Mark O’Connell: Unsterblich sein

Das Bewusstsein aus dem tiefgefrorenen Gehirn

Buchcover von "Unsterblich sein." und die Untersuchung eins Agarosgel mit der DNA von einem Bakterium im Bioinnovationszentrum Dresden, Zentrum für Regenerative Therapien an der Technischen Universität Dresden (Exzellenzcluster), Forschungsbereich Genomik, aufgenommen am 04.12.2007
Der Traum von der Unsterblichkeit wird auch im Labor verfolgt. © dpa/Hanser Verlag
Von Gerrit Stratmann · 04.08.2017
Transhumanisten halten den Tod für ein lösbares Problem. Der Journalist Mark O'Connell hat die technikgläubigen Visionäre auf der Suche nach dem ewigen Leben begleitet. In seinen Reportagen spiegelt sich Staunen - und Erschrecken.
Der menschliche Körper ist ein fehleranfälliges System. Nicht nur Verletzungen und Krankheiten setzten ihm zu, sondern durch den Tod hört er auf zu existieren. Aber der Tod, da sind sich die Anhänger des "Transhumanismus" sicher, ist ein lösbares Problem. Der Journalist Mark O‘Connell hat sich auf die Spuren der Transhumanisten begeben, die die Beschränkungen des menschlichen Daseins überwinden wollen. "Unsterblich sein" heißt sein Recherchebericht, der jetzt auf Deutsch erschienen ist.
Die Menschen, auf die der Journalist bei seiner Recherche trifft, gehören einem breiten Spektrum zwischen Sektierern und ernstzunehmenden Wissenschaftlern an. Es sind technikgläubige Visionäre, Bastler, Programmierer, junge Biotech-Genies und Silicon Valley-Optimisten, die mit geradezu religiöser Überzeugung daran glauben, dass der Mensch seine weitere Evolution selbst in die Hand nehmen muss, dass gentechnische Zellverjüngung unsere Lebensspanne deutlich verlängern kann, dass wir unsere Fähigkeiten mittels technischer Implantate erweitern, unsere biologischen Körper vielleicht sogar gänzlich hinter uns lassen und unser Bewusstsein auf Maschinen übertragen. Für die Transhumanisten ist die Cyborgisierung unserer biologischen Körper der Weg zur Unsterblichkeit. Und so investiert "Google" in die Forschung gegen das Altern ebenso wie der Milliardär Peter Thiel, Paypal-Gründer und Facebook-Investor.

Das menschliche Bewusstsein als ein Stück Software

Der rasante Fortschritt der Technik in den vergangenen 20 Jahren lässt die Umsetzung dieser Ideen innerhalb der nächsten 20 bis 30 Jahre plausibler als je zuvor erscheinen. Dennoch betrachtet Mark O‘Connell den unerschütterlichen Optimismus der Transhumanisten mit Skepsis. Für sie ist das menschliche Bewusstsein ein Stück Software, das auf einer Maschine aus Fleisch läuft. Selbst nach dem Tod, so das Versprechen der Kryonik-Firma "Alcor", könnte das Bewusstsein irgendwann aus einem tiefgefrorenen Gehirn rekonstruiert und auf einer Maschine wieder zum Leben erweckt werden.
Dem mag der Amerikaner nicht folgen. Die Vorstellung einer Gesamthirn-Emulation auf einem Computer erzeugt bei ihm eine instinktive Abneigung. Seine empathischen und gleichzeitig reflektierten Reportagen spiegeln zugleich Staunen und Erschrecken über die transhumanistische Gedankenwelt wider.

Kenntnisreiche Gegenstimmen fehlen

Dabei beschreibt Mark O‘Connell die Treffen mit seinen überwiegend männlichen, weißen, amerikanischen Gesprächspartnern sehr genau, er hat ein Gespür für ihre Stimmungen und Eigenheiten, nimmt sie ernst, und wird dennoch das Gefühl nicht los, dass die Menschen hinter den technikeuphorischen Träumereien doch nur auf quasi-religiöse Weise auf der Suche nach Erlösung von ihrer eigenen Unzulänglichkeit sind.
Was dem Buch allerdings fehlt, sind kenntnisreiche Gegenstimmen zum transhumanistischen Entwurf jenseits der Skepsis des Autors. Was es bietet ist ein nachdenklich-verstörender Einblick in die Vision von der Selbstabschaffung des Menschen durch Technik.

Mark O’Connell: Unsterblich sein. Reise in die Zukunft des Menschen
Übersetzt aus dem Englischen von Sigrid Schmid
Hanser Verlag, München 2017
299 Seiten, 24 Euro

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