schafft: Kunst als Showbusiness und clevere Geschäftsidee, der Künstler als Marke und Malmaschine.
Handgemalt dauerte ihm bald zu lange. "Heute macht man das mechanisch", sagte Warhol und hantierte zunächst noch mit Schablonen, bevor er den Foto-Siebdruck für sich entdeckte und ganz bewusst kleine Fehler einschmuggelte, damit es auch trotz Massenproduktion noch aussah wie gemalt.
Die Räume in Basel hängen also voller Suppendosen, Coca-Cola-Flaschen, Dollarnoten oder den Porträts von Elvis und Liz Taylor, und das Prinzip von serieller Massenproduktion und Fließbandarbeit in der legendären "Factory" gipfelt in der Mega-Serie der "Flowers", mit denen Warhol 1964 seine erste Einzelausstellung bei dem legendären Leo Castelli bestückte: vier Hibiskusblüten in schrillen Farben, platt wie ein Klischee. Die Idee, zum ersten Mal Produktvarianten in verschiedenen Größen und Farben anzubieten, ganz nach dem Geschmack der Konsumenten seiner Kunst, war nur logisch. Marketing eben.
Das Motiv war freilich wieder mal geklaut, aus einer Fotozeitschrift – was die betroffene Fotografin veranlasste, eine Beteiligung an den Verkaufserlösen zu verlangen, die sie auch bekam, denn das Geschäft lief wie geschmiert.
Warhol aber hat sich immer angeeignet, was er brauchte:
"Er hat eigentlich jedes Gespräch eröffnet eine Weile lang mit: Was soll ich mal malen, was hast du für Vorschläge für mich? Und da erinnern sich natürlich auch viele dran. Was man aber zu wenig dazu sagt, ist, wie stark er aus diesen ganzen Vorschlägen ausgewählt hat. Er hatte ein unglaubliches Gespür für das, was dann letztlich auch ein Killer-Motiv wurde."
Wie kein Zweiter durchschaut er das System des Kunstbetriebs und spielt dabei, wie es im Katalog heißt, "die Komödie der Malerei". Malen nach Zahlen etwa, das ist schon ganz schön frech. Und der Katalog stellt angesichts solcher Methoden auch die eher rhetorische Frage, wie ernst man Warhol als Maler überhaupt nehmen könne, um die Antwort in der Schau gleich mitzuliefern:
"Wir wollen mit der Ausstellung eigentlich die Gegenthese mal führen und wollen ei-gentlich die malerische Qualität auch in den Phasen danach aufspüren."
Nein, Warhol war kein Maler und auch kein Philosoph und Theoretiker, aber ein genialer Bildverwandler mit einem Instinkt für das Zeitgefühl, und er wusste wie man Kunst als Produkt in einer Gesellschaft platziert, die eigentlich gar keine Lust hat, sich mit mehr als der Oberfläche zu beschäftigen.
Selbst dem Todesschock gewinnt Warhol noch eine zynische Schönheit ab: Zeitungsfotos von Flugzeugabstürzen, Autounfällen oder Selbstmördern, die aus dem Hochhaus springen, verarbeitet er serienweise zu Bildern.
Warhol macht auch kein Geheimnis um den künstlerischen Schöpfungsakt, den es bei ihm ja praktisch nicht mehr gibt; und der wohl reizvollste Aspekt der Basler Schau sind die originalen Arbeitsmaterialien aus seinem Atelier: Fotovorlagen, Schablonen, Retuschen, die alles offenlegen.
Entlarvend ist auch ein Blatt von 1962. In pastellfarbenen Tönen sind dort allerlei Kosmetika aufgereiht wie auf einem Wer-beplakat: Lippenstift und Puderdosen, Badeöl und Parfümflaschen, Tiegel und Tuben. Es ist die Kunst der Kosmetik, die Warhol so meisterhaft beherrscht, und so gesehen ist sein ganzes Werk eine einzige Schönheitsoperation.
Link zum Kunstmuseum Basel:
Andy Warhol - The Early Sixties. Paintings and Drawings 1961-1964